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Liebeswirrwarr im Waschmaschinenwald Von Sebastian Hanusa / Foto von Bettina Stöß Auch in dieser Spielzeit hat sich Marguerite Donlon für ihr abendfüllendes Handlungsballett einen der Muttertexte der abendländischen Literatur ausgesucht. Nach ihrem psychoanalytischen Blick auf "Carmen privat" im vergangenen Jahr folgte nun "Zettels Sommernachts Traum": Shakespeares ewig junges Meisterwerk, erzählt aus der Perspektive des schauspielernden Handwerkers. Der ist die einzige Sprechrolle der Produktion, besetzt mit Saarbrückens Charakter-Star Martin Leutgeb. Derb-skurril gibt er den Narren, dessen Suche nach der Kunst witzig und wahrhaftig zugleich ist. Sein Gefolge bilden vier Tänzer, deren anarchische Überdrehtheit offen lässt, ob sie eine Karikatur ihrer selbst oder eine Parodie ihres Anführers sind witzig sind sie allemal. Das alles geschieht, solange die Welten geschieden sind. Die Sphäre der Handwerker, die des Athener Hofes, die der vier jungen Leute und ihrer kreuzweise verschränkten Verliebtheit und die des Feenreichs. Verwicklungen der Liebe -
Nachdem der erste Teil des Abends vor einem halbtransparenten Vorhang gespielt wurde, hebt sich dieser, um den Blick auf den mittsommernächtlichen Wald freizugeben. Eine große Bühne, umgeben von nackten Wänden und einem illuminierten Gerüst, dekoriert mit Waschmaschinen verschiedenster Größe. Einer von ihnen kommt eine entscheidende dramaturgische Funktion zu. Sobald sie Zettel verschluckt hat, verwandelt sie den stämmigen Schauspieler Martin Leutgeb in den hyperagilen Tänzer Toby Kassell einen anständigen Künstler in ein hormonstrotzendes Esels-Wesen, dass ohne Umschweife die verzauberte Titania vernascht. Zugleich sind auch die anderen Menschen vor ihren Problemen in den Wald geflohen, um sich dort in dem von Puck verschuldeten erotischen Verwirrspiel zu verlieren. Nähe und Distanz.
Insgesamt folgt Donlon recht genau der shakespearschen Dramaturgie. Zu ihren stärksten Momenten findet ihre Choreographie jedoch dann, wenn sie Zustände und Konstellationen darstellt und reflektiert, wenn sie in einer Art tänzerischer Introspektion ein äußeres Geschehen kommentiert. Die zweite Stärke der Arbeit ist Donlons Humor, der zuweilen skurril, zuweilen befremdlich wirkt, aber immer überraschend anders und nie langweilig ist. Angefangen von herumtorkelnden Küken über das bunte Treiben der Elfen in ihren rot-silbernen Kostümen sehen sie ein wenig aus wie Mischwesen aus Insekt und Huhn bis hin zu den Show-Einlagen im Revue-Stil, wenn Zettel mit wildesten Sprüngen seine Verwandlung in einen Esel zelebriert. Was geschieht im Elfenwald?
Großartig auch Donlons Gespür, die einzelnen Rollen mit bestimmten Tänzer-Typen zu besetzen. Überragend sind Ilka van Häfen und Matthias Markstein als Hippolyta und Theseus eine getanzte Poesie, energiegeladen, athletisch und von kaum zu übertreffender Intensität. Constantin Georgescu als Oberon tanzt einen herrlich überdrehten Machismo, Young In Lee eine feingliedrige Titania. Olwen Grindley als Puck ist die heimliche und nicht immer willentliche Regisseurin des Liebesreigens, und die vier Liebenden aus der Menschenwelt setzen einen eindrucksvollen Kontrapunkt zum turbulenten Feenreich. Ein doppelter Zettel.
Musikalisch gab es eine Mischung aus alt und neu, instrumental und elektronisch. Das Orchester des Staatstheaters spielte Musik barocker Meister, dazwischen gab es aus dem Lautsprecher Kompositionen von Sam Auinger und Claas Willeke, die bereits bei einer ganzen Reihe von Produktionen mit Donlon zusammengearbeitet haben. Auch dieses Mal hieß es wieder Klangkunst trifft Clubkultur, wenn auch im Vergleich zu vergangenen Arbeiten mit weniger Ecken und Kanten. Insgesamt bestach aber auch bei dieser Produktion die Musik der beiden durch außergewöhlich hohe klangliche Qualität, eine Differenziertheit und Meisterschaft der Klangbehandlung, die die Komponisten als absolute Meister ihres Fachs auszeichnet. Ebenso erfreulich war Constantin Trinks als musikalischer Leiter des Orchesters, der zusammen mit seinen Musikern eine agile und gestenreiche Interpretation der barocken Instrumentalmusik leistete. Leider machte sich bei den durchsichtigen Texturen jener Musik eine Inhomogenität der Streicher bemerkbar. In Fragen des Tempos, der Phrasierung und leider teilweise auch der Tonhöhe mangelte es zuweilen an Einklang.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreographie
Bühne/Kostüme
Choreographische Mitarbeit
Lichtdesign
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten AufführungHippolyta Ilka van Häfen* / Micol Mantini
Theseus
Titania
Oberon
Indian Boy
Titanias Feen
Oberons Feen
Puck
Zettel
Lysander
Helena
Demetrius
Hermia
Magic Bow (Solo-Violine)
Handwerker / Künstler
Küken
Cembalo
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