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Kostümgewusel
Von Sebastian Hanusa / Foto von Klaus Baqué Leos Janacek gehört zu den zu Unrecht selten gespielten Komponisten zumindest an deutschen Bühnen. Kaum ein anderer hat eine vergleichbar farbenreiche, ausdrucksstarke und eigenständige Musiksprache an der Schwelle der Moderne, an den Grenzen der Tonalität gefunden. Dennoch fristen großartige Musikdramen wie Katja Kabanova oder Jenufa hierzulande immer noch ein Schattendasein an den Opernhäusern, während selbst Das Schlaue Füchslein - durch Walter Felsensteins Produktion von 1956 an der Komischen Oper populär geworden - mittlerweile wieder im Randrepertoire angekommen scheint. Erst in den letzten Jahren hat sich augenscheinlich das Interesse wieder belebt, hervorzuheben ist insbesondere die Deutsche Oper am Rhein (vgl. unsere Kritik des Schlauen Füchslein in Düsseldorf) mit ihrem ambitionierten Janacek-Zyklus. Munteres Gewusel auf der Waldlichtung.
Umso größer die Freude, dass sich das saarländische Staatstheater an Janaceks "tschechischen Sommernachtstraum" macht, an jenes merkwürdige Märchen über das Lebensrad der Natur mit seinem steten Wechsel von Eros und Tod. Ein Stück, dass die Grenzen zwischen Menschen- und Tierwelt durchbricht, sie ineinander spiegelt und im Zwischenraum der beiden Sphären in einem rätselhaften Schwebezustand zwischen Naturalismus und Phanstastik angesiedelt ist. Auch im Hühnerstall ist was los.
Leider hatte man sich in Saarbrücken gegen die tschechische Originalsprache entschieden nicht zum Wohle des Stückes: Kaum ein anderer Komponist bezieht sein musikalisches Material derart direkt auf die Prosodie des zu vertonenden Textes wie Janacek, die er in sogenannten "Sprechmotiven" notiert hat, um diese dann als kompositorisches Ausgangsmaterial zu verwenden. Die enge Verbindung von Musik und Sprache fällt in der deutschen Übersetzung umso stärker auf. Der sonoristische Unterschied zwischen den beiden Sprachen ist letztlich nicht zu überbrücken und mit dem eigentümlichen Klang des Tschechischen verliert eine deutschsprachige Produktion auch musikalisch erheblich an Substanz. Die Entscheidung für die deutsche Version ist umso erstaunlicher, da die Aufführung ohnehin übertitelt war und die noch anstehende "Pique Dame" Tschaikowskys Premiere Mitte April in Originalsprache gespielt wird. Ziemlich frostig: Wo Fuchs und Förster sich gute Nacht sagen.
Die große Enttäuschung des Abends war jedoch die Musik. Die Mitglieder des Staatsorchesters waren nicht in der Lage, auch nur den nackten Notentext zu reproduzieren geschweige denn, diesen in Musik zu verwandeln. Kaum ein Takt war ohne Fehler oder rhythmische Ungenauigkeit, selbst in einfachen Unisono-Passagen klapperte es. Seitens des Publikums fällt es schwer, einen Verantwortlichen auszumachen. Das Staatsorchester tut sich seit längerem mit der klassischen Moderne schwer, indes Michele Carulli dem auch nicht entgegenzusteuern wußte. Fakt ist einzig eine musikalisch gründlichst verhunzte Aufführung. Unter diesen Umständen scheint es schwierig, den Rest der Produktion zu beurteilen. Ein großes Lob gilt der phantasievollen Kostümbildnerin Angela Schuett und ihrer einfalls- wie detailreichen Gestaltung insbesondere der Tierwelt. Die konzeptionelle Einbettung der Kostüme ist jedoch kritisch zu betrachten. Mit den opulenten Kostümen der Tierwelt kontrastierte die Einkleidung der Menschen in gedeckten Grautönen, die sich im Bühnenbild fortsetzte: Die Welt der Tiere wurde szenisch im wesentlichen durch die Kostüme konstituiert, für die Menschen hatte Karel Spanhak ein naturalistisches Szenario mit Hochstand, Biertischen und einem Schanktresen aus Holz gebaut. Alles war integriert in ein drehbares Einheitsbühnenbild sich drehend wie der endlose Lebenszyklus der Natur. Schäferstündchen unter Füchsen.
Schön gedacht, hatte diese Konzeption nicht die gewünschte Wirkung. Es gelang nicht, einen irgend gearteten szenischen Raum zu schaffen, in dem es zu jenem für das Stück zentralen Bezug zwischen Menschen- und Tierwelt hätte kommen können: Das Publikum sah letztlich nur ein großes Gewusel mit schönen Kostümen. Reto Nicklers Inszenierung blieb reichlich blass. Zwar hatte er den Menschen eine zumindest solide Personenführung gegönnt, die Darsteller der Tierrollen mussten jedoch ihre Bewegungen an denen der dargestellten Tiere orientieren. Für den Preis einiger netter Szenen, wie einem ängstlichen Dackel und aufgeregten Hühnern wurde die Darstellung der Tierwelt auf eine nackte Fabel vereinfacht es erinnerte ein wenig an ein harmloses Kindertheater. Dies nahm der Darstellung der Tierwelt jedoch ihre ganze Tiefe, die aus der Dialektik von Naturalismus und Antropozentrismus entspringt und die den eigentlichen Reiz des Stückes ausmacht. Seitens des Ensembles war es insbesondere Stefan Röttig als Förster, der mit einer stimmlich wie darstellerisch sorgfältigen Interpretation versuchte, seiner Rolle Profil und Charakter zu geben. Elizabeth Wiles spielte wacker Fuchs, sang ordentlich, nur leider so leise, dass man auch bei durchsichtiger Orchesterbegleitung wenig von ihr hörte. Vom Rest des Ensembles waren es insbesondere Algirdas Drevinskas als Lehrer/Mücke und Hiroshi Matsui als Pfarrer/Dachs, denen es gelang, trotz unglücklicher Inszenierung und musikalischem Desaster, zumindest szenisch kleinere Akzente zu setzen.
Als Janacek-Verehrer freut man sich über jede Produktion an deutschen Bühnen. Aber auch dem genügsamsten ist Reto Nicklers "Füchslein" nicht zu empfehlen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographische Mitarbeit
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten AufführungFörster Otto Daubner / Stefan Röttig*
Frau Försterin
Schulmeister / Mücke /
Pfarrer / Dachs
Háraschta
Füchslein Schlaukopf
Gastwirtin / Hahn
Fuchs
Das junge Füchslein Schlaukopf
Franzl
Sepp
Dackel
Schopfhenne /
Grille
Heuschreck
Frosch
Specht
Schopfhenne
Eule
Libelle
Terynka
Spinnen, Fliegen,
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