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Die Meistersinger von Nürnberg
Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 6 h (zwei Pausen)

Premiere am 25. November 2003
Besuchte Aufführung am 27.06.2004 im Rahmen der Zürcher Festspiele


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Opernhaus Zürich
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Krawall in largo an der Limmat

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Suzanne Schwiertz

Nikolaus Lehnhoff verwendet die Meistersinger zu einer kleinen Zeitreise, in deren Verlauf die Mitwirkenden ihre Aktualität erst peu a peu ansteuern und die frühbürgerlichen Gestalten des 1.Aufzuges, denen er den schwerlich glaubhaften Firlefanz im Kirchenraum zur Messstunde erspart, indem er Stolzing lieber draußen warten lässt, und den frommen Chor unsichtbar versteckt, dürfen bis zur Festwiese moderne Freizeitkleidung anlegen, um so verwandelt nun Publikum einer Darstellung dessen zu sein, was sie vor kurzem selbst noch waren: einer Trachtengruppe beim neuzeitlichen Mittelalterfest.

Doch nicht nur so und hier scheint Lehnhoff darauf bedacht, jegliche Affirmation zu vermeiden, und so entscheidet er sich für verschiedene Referenzen.

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"Was euch zum Liede Richt' und Schnur,
vernehmt nun aus der Tabulatur."

Hat er Alt-Nürnberg eingangs hinter den Lettner verbannt, huldigt sein 2.Aufzug durch eindeutiges Zitat Wieland Wagner und seinen Bayreuther Inszenierungen von 1956 und 1963: der Kugelbaumflieder, die Lichtverhältnisse, die Schlägerei in Zeitlupe oder Beckmessers Abgang als Vogelscheuche.

Natürlich hat dazu auch die intelligente Aufstellung beigetragen. Lehnhoffs Verzicht auf plumpe Keilerei formte die große Fuge zur Straßenschlacht des 2.Aufzuges in eine Larghissimo-Pantomime; sämtliche Aktion beschränkte sich auf die wenigen beteiligten Hauptpersonen und wies dem Chor ein ultra langsames Abschreiten der extrabreiten Freitreppe zu, so dass die SängerInnen einerseits relativ dicht beisammen standen, ohne dadurch gedrängt zu stehen und andererseits eine Bewegung in Zeitlupe möglich wurde, die den Wahnwitz des wilden Durcheinanders reziprok konterkariert.

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"...darum ist der Tag so schön blau."

Nicht zuletzt dadurch erreichen Regie und musikalisches Konzept hier eine selten anzutreffende Synthese - leider bisweilen um zu hohen Preis. Sachs ist betont leichtgewichtig besetzt, denn José van Dam singt durchaus schöne Kantilenen mit Mut zu großen Bögen, scheut aber jede Akzentuierung. Das spitzbübische Element, das des verborgenen Strippenziehers, entfällt angesichts der halbstarren Innenperspektive, die ihn fast greisenhaft wirken lässt und bleibt überhaupt fast generell so leise, dass er gegen das Orchester kaum durchkommt, das freilich in Zürich über besonders reichen Raum verfügt und aus einem außergewöhnlich weit geöffneten Graben unweigerlich lauter tönt als andernorts.

Franz Welser-Mösts Dirigat hat zwar mit seiner Art eines betont jugendlich flotten Drives jedes falsche Pathos effektiv vermieden, jedes richtige aber leider auch. Schon für das Vorspiel nahm er sich nicht mal 8 min Zeit, und die Länge des Abends insgesamt verdankte sich mehr den ausgedehnten Pausen als seinen gewählten Tempi. Seinen Vorgaben vermochten die ansonsten gut aufgestellten ChoristInnen wie auch das Orchester der Oper Zürich - neben dem Tonhallenorchester der zweite wichtige Klangkörper des Kantons - häufig nicht zu folgen, was nicht an mangelnder Fähigkeit oder Übung gelegen haben kann. Denn ich kann mich beispielsweise nicht erinnern, die Prügelfuge jemals zuvor so fein studiert und fehlerfrei gehört zu haben.

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"Wer heult denn da? Wer kreischt mit Macht?
Ist das erlaubt so spät zur Nacht?"

Den Schluss gestaltet Nikolaus Lehnhoff bewusst unspektakulär, lässt Eva den bereits fast Geflohenen zur Umkehr bringen, ja sogar in demütigem Kniefall die Meisterkette entgegen nehmen und den Schlussjubel brav mitsingen, während Beckmesser bleibend unversöhnt nicht wiederkommt. Das Volk als Ganzes aber wendet dem Publikum den Rücken, als ob es den Preis der heil'gen deutschen Kunst nur vor dem Hintergrund arkadischer Landschafts-Idylle ertrüge.

Dabei ist Michael Volle, den sicher noch manche aus seiner rheinischen Zeit in Bonn, Köln und Düsseldorf in guter Erinnerung haben, vollauf zu gratulieren, der für seinen überaus markanten Merker verdientermaßen außerordentlichen Applaus einstecken durfte. Begünstigt schon durch seine beachtliche Körpergröße verlieh er dem Herrn Stadtschreiber Würde in Groteske, die allerdings den Träger der allzu hohen Nase bis zuletzt kein Gespür dafür zeitigen lässt, wie wenig sein Auftritt noch zum Jahrmarktstreiben der öffentlichen Freizeitveranstaltung passen will. Die Präzision seines Gesanges, ganz besonders der Diktion wie auch konturvolle Härte seines Spieles verdichteten sich faszinierend zur Wiedergabe eines fast hermetischen Charakters, für den tatsächlich keine Außenwelt zu existieren scheint und der dabei dennoch keine innere Ruhe ausstrahlt. Die Personenführung meinte es dabei offenbar weniger gut mit der Figur als der Sänger zulassen mochte, denn die gab ihn bisweilen arg der Lächerlichkeit preis, wenn er zur Pantomime in der leeren Schusterstube nicht nur etwas überforsch daherzuhumpeln, sondern zum einen Tusch gar mit dem Schädel an der Wand anzuschlagen hatte.

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"... jetzt schau'n wir, wie Hans Sachs es macht,
dass er den Wahn fein lenken mag."

Der Applaus-verwöhnte Peter Seiffert fügte mit seinem Zürcher Walther einen neuen Stein in die Krone seines Ruhmes ein. Intelligent differenziert, noch im piano präsent und stark, nie überlastet und bis in die extremen Höhen pressfrei und klangschön, möchte es sein Spiel womöglich zusätzlich beflügelt haben, ausgerechnet um die Frau werben und mit ihr flirten zu dürfen, die sowieso die seine ist: Petra-Maria Schnitzer als Eva. Sie mimte weniger das anstandsbesessene Tochter aus gutem Hause, sondern die junge Frau, die ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu verfolgen weiß. Ihre leicht dunkle Einfärbung betonte dabei stärker die Charaktervolle als die reine Klarheit, die sie stattdessen über Feinheit des Ausdrucks herzustellen wusste, sowie über eine Textverständlichkeit, wie sie bei Frauenstimmen so gut nur ganz selten anzutreffen ist.

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"Was soll das heißen? Ist er nur toll?
Sein Lied ist ganz von Unsinn voll !"

Auch das Sekundarier-Paar zeigte sich von seiner besten Seite: Brigitte Pinter stattete die Magdalene stimmlich mit einigem dramatischen Gewicht aus, während man sich bei dem für Christoph Strehl eingesprungenen Johan Weigel fragte, wieso der nicht gleich für diese Partie eingeteilt worden war. Im Choralvorsingen des 3.Aufzuges vielleicht ein wenig zu gewichtig, erfreute auch er mit Klarheit und Präzision.

Große Freude bereitete auch die Begegnung mit Altmeister Matti Salminen als Pogner, der sowohl die Grundgütigkeit der Gestalt wie auch das Augenzwinkernd-Pathetische daran gleichermaßen wirkungsvoll zu transportieren verstand. Sein warmer voller Bass ließ ihn des öfteren gewichtiger erscheinen als Hans Sachs in seiner verordneten Reduziertheit. Auch Rolf Haunsteins Kothner brachte eine grundsolide Figur hervor, dessen Spiel die Funktion innerhalb der Gruppe glaubhaft werden und seinen predigtartigen Votrag der Tabulatur gleich von der Kanzel herab verkünden ließ.

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"... wie kann die Kunst wohl unwerth sein,
die solche Preise schließet ein? -"

Dass Zürich bei allem Gehabe einer Weltbühne eben auch ein heimeliges Häuschen mit Platz für Menschelei sei, fand sich spätestens im Schlussapplaus bestätigt, wenn José van Dam wie auch Peter Seiffert großen Mut zur kleinen Geste sich erlauben konnten, um sich per Handschlag bei der Souffleuse zu bedanken, der sie beide an diesem Abend viel verdankten.


FAZIT

Eine Aufführung die nichts zu wünschen übrig ließ und die auch den weiten Weg auf die Südseite des Rheines voll gerechtfertigt hat !


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Franz Welser-Möst

Inszenierung
Nikolaus Lehnhoff

Bühne
Roland Aeschlimann

Kostüme
Moidele Bickel
Amélie Haas

Lichtgestaltung
Jürgen Hoffmann

Choreographie
Denni Sayers

Chor
Jürg Hämmerli



Chor und Zusatzchor
des Opernhauses Zürich

Statistenverein am
Opernhaus Zürich

Ballettschule für das
Opernhauses Zürich

Orchester der Oper Zürich


Solisten

* Besetzung der Premiere

Hans Sachs
José van Dam

Veit Pogner
Matti Salminen

Kunz Vogelgesang
Martin Zysset

Konrad Nachtigall
Cheyne Davidson

Sixtus Beckmesser
Michael Volle

Fritz Kothner
Rolf Haunstein

Balthasar Zorn
Volker Vogel

Ulrich Eisslinger
Andreas Wikler

Augustin Moser
Boguslaw Bidzinski

Hermann Oertel
Giuseppe Scorsin

Hans Schwarz
Guido Götzen

Hans Foltz
Reinhard Mayr

Walther von Stolzing
Peter Seiffert

David
Johan Weigel
(für Christoph Strehl)

Eva
Petra-Maria Schnitzer

Magdalena
Brigitte Pinter

Nachtwächter
Günther Groissböck



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Zürich
(Homepage)



Da capo al Fine

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