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Wunschkonzert für SinglesVon Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre
Sie haben keine Lust (mehr), alleine in die Oper zu gehen? Dann machen Sie mit bei unserer Single-Aktion! Wir bemühen uns darum, Ihre passende Begleitung an Ihre Seite zu bringen. Für die Dauer einer BLIND-Date-Vorstellung... oder länger! Mit diesen Worten verspricht der Handzettel zur ersten Premiere der Saison zusammenzuführen, was mindestens einen Abend lang zusammen gehört. Man muss nur einen Coupon (siehe Abb.) ausfüllen und beim Kartenkauf abgeben schon greift das Theater in das Schicksal ein. Ich weiß nicht, was mein Chefredakteur bei der Kartenbestellung für mich angegeben hat; der Platz zu meiner Rechten jedenfalls blieb leer. Zur Linken saß, mit familiärem Anhang, ein eifrig Notizen verfassender Herr, offenbar Kollege. Also kein Blind Date, trotz markiger Ankündigung alles wie gehabt: Man murmelt, wenn man sich an seinen Sitznachbarn in den engen Reihen vorbeidrückt, halblaut ein Entschuldigung oder Dankeschön, genießt schweigend die Aufführung und geht wieder. Nicht einmal eine Pause gibt es, in der man neue Bekanntschaften schließen oder pflegen könnte. Gehen Sie also ruhig in gewohnter Begleitung in dieses Stück. Musicalische Verwirrspiele: Der Russe (Miljenko Turk) ist Dr. Jekyll ist Mr. Hyde ...
Blind Date ist mit Opera goes Musical überschrieben, und die von Christian von Götz (der auch Regie führt) verfasste Story geht im Wesentlichen so: Ein cholerischer Regisseur möchte für ein Musical vorsingen lassen, aber durch einen Planungsfehler sind nur ausgewiesene Opernsänger erschienen, die nun Tannhäuser oder Freischütz zum Besten geben wollen. Nach dem ersten Wutausbruch fügt sich der (nur aus dem Off über Mikrophon vernehmbare) Tyrann und versucht es mit diesen Leuten, sie sollen eben eine Musical-Nummer vortragen. Damit ist der Ablauf klar: Jemand singt einen Song, derweil sich die Kulisse in eben dieses Musical verwandelt, und es werden noch ein oder zwei weitere Nummern angehängt, so das kleine Szenenkomplexe entstehen. Eigentlich ist Blind Date ein Musical-Wunschkonzert, halbszenisch dargeboten, bei dem die Moderation durch die Spielhandlung ersetzt wird. ... Frau Gurgulova (Banu Böke, links - über den Namen der Statistin rechts erfahren wir nichts) ist Elisabeth und gehört sich angeblich selbst ...
Dank der immensen Spielfreude des Ensembles beginnt es fulminant; die permanenten Beleidigungen und Kränkungen des unsichtbaren, scheinbar allmächtigen Regisseurs sind von großer Komik, und die gedemütigten Sänger können umgekehrt durch ihr skurriles Verhalten tatsächlich einen Regisseur dem Wahnsinn nahe bringen. Die erste Hälfte der Aufführung ist ausgesprochen witzig und kurzweilig, doch irgendwann ist die Konstellation ausgereizt. Mit zunehmender Dauer werden die Dialoge bemühter, langatmiger. Gleiches gilt für die Musik: Ob Evita in Argentinien trauert, Elisabeth nur sich selbst gehört, der Mann von La Mancha an seinen Träumen scheitert, Mozart seinen Schatten loswerden will oder gar Jesus Christ Superstar sein Schicksal beklagt: Sie alle sind gedankenschwer mit sich selbst beschäftigt, und dazu fahren sie schweres Pathos auf, das derart geballt zunehmend unverdaulich wird. Und die musikalische Qualität der Kompositionen ist eben auch nicht immer auf dem Ohrwurm-Niveau von Don't cry for me, Argentina. ... die hessische Soubrette (Claudia Rohrbach) schafft Männer 'ran (wie das geht, lernt man bei Jekyll & Hyde) ...
Zu Anfang wirkt die kammermusikalische Orchesterfassung für Gitarre, Schlagzeug und Bass (routiniert, aber ohne eigene Akzente gespielt von der Blind Date Band) noch wie eine willkommene ironische Brechung, aber mit fortschreitendem Verlauf wünscht man sich schon etwas mehr schmalzigen Lloyd-Webber-Sound. Das gilt entsprechend für die Sänger; im Stück wird das auch thematisiert: Hier singen Opernsänger, die naturgemäß anders klingen als Musical-Protagonisten. Das Ensemble müht sich redlich, dieses aufzufangen; trotzdem braucht man für diese Art von Musik, gerade wenn sie als Wunschkonzert dargeboten wird, andere Stimmen und Mikrophone. So klingt manches nach schlechter Oper statt nach gutem Musical. Es gibt eine Stelle, wo dieses Problem gelungen in das Stück eingebaut wird: Wenn Claudia Rohrbach (die den stärksten Eindruck hinterlässt) sich während ihrer Nummer allmählich von der verunsicherten Hochschulabsolventin (Soubrette!) aus dem Hessischen in die mondäne Evita verwandelt und dieses sicht- und hörbar macht. ... und der? Na klar, Francosolli (Hauke Möller) ist Jesus Christ Superstar. Wundert es Sie, dass der Regisseur dabei die Nerven verliert?
Die besseren Passagen machen durchaus Lust auf mehr Musical. Mit wenig Requisiten, aber einer effektvollen Lichtregie braucht sich die Produktion nicht vor den hochgerüsteten High-Tech-Musical-Halls zu verstecken nicht die Maßlosigkeit der Mittel, sondern die kluge Anwendung sorgt für die starke Wirkung. Solisten, Chor und Statisterie stürzen sich lustvoll in das grenzüberschreitende Metier (allein die Textverständlichkeit könnte besser sein), und auch die Choreographie kann sich sehen lassen. Die überzeichneten Kostüme karikieren die Sehgewohnheiten im kommerziellen Musical-(Un-)Wesen und sind universell verwendbar: Hauptsache schön bunt und etwas schrill. Leider bleibt von Götz eine gelungene Schlusspointe schuldig. Die gebeutelten Sänger erheben sich über den Tyrannen und schicken ihn in die Wüste, eine halbe Stunde später als vom Programmblatt vorhergesagt und damit eindeutig zu spät. Schräg wollte das Stück sein, plätschert aber zunehmend friedlich vor sich hin. Der inzwischen entnervte Regisseur ist erschöpft nach so viel Musical. Der Rezensent auch.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Slimlights
Choreographische Mitarbeit
Gitarre, Ukulele
Schlagzeug
Kontrabass
Francosolli
Der Russe
Frau Montana-Cavallo
Frau Gurgulova
Die hessische Soubrette
Der Franzose
Die Bayerin
Die Japanerin
Die Amerikanerin
Der Türke
Der Sachse
Die Regiehospitantin
Der Regisseur
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- Fine -