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Musiktheater
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The Fantasticks

Musical
Text von Tom Jones nach  Les Romanesques  von Edmond Rostand
Musik von Harvey Schmidt

Eine Produktion von stageart  in der Kulturschiene Münster
rezensierte Aufführung: 24.8.03

Logo: Kulturschiene Muenster

Kulturschiene
(Homepage)

Ewige Romantiker

Von Heinrich Herz

»Es ist ein merkwürdiges Paradox, das niemand erklären kann: Wer kennt schon das Geheimnis, warum der Weizen wächst? Wer begreift, warum der Frühling erst aus dem Ungemach des Winters entsteht oder warum wir erst ein bisschen sterben müssen, bevor wir erneut wachsen?« Mit dieser – hier wörtlich aus dem englischen Original übersetzten – Sentenz menschlicher Reifung nur unter Entbehrung beschließt El Gallo (Adrian Kroneberger), ein Conferencier gewordener Deus ex machina, das von ihm inszenierte und gelenkte Spiel. Dieser geheimnisvolle Fremde, den keiner kennt, der umgekehrt aber alle – ihres typenhaften Menschseins wegen – zu kennen scheint, bereitet dem jugendlichen Liebespaar Luisa (Katharina Luckhaupt) und Matt (Alexander Becker) den beschwerlichen Weg von spontaner gegenseitiger Begeisterung zunächst über die Nivellierung durch den Alltag, dann über leidvolle Enttäuschung hin zu tieferer aber weniger verklärter Zuneigung. Auch die Väter, Hucklebee (Peter J. Oechsner) und Bellomy (Joeri Burger), sind auf ihre Weise ein Paar, das sich im Kartenspiel vereint weiß, in der Pflege des häuslichen Gartens aber unversöhnlich getrennt scheint und – den Kindern ähnlich – von (selbst)auferlegter Trennung zur Nähe strebt, um sich dann aber den Fliehkräften eben jener unterschiedlichen Kleingärtnerphilosophie ausgesetzt zu sehen.

Was Tom Jones der Komödie Les Romanesques von Edmond Rostand knappe 70 Jahre später abgewinnen konnte, markierte – von Harvey Schmidt zum Musical The Fantasticks vertont – 1960 zunächst nicht den Anfang einer Erfolgsgeschichte von wider Erwarten beispiellosen mehr als 17.000 Vorstellungen am Sullivan Street Playhouse in New York's Greenwich Village. Dass dieses scheinbar ewige Stück zum Jahrtausendende doch abgesetzt wurde, mag sich auch der Patina eines wohligen Fänger-im-Roggen-Antiidylls verdanken, das schlussendlich eben doch idyllisch und recht menschelnd wirkt.
   Dennoch – die Konstruktion dieses Gegenentwurfs zu Romeo und Julia trägt: zwei Väter, die ihre Kinder durch eine vorgetäuschte Feindschaft verbandeln wollen, zwei Liebende, die gleichermaßen begeistert wie verschämt zueinander finden, sich aber zu Zwecken leidenschaftlicher Desillusionierung an der Welt und aus Rache über die Täuschung vorübergehend trennen und zwei »Schauspieler« (Thomas Holznienkemper und Gian-Philip Andreas), die mit Slapstick erheitern, nebenbei aber dem Jungen das sind, was El Gallo dem Mädchen wird – die Dosis des Bösen berechnende Lehrmeister, die durch die Nacht zum Licht führen: per aspera ad astra – nur dass sich die Gewandelten diese Sternenreise so nicht vorgestellt hatten.

Man kennt's und folgt gerne, verdrückt wohl auch eine Träne, zumal bei Hits wie »Try to remember« (Denk' im Dezember an die Zeit von September) oder »Metaphor« (Liebe bist Du, eine bess're Metapher für die Liebe gibt es nicht). Was hier zwischen herzwärmender Romanze und rockigem, leicht morgenländisch angehauchtem »Raubballett« changiert, ist ein musikalischer Mix, der schon den polystilistischen Morgenstreif von Starlight Express am Horizont entzündet. Eine Prise instrumentales Kuriositätenkabinett – eine Begleitung nur durch die Kombination Klavier und Harfe – würzt das Ganze neben einer konstitutiv spartanischen Bühnendekoration zu einem musikalisch ewig knackigen, weil ungebrochen eigenwillig erscheinenden Musical-Salat, – eben nur mit Essig und Öl genetzt (Sahnedressing wäre ja schon »à la Lloyd Webber«).

Während die Darsteller mit Ausnahme des bühnenerfahrenen Adrian Kroneberger diesem Grün durch schauspielerisches Outrieren und unausgeprägte, einem ersprießlichen Ensemblegesang abholde Stimmen etwas an Frische nahmen, ging der Reiz des Abends von der Regie aus. Was Wolfgang Kramer seinem Ensemble abrang, steigerte den angelegten Minimalismus des Stücks zur Verdichtung. Dass dabei gleich die Rolle des »Stummen« eingespart wurde, die trennende Mauer nur mehr aus zwei Holzkästchen bestand, konnte man dann auch gut verschmerzen. Indem Kramer den Darstellern ihre (manchmal eben arg gut gemeinte) Spielfreude ließ, aber die Raumkonstellationen und den Umgang mit den wenigen Requisiten sehr genau plante, entstand ein fesselndes Spiel. Dabei trat das innere Beteiligtsein des scheinbar so emotionslosen El Gallo hervor. Was Kramer und Kroneberger dieser Figur zusprachen, ist die Fähigkeit mitzuleiden – selbst dann, wenn der szenisch als Marionettenlenker Charakterisierte das Leid wissentlich hervorruft. Bekennt dieser zum Schluss, er habe sich bei seinem Spiel auch "selbst verbrannt", so wirkt er in Kramers Inszenierung nicht spöttisch, sondern durchaus berührend wahrhaftig.
   Oliver Haug (Klavier) und Silke Dittmann-Adorf (Harfe) versahen die instrumentale Unterstützung ihrer Kollegen mit spürbarer Freude und brachten das komprimierte, dabei dank der Harfe doch farbenreiche Minimal-Arrangement zum Sprechen.


FAZIT

Es ist zu hoffen, dass diese reizvolle, ebenso spontan wie geplant sich entfaltende Produktion fortbestehen, vielleicht auch auf Tournee gehen wird. Die Kulturschiene im Münsteraner Bahnhof hat sich einmal mehr als ideales Forum bewährt. Es dürfte der Produktionsfirma stageart nicht schwer fallen, weitere passende Spielorte zu finden, denn für dieses Stück braucht es nicht viel – außer erneut ein paar Sponsoren, die sich auch bereits diesmal als hilfreich erwiesen haben.

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Oliver Haug

Inszenierung / Choreographie
Wolfgang Kramer

Bühnenbild / Kostüme
Ursina Zürcher

Maske
Judith Schäfer

Licht
Heike Seler,
Michael Kohaus

Abendspielleitung /
Regieassistenz
Risna Olthuis

Klavier
Oliver Haug

Harfe
Silke Dittmann
-Adorf



Solisten

El Gallo
Adrian Kroneberger

Luisa
Katharina Luckhaupt

Matt
Alexander Becker

Bellomy
Joeri Burger

Hucklebee
Peter J. Oechsner

Henry
Thomas Holznienkemper

Mortimer
Gian-Philip Andreas


Weitere Informationen
erhalten Sie unter
www.the-fantasticks.de

(Homepage)



Da capo al Fine

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