Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Zettels Sommernachts Traum

Ein Ballett von Marguerite Donlon
Musik von Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emmanuel Bach,
Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann, Heinrich Ignaz Franz Biber,
Mathew Locke, Henry Purcell, Pietro Antonio Locatelli und
Sam Auinger & Claas Willeke

Aufführungsdauer: ca. 1 h 35 min (keine Pause)

Premiere im Saarländischen Staatstheater
am 6. Februar 2004


Logo:  Theater Saarbrücken

Saarländisches Staatstheater
(Homepage)
Liebeswirrwarr im Waschmaschinenwald


Von Sebastian Hanusa / Foto von Bettina Stöß


Auch in dieser Spielzeit hat sich Marguerite Donlon für ihr abendfüllendes Handlungsballett einen der Muttertexte der abendländischen Literatur ausgesucht. Nach ihrem psychoanalytischen Blick auf "Carmen privat" im vergangenen Jahr folgte nun "Zettels Sommernachts Traum": Shakespeares ewig junges Meisterwerk, erzählt aus der Perspektive des schauspielernden Handwerkers.

Der ist die einzige Sprechrolle der Produktion, besetzt mit Saarbrückens Charakter-Star Martin Leutgeb. Derb-skurril gibt er den Narren, dessen Suche nach der Kunst witzig und wahrhaftig zugleich ist. Sein Gefolge bilden vier Tänzer, deren anarchische Überdrehtheit offen lässt, ob sie eine Karikatur ihrer selbst oder eine Parodie ihres Anführers sind – witzig sind sie allemal. Das alles geschieht, solange die Welten geschieden sind. Die Sphäre der Handwerker, die des Athener Hofes, die der vier jungen Leute und ihrer kreuzweise verschränkten Verliebtheit und die des Feenreichs.

Vergrößerung in neuem Fenster

Verwicklungen der Liebe -

Nachdem der erste Teil des Abends vor einem halbtransparenten Vorhang gespielt wurde, hebt sich dieser, um den Blick auf den mittsommernächtlichen Wald freizugeben. Eine große Bühne, umgeben von nackten Wänden und einem illuminierten Gerüst, dekoriert mit Waschmaschinen verschiedenster Größe. Einer von ihnen kommt eine entscheidende dramaturgische Funktion zu. Sobald sie Zettel verschluckt hat, verwandelt sie den stämmigen Schauspieler Martin Leutgeb in den hyperagilen Tänzer Toby Kassell – einen anständigen Künstler in ein hormonstrotzendes Esels-Wesen, dass ohne Umschweife die verzauberte Titania vernascht. Zugleich sind auch die anderen Menschen vor ihren Problemen in den Wald geflohen, um sich dort in dem von Puck verschuldeten erotischen Verwirrspiel zu verlieren.

Vergrößerung in neuem Fenster

Nähe und Distanz.

Insgesamt folgt Donlon recht genau der shakespearschen Dramaturgie. Zu ihren stärksten Momenten findet ihre Choreographie jedoch dann, wenn sie Zustände und Konstellationen darstellt und reflektiert, wenn sie in einer Art tänzerischer Introspektion ein äußeres Geschehen kommentiert. Die zweite Stärke der Arbeit ist Donlons Humor, der zuweilen skurril, zuweilen befremdlich wirkt, aber immer überraschend anders und nie langweilig ist. Angefangen von herumtorkelnden Küken über das bunte Treiben der Elfen – in ihren rot-silbernen Kostümen sehen sie ein wenig aus wie Mischwesen aus Insekt und Huhn – bis hin zu den Show-Einlagen im Revue-Stil, wenn Zettel mit wildesten Sprüngen seine Verwandlung in einen Esel zelebriert.

Vergrößerung in neuem Fenster

Was geschieht im Elfenwald?

Großartig auch Donlons Gespür, die einzelnen Rollen mit bestimmten Tänzer-Typen zu besetzen. Überragend sind Ilka van Häfen und Matthias Markstein als Hippolyta und Theseus – eine getanzte Poesie, energiegeladen, athletisch und von kaum zu übertreffender Intensität. Constantin Georgescu als Oberon tanzt einen herrlich überdrehten Machismo, Young In Lee eine feingliedrige Titania. Olwen Grindley als Puck ist die heimliche und nicht immer willentliche Regisseurin des Liebesreigens, und die vier Liebenden aus der Menschenwelt setzen einen eindrucksvollen Kontrapunkt zum turbulenten Feenreich.

Vergrößerung in neuem Fenster

Ein doppelter Zettel.

Musikalisch gab es eine Mischung aus alt und neu, instrumental und elektronisch. Das Orchester des Staatstheaters spielte Musik barocker Meister, dazwischen gab es aus dem Lautsprecher Kompositionen von Sam Auinger und Claas Willeke, die bereits bei einer ganzen Reihe von Produktionen mit Donlon zusammengearbeitet haben. Auch dieses Mal hieß es wieder Klangkunst trifft Clubkultur, wenn auch im Vergleich zu vergangenen Arbeiten mit weniger Ecken und Kanten. Insgesamt bestach aber auch bei dieser Produktion die Musik der beiden durch außergewöhlich hohe klangliche Qualität, eine Differenziertheit und Meisterschaft der Klangbehandlung, die die Komponisten als absolute Meister ihres Fachs auszeichnet. Ebenso erfreulich war Constantin Trinks als musikalischer Leiter des Orchesters, der zusammen mit seinen Musikern eine agile und gestenreiche Interpretation der barocken Instrumentalmusik leistete. Leider machte sich bei den durchsichtigen Texturen jener Musik eine Inhomogenität der Streicher bemerkbar. In Fragen des Tempos, der Phrasierung und leider teilweise auch der Tonhöhe mangelte es zuweilen an Einklang.


FAZIT

Tanztheater auf höchstem Niveau, poetisch, anspruchsvoll und unterhaltsam zugleich.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Constantin Trinks

Choreographie
Marguerite Donlon

Bühne/Kostüme
Conor Murphy

Choreographische Mitarbeit
Ingo Meichsner

Lichtdesign
Lucy Carter

Dramaturgie
Matthias Kaiser



Das Saarländische Staatsorchester



Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung


Hippolyta
Ilka van Häfen* / Micol Mantini

Theseus
Matthias Markstein

Titania
Xoung In Lee* / Ilka van Häfen

Oberon
Constantin Georgescu* / Andrea Palombi

Indian Boy
Hitomi Kuhara

Titanias Feen
Hitomi Kuhara / Youn Hui Jeon /
Sarah Reynolds /
Catharina Sampaio Raymundo

Oberons Feen
Stephan Delattre / Elmer Domdom /
Toby Kassell / Matthias Markstein /
Andrea Palombi / Rubens Renier

Puck
Olwen Grindley* / Elmer Domdom

Zettel
Martin Leutgeb & Toby Kassell* /
Ansgar Schäfer & Andrea Palombi

Lysander
Raphael Saada* / Ruben Reniers

Helena
Meritxell Aumedes Molinero* /
Sarah Reynolds

Demetrius
Ignacio Martinez* / Toby Kassell

Hermia
Micol Mantini* / Hitomi Kuhara

Magic Bow (Solo-Violine)
Wolfgang Mertes

Handwerker / Künstler
Hitomi Kuhara / Andrea Palombi /
Ruben Reniers / Sarah Reynolds

Küken
Ruben Reniers

Cembalo
Lutz Gillmann / Martin Straubel*






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Saarländisches Staatstheater
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2004 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -