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Les Paladins
Comédie-ballet en trois actes von Jean-Philippe Rameau
Text nach La Fontaine und Ariost


in französischer Sprache

Schweizer Erstaufführung im Theater Basel am 16. Dezember 2004


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Theater Basel
(Homepage)
Rameau im Kinderland

Von Ina Schabbon / Fotos von Sebastian Hoppe


Als Jean-Philippe Rameau 1733 mit der tragédie lyrique Hippolyte et Aricie seine erste Oper herausbrachte, war er kein junger Mann mehr. Der 50jährige hatte sich bereits als Musiker, Komponist und Musiktheoretiker einen Namen gemacht. 27 Jahre später entstand sein letztes zu Lebzeiten aufgeführtes Bühnenwerk, die comédie-ballet Les Paladins. Dazwischen lag die Zeit der querelle des bouffons, in der Rameau der antiaufklärerischen Seite zugeschlagen worden war. Vielleicht entzieht sich sein Alterwerk ja deswegen ganz bewusst allen Gattungskonventionen, jedenfalls handelt es sich um eine musikalisch innovative und bühnentechnisch höchst unterhaltsame Mischung aus tragischen und komischen Elementen aus Ballett und Oper.

Die Handlung hat der unbekannte Librettist einer Verserzählung La Fontaines entnommen, die ihrerseits auf einer Episode aus Ariosts Orlando Furioso (XLIII, 71-144) basiert. Allerdings hat die Geschichte einige entscheidende Veränderungen erfahren und kommt nun als Plot daher, der aus der commedia dell'arte und verschiedenen Komödien Molières sattsam bekannt ist: Liebestoller und geldgieriger Alter will junge Schöne, die wiederum liebt gleichaltrigen Schönen. Raffinierte Dienerin übertölpelt großmäuligen aber feigen Aufpasser, und nach allerlei Verwechslungen und Verwirrungen kommt alles zum guten Ende.

Die Besonderheit der Rameauschen Umsetzung ist, wie die Gattungsbezeichnung schon andeutet, die Verquickung verschiedener musiktheatralischer Mittel: Musikalische Komödie und ausgedehnte Tanzeinlagen, aber auch Elemente der tagédie lyrique fließen in diesem Werk ineinander.

Vergrößerung

Gegen die Langeweile: Nérine (Sunhae Im) treibt ihren Schabernack mit dem Aufpasser Orcan (Thomas J. Mayer)

Sorgte in der Oper der Barockzeit nicht zuletzt die spektakuläre Bühnenmaschinerie für Abwechslung, verlässt sich die von Nigel Lowery und Amir Hosseinpour verantwortete Basler Inszenierung fast ausschließlich auf den Abwechslungsreichtum der Musik, die sie in Bewegung umsetzt. Wenige Versatzstücke vor verschiedenfarbigen, glitzernden Vorhängen reichen als Bühnenbild (Nigel Lowery) völlig aus. Sie entführen uns, nachdem wir während der Ouvertüre schon einmal durch das auf den Vorhang projizierte TV-Programm hatten zappen dürfen, in eine Kinderwelt: Es beginnt im Schulzimmer, wo Argie und Nérine sich - angetan mit Schuluniformen - langweilen, später wird gebolzt, Indianer und unter Einsatz der Windmaschine auch Gespenst gespielt. Im dritten Akt wird schließlich auch aus Anselme ein Kind, ein Baby sogar, und das Schloss, das er so gerne besitzen möchte, hat Spielzeuggröße. Kindlich, fast marionettenhaft schematisch sind auch die Bewegungen der Darsteller.

Vergrößerung Helden von heute: Paladin Atis (Jeffrey Thompson, Mitte) und seine Sportskameraden (die Tänzer Michael Sears und Uli Kirsch, außerdem der Chor)

Aus den mittelalterlichen Ritter-Helden der Vorlage hingegen sind Helden unserer Zeit geworden, Sportler nämlich, und als im besten Sinne sportlich lässt sich auch die gesamte Aufführung charakterisieren. Da ist zunächst einmal die fulminante Akrobatik der sechs Tänzer, denen es in der Choreographie von Amir Hosseinpour fast bis zum (sich dann doch etwas ziehenden) Ende gelingt, die Tanzeinlagen mit Leben zu füllen, da ist das großartige, auf Barockes spezialisierte Ensemble La Cetra, das unter Konrad Junghänel alle Nuancen der überaus facettenreichen Partitur herausarbeitet und bravourös - mit nur sehr vereinzelten Unschärfen - selbst an der Grenze zur Unspielbarkeit liegende Tempi meistert. Und da ist ein Sängerensemble versammelt, das nicht nur wunderbar singt, sondern zudem noch überzeugend agiert. Wieder einmal an erster Stelle zu nennen: Maya Boog, die mit ihrem geschmeidigen, leuchtenden Sopran gleich mit ihrer Auftrittsarie als Argie begeistert. Unvergesslich auch das träumerische Liebesduett im dritten Akt, in dem Jeffrey Thompson als Paladin Atis mit seinem sehr hellen Tenor ihr ein ebenbürtiger Partner ist. Da stehen sich zwei Sängerpersönlichkeiten gegenüber, die ganze Breite der Bühne zwischen sich, keine Bewegung, die vom Zauber des Augenblicks ablenken könnte, die Zeit scheint stillzustehen.

Vergrößerung

Endlich vereint: Argie (Maya Boog) und Atis (Jeffrey Thompson)

Quirlig, lebendig virtuos dagegen die Szenen mit Sunhae Im als Dienerin Nérine. Mit hellem, nicht unangenehm metallischem Sopran meistert sie die zahlreichen Koloraturen ihrer Partie ungemein virtuos. Thomas J. Mayer gelingt es in der Rolle ihres Gegenspielers, des Aufpassers Orcan, seinem gut geerdeten Bariton die unterschiedlichsten Ausdrucksfacetten zu verleihen: Vom polternden Wärter über den schmeichelnden Liebenden bis zum zitternden Angsthasen. François Lis gibt mit seinem nur anfangs etwas zaghaft klingenden Bass einen überzeugenden Fiesling Anselme und Tom Allen eine wunderbar androgyne Fee Manto. Der von Henryk Polus wie immer exzellent vorbereitete Chor rundet den Gesamteindruck ab.


FAZIT

Dem jubelnden Applaus schließen wir uns gerne an. Er galt einem spritzigen, kurzweiligen Opernabend, für den man doch gerne den Fernseher ausgeschaltet gelassen hat!



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Konrad Junghänel

Regie
Nigel Lowery
Amir Hosseinpour

Bühne und Kostüme
Nigel Lowery

Choreographie
Amir Hosseinpour

Licht
Hermann Münzer

Chorleitung
Henryk Polus

Dramaturgie
Bettina Auer



Chor des Theater Basel
Barockorchester"La Cetra" Basel
Cembalo: Philippe Grisvard


Solisten

Manto, Fee / Paladin
Tom Allen

Anselme, Vormund Argies
François Lis

Argie, eine junge Italienerin
Maya Boog

Atis, Paladin / Dämon
Jeffrey Thompson

Orcan, Diener Anselmes
Thomas J. Mayer

Nérine, Begleiterin Argies
Sunhae Im

Tänzerinnen und Tänzer
Stephan Herwig
Anna Holter
Uli Kirsch
Michael Sears
Anise Smith
Andrea Sonnberger



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
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