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Musiktheater
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Don Quichotte

Heroische Komödie in fünf Akten von Henri Cain
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln
am 5. Dezember 2003
(Kölner Erstaufführung)

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Traumhaftes Spätwerk

Von Thomas Tillmann / Fotos von Klaus Lefebvre

Ein Schwerpunkt der Kölner Oper ist in dieser Spielzeit das französische Repertoire des 20. Jahrhunderts: Neben den im Februar 2004 folgenden Dialogues des Carmelites ist sicherlich die in Kooperation mit dem KlangBogen Wien entstandene und dort im Juli des vergangenen Jahres zuerst gezeigte Produktion des mindestens in Deutschland selten gespielten und auch auf Tonträgern nicht überrepräsentierten Don Quichotte für Fans des Genres ein besonderer Leckerbissen (selbst der ansonsten rührige Opernshop im unteren Foyer konnte nur den bedenklichen Live-Mitschnitt in italienischer Sprache mit Boris Christoff und Teresa Berganza anbieten, nicht aber die Aufnahme mit Nicolai Ghiaurov, Gabriel Bacquier und der bereits sehr matronalen Régine Crespin oder die wohl interessanteste Einspielung mit José van Dam, Alain Fondary und wieder Teresa Berganza unter Michel Plasson aus Toulouse). Massenet und sein Librettist Cain hatten für ihre 1910 in Monte Carlo uraufgeführte, dem legendären Fjodor Schaljapin auf den Leib geschriebene fünfaktige Heroische Komödie nicht nur den berühmten Roman von Miguel de Cervantes als Quelle herangezogen, sondern vor allem das in Paris seit seiner Premiere im April 1904 sehr erfolgreiche Schauspiel Le Chevalier de la Longue Figure von Jacques Le Lorrain.

Torsten Fischer konnte sich nicht entschließen, das interessante Spätwerk des Komponisten in historisierendem Ambiente zu präsentieren, sondern hat nach einem Ort in unserer Zeit gesucht, an dem Träume gelebt werden können: Don Quichotte ist ein melancholischer weißer Clown (kein schlechter Einfall, um die Ambivalenz der Figur und ihren zum Scheitern verurteilten Idealismus im Kampf für das Gute zu illustrieren), der mit einem gleichermaßen als Lanze wie als Stütze dienenden begrünten Ast, einer Violine und einem großen Luftballon auftritt, in dem sich seine Almosen fürs Volk befinden. Die Handlung ist in einer Art Zirkusarena angesiedelt, einem weißen Halbrund, an dem sich eine in den Bühnenhimmel führende Treppe befindet, die vielfältige Möglichkeiten für Auftritte und Abgänge bietet - ein grundsätzlich ausgesprochen kühles, nüchternes Bühnenbild von Herbert Schäfer, in dem Hans Toelstede aber dank einer ausgeklügelten, wunderbaren Lichtregie ganz unterschiedliche Stimmungen von großer Poesie und Schatteneffekte von erheblicher suggestiver Kraft zu erzeugen weiß, die durch die mitunter wie in Zeitlupe ausgeführten Bewegungen noch eindrucksvoll unterstrichen werden.


Vergrößerung in neuem Fenster "Hoppe, hoppe, Reiter" - der Chor der Oper Köln zu Beginn des Abends im beeindruckenden Bühnenbild von Herbert Schäfer.

Der ehemalige Direktor des Kölner Schauspiels lässt den Romandichter Cervantes selbst auftreten, gespielt von dem bewegungsintensiven, charismatischen Schauspieler Joachim Berger, der zu Beginn vor einem schwarzen Vorhang die berühmten Eingangsworte aus Cervantes' Roman in pathetischem Französisch rezitiert und immer wieder zu dem Buch zurückkehrt, der bald als Zirkusdirektor beschäftigt ist, der die Choristen anfeuert, die in an Reiferöcke erinnernden Pferderoben zu Beginn des ersten Aktes beschwingt über die Bühne trippeln (inmitten dieser Kostüme, die sich wie auch die übrigen schicken Roben Ute Lindenberg ausgedacht hat, wird der abgeschminkte Don Quichotte am Ende sein Leben aushauchen), bald die Solisten wie den Chor mit Textblättern versorgt, dem Titelhelden einen Spiegel vorhält, als lauter Räuberhauptmann agiert oder zu Dulcinées melancholischem Lied über die Vergänglichkeit der Liebe mit ihren Pumps den Rhythmus schlägt.

So einleuchtend es über weite Strecken ist, die Geschichte mit ihren dramaturgischen Schwächen als work in progress zu inszenieren, an dem auch die handelnden Personen aktiv mitschreiben - in manchen Szenen lenken die Verfremdungseffekte einfach zu stark von der Haupthandlung ab und verhindern, dass man sich als Zuschauer wirklich auf das eigentliche Geschehen einlassen und sich von ihm berühren lassen kann, etwa wenn der Dichter während des entscheidenden Duetts zwischen dem Ritter und seiner Angebeteten, an dessen Ende er ihr beschützend sein Jackett um die Schultern legt, die Bühne über die Treppe verlässt, nicht ohne einzelne Buchseiten an das danach gierende Volk zu verteilen. Im Schlussbild trägt nun er das Clownkostüm und Don Quichottes Ast, sein Roman wird die Mission des wunderbar verrückten Ritters weitertragen - es darf auch in Zukunft geträumt werden. Dass Fischer Personen und auch einen Chor führen kann, beweisen die optisch eindrucksvollen Dulcinée-Szenen des vierten Aktes, in denen die Vielbegehrte vom gesamten Bühnenpersonal geradezu verfolgt und begrabscht wird.


Vergrößerung in neuem Fenster Matthias Hölle ist Don Quichotte,
der "chevalier de la longue figure".

Schade nur, dass man für das Protagonistentrio nicht kompetentere Künstler engagiert hat! Matthias Hölle, der seine bedeutende Bühnenkarriere 1976 in Köln begann und hier bis 1987 Ensemblemitglied war, aber auch schon früh bei den Festspielen von Bayreuth (unter anderem als Hunding, Fasolt, Marke, Titurel und Gurnemanz) und Salzburg sowie an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt (Mailänder Scala, Covent Garden in London, New Yorker Met) gastierte, konnte zwar darstellerisch und mit einigen verinnerlichten Tönen überzeugen, aber die Stimme an sich weist nur noch wenig Farbe, dafür aber manche Gebrauchsspur auf, besonders in der sehr gefährdeten, ausgebleicht-stumpfen Höhe, bei der viel heiße Luft im Spiel war, und ein bisschen mehr Bemühen um den französischen Text hätte ihm ebenso wenig geschadet wie Oskar Hillebrandt, der in Köln zuletzt als Alberich in der Neuproduktion der Götterdämmerung zu erleben war und sich als präsenter, dabei aber nie outrierender Komödiant erwies, dessen schütter-wobbeliger Heldenbariton freilich auch bessere Tage hatte.


Vergrößerung in neuem Fenster Das Objekt der Begierde - Dalia Schaechter als Dulcinée - und entspannt im Guckloch der Dichter Cervantes selbst, verkörpert von Joachim Berger.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Aus dem 4. Akt:
Dalia Schaechter (Dulcinée)
und der Chor der der Oper Köln
(MP3-Datei)


Dalia Schaechter hat ihre Fans, die über die immer problematischer werdende, nur durch Stemmen erreichte, hinsichtlich der Intonation unzuverlässige, ungebührlich flackernde Höhe, die Registerbrüche und die vulgäre Sprechgesang-Tiefe hinweghören mögen - ich tat es nicht, denn auf dem Spielplan stand kein Chansonabend oder das berühmte Musical The Man of La Mancha (oder L'homme de La Mancha, wie die von Jacques Brel erstellte französische Fassung heißt, die zum zwanzigsten Todestag des großen Belgiers in Liège mit José van Dam als Don Quichotte wiederaufgenommen wurde), und für ihre Tanzschritte zu Beginn des vierten Aktes, die die Grenze zur Karikatur mehr als streiften, hätte man ihr wirklich einen Choreografen zur Seite stellen müssen! Von Dulcinées Freiern verdient am ehesten noch Miljenko Turk Erwähnung, ebenso wie der vor allem szenisch erheblich geforderte Chor, der nach wie vor mit Albert Limbach arbeitet.


Vergrößerung in neuem Fenster Das bewegende Schlussbild: Don Quichotte (Matthias Hölle, mit entblößtem Oberkörper) stirbt in den Armen des treuen Sancho (Oskar Hillebrandt), während Cervantes (Joachim Berger) neben der vom Sterbenden beschworenen Dulcinée (Dalia Schaechter) seine "Lanze" verwaltet.

Einen glänzenden Eindruck hinterließ das ungemein sensible, duftig-transparente, wundervoll schwebende und farbige Spiel des Gürzenich-Orchesters unter der kompetenten Leitung von Johannes Stert (besonders in Erinnerung bleiben mir der verklärte Schluss des ersten Aktes und die hinreißend musizierten Entractes). Der Erste Kapellmeister der Kölner Oper wusste aber auch in den dramatischen Momenten "zuzupacken", ohne dabei die Belange der Bühne aus den Augen zu verlieren, das musikalische Lokalkolorit mitreißend umzusetzen und die sakralen Klänge der dem späten 19. Jahrhundert verpflichteten Partitur unsentimental zum Klingen zu bringen.


FAZIT

Ein kurzer, kurzweiliger Abend der leisen Töne für Massenet-Fans und Neugierige, der vom Premierenpublikum mit herzlichem Beifall quittiert wurde und der noch mehr gewinnen würde, wenn man geeignetere Sänger finden würde.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Stert

Inszenierung
Torsten Fischer

Bühne
Herbert Schäfer

Kostüme
Ute Lindenberg

Licht
Hans Toelstede

Chor
Albert Limbach

Dramaturgie
Steffi Turre


Statisterie
der Oper Köln

Chor
der Oper Köln

Gürzenich-Orchester
Köln


Solisten



Cervantes /
Räuberhauptmann
Joachim Berger

Don Quichotte
Matthias Hölle

Sancho Panza
Oskar Hillebrandt

Dulcinée
Dalia Schaechter

Pedro
Samantha Rubenhold

Garcias
Regina Richter

Rodrigues
Jae-Hoon Ryu

Juan
Miljenko Turk


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





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