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SubsTanz 03:

project object meets Berlin



Choreographien und Installationen von Marguerite Donlon und
Mitgliedern des Ballett-Ensembles

Uraufführung im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken (Alte Feuerwache) am 24. Oktober 2003


Homepage des Staatstheaters Saarbrücken
(Homepage)

Anarchie und Schönheit

Von Sebastian Hanusa / Fotos von Bettina Stöß


Auch in ihrer dritter Spielzeit an der Spitze der Saarbrücker Compagnie führt Marguerite Donlon die erfolgreiche Reihe Substanz weiter: Mit Installationen und kurzen Choreographien wird Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles die Möglichkeit gegeben, nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne künstlerisch aktiv zu werden und eigene Ideen umzusetzen. Waren die einzelnen Abende in den beiden letzten Jahren atmosphärisch dichte bis anarchisch bunte Collagen aus höchst unterschiedlichen Beiträgen, so präsentierte sich der diesjährige Abend in wesentlich konzentrierterer Form: Unter dem Titel Projekt Objekt fasst der erste Teil der Produktion acht Choreographien einzelner Ensemble-Mitglieder zusammen, die unter der Vorgabe entstanden waren, sich mehr oder minder auf ein bespielbares Bühnenobjekt zu beziehen. Entworfen von Natalie Wassilikos, war dies ein circa fünf Meter breiter, jeweils zwei Meter hoher wie tiefer Kasten mit zwei Leitern an den Seiten. Ein Inneres aus Plexiglas hat eine Reihe von Öffnungen, so daß das Objekt als Steckkasten für eine Reihe biomorpher Gegenstände dient, zugleich von außen wie von innen bespielt werden kann.

Der Bezug von Choreographie und Bühnen-Objekt reichte von der schlangenartige Artistik Toby Kassells im Innenraum des Objekts - in seiner Arbeit project objekt III - über einen spielerischen Umgang mit den biomorphen Steckmodulen in Ilka van Häfens Comme il Faut, bei denen eine eigenständige tänzerische Ebene dominierte: So unter anderem Stéphan Delattre in seinem gefühlsbetonten Duett mit Micol Mantini (...de l'imperfection annoncée) oder bei Youn Hui Jeon in dot second, wo es eher um den Kontrast zwischen dem zartgliedrigen Tanz der Choreographin und ihrem Widerpart, den „Maschinenmenschen" von Ingo Meichsner, Matthias Markstein und Raphael Saada ging.



Vergrößerung Körper, Licht und "Objekt"im Einklang.

Insgesamt war auffällig, dass in eigentlich allen Arbeiten weniger eine strukturelle oder formale Idee, als vielmehr ein inhaltlicher Gedanke den eigentlichen Ausgangspunkt zu bilden schien. Das Spektrum der Themen reichte von Liebe, Hass und Tod über die wissenschaftliche Revolution bis hin zur Lächerlichkeit gesellschaftlicher Konventionen. Die tänzerische Umsetzung war von einem insgesamt sehr hohen Niveau geprägt - das Niveau der Konzeption und choreographischen Umsetzung war hingegen sehr unterschiedlich. Stéphan Delattres metaphysisch überhöhter Pas de Deux bestach ebenso durch eine poetische Dichte wie das Duett von Micol Mantini und Sarah Reynolds in 2 be 1von Meritxell Aumedes Molineros. The structure of scientific revolutions von Ignacio Martinez gewann insbesondere durch die Musik Claas Willekes - einer minimalistischen Textur aus aggressiven Störgeräuschen -, die durch eine temporeiche Chroreographie unterstützt wurde. Dagegen war schon die Musikauswahl bei Ingo Meichsners Wo der schwarze Vogel der Nacht... symptomatisch für eine gewisse Nähe zum Kitsch. John Dowlands Flow my tears, verfremdet und in Kombination mit einer etwas unbeholfenen Sprachkollage, war gefährlich nahe an der Tränendrüse angesiedelt - und ebenso der leicht schwülstige Tanz dreier schwarzgewandeter Klageweiber.

Erfrischend nach einer Reihe meistenteils getragener Stücke war am Ende des ersten Teiles von Substanz 03 Ilka van Häfens Comme il faut. Mit originellen Einfällen wurden die gesellschaftlichen Konventionen aufs Korn genommen. Eine leidlich absurde Klangcollage aus Johann Strauss, Friedrich Gulda und Kranky begleitete ein munteres Treiben, dessen tänzerischer Höhepunkt das Binden eines Krawatten-Knotens darstellte: Während Meritxell Aumedes Molinero eine entsprechende Anleitung verlas, verwandelten sich Matthias Markstein und Ingo Meichsner in breites und schmales Ende der Krawatte und führten körperverknotend das Binden des Binders vor.



Vergrößerung Körperverknotungs-Krawatte nach Anleitung

Im zweiten Teil des Abends gab es schließlich die Uraufführung von Constanza Macras Happiness! Die in Berlin lebende Argentinierin Macras kommt - ähnlich wie Marguerite Donlon selber - aus der freien Tanzszene und hat bereits an renommierten Häusern wie der Volksbühne Berlin, der Berliner Schaubühne und dem Grand Theater Groningen als Gastchoreographin gearbeitet. Happiness! ist eine anarchisch-tumultöse Hochzeitfeierlichkeit, der man die Improvisation während der Enstehung genauso ansieht, wie den Spaß der Akteure. Eine flippige Braut geistert umher, Meritxell Aumedes Molinero versucht verzweifelt Ordnung in das allgemeine Chaos zu bringen, hier und da wird wild getanzt und Toby Kassell vollführt in Bärenfell und Superman-Hemd spektakuläre Luftsprünge. Neben tänzerischem Können glänzen etliche Ensemble-Mitglieder auch mit musikalischem Talent: Toby Kassell an der Gitarre, Matthias Markstein oder Olwen Grindley vor dem Mikro machen sich an Skunk Anasie und die Pixies, während Britney Spears ebenso in der schrägen Musikauswahl vertreten ist, wie Johann Sebastian Bach.



Vergrößerung "Happiness!"

Ergänzt wurde der Abend durch drei kleine Installationen im Foyer: Marguerite Donlons Tanzen in der Küche, Sarah Reynolds Video-Arbeit Up Caught Down und das Berliner Zimmer, ebenfalls von Marguerite Donlon: Der klassische Durchgangsraum großer Altbauwohnungen, mit dem man eigentlich selten etwas anfangen kann, ist eine auf die Seite gelegte Kiste, die nur nach oben hin offen ist. Das Publikum erhält über einen schräg über der Kiste angebrachten Einblick und sieht die verblüffende Akkrobatik Toby Kassells. In der Seitenlage des Zimmers scheinen auch die Schwerkräfte von der Vertikalen in die Horizontale gekippt, in der Fiktion scheint der Tänzer beständig nicht von oben nach unten, sondern von rechts nach links gezogen. Eine brillante Idee in einer virtuosen Umsetzung.


FAZIT

Ein geistreich-unterhaltsamer Abend, in dem der Sinn fürs Schöne und der für den anarchischen Humor gleichermaßen angesprochen werden.


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Produktionsteam

Künstlerische Gesamtleitung
Marguerite Donlon

Mitarbeit
Ingo Meichsner

Bühnenbild
Natalie Wassilikos

Ballettensemble des
Saarländischen Staatstheaters
Saarbrücken


project object:

dot second
(Youn Hui Jeon)

two reasons
(Hitomi Kuhara)

project object III
(Toby Kassell)

Wo der schwarze Vogel der Nacht ...
(Ingo Meichsner)

... de l'imperfection annoncée
(Stéphen Delattre)

The structure of scientific revolutions
(Ignacio Martínez)

2 be 1
(Meritxell Aumedes Molinero)

Comme il faut
(Ilka von Häfen)


Happiness!

Choreographie von
Constanza Macras


Installationen:

Berliner Zimmer
(Marguerite Donlon)

Up caught down!
(Sarah Reynolds)

Tanzen in der Küche
(Marguerite Donlon)


Weitere Informationen
Staatstheater Saarbrücken (Homepage)



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