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Vom Lächeln und Morden
Von Bernd Stopka
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Fotos von Christian Bort
1911 wurde Leonardo da Vincis Mona Lisa gestohlen, 1913 wiederentdeckt. Das Libretto, das sich auf dieses weltberühmte Gemälde bezieht, hatte also eine besondere Aktualität, als die Schauspielerin und Schriftstellerin Beatrice Dovsky es 1913 dem Komponisten Max von Schillings vorlegte. Der erkannte die Qualitäten dieser Vorlage und die üppigen und reizvollen Möglichkeiten, die die Geschichte einem Komponisten bietet. Die 1915 uraufgeführte und danach ausgesprochen beliebte und oft gespielte Oper ist heute nahezu vergessen. Nur wenige Opernführer geben den Inhalt wieder. Daher hier ein kurzer Abriss der Handlung. In einer Rahmenhandlung führt ein Laienbruder ein Ehepaar auf der Hochzeitsreise durch einen Palast in Florenz. Er erzählt Ihnen, was sich einst in diesem Palast zugetragen hat. Florenz, im Karneval 1492. Mona Fiordalisa ist unglücklich mit dem Perlenhändler Francesco verheiratet. Der sehnt sich danach, dass sein Frau ihm das Lächeln (ihre Liebe und Leidenschaft) schenkt, das er von ihr bisher nur auf dem Portrait Leonardos gesehen hat. Er tröstet sich mit der Liebe zu seinen Perlen, die er unter hochsicherem Verschluss hält. Mona Fiordalisa hasst die Perlen, muss sie aber immer wieder tragen, um für Francesco die Schönheit der Perlen zu bewahren. Francesco (Jan Zinkler) aggressiv-sehnsüchtignach dem nur gemalten Lächeln seiner Gattin.
Von draußen klingt der Karnevalsrausch herein und der Bußgesang der Mönche. Die lebenslustige Mona Ginevra erscheint und bezirzt die männlichen Gäste im Haus. Mit dem Ende der Besichtigung schließt die Rahmenhandlung. Und dann vermischen sich beide Ebenen. Der Laienbruder glaubt in der fremden Frau Mona Fiordalisa erkannt zu haben. Die Vermischung von Handlung und Rahmenhandlung erhält einen weiteren Reiz durch die Doppelbesetzungen Ehemann/Francesco, Ehefrau/Mona Fiordalisa, Laienbruder/Giovanni. Die Eheprobleme der Handlungspersonen scheinen auch für das Ehepaar der Jetztzeit mit ihren ähnlichen Differenzen vorprogrammiert zu sein. Für die Heutigen hoffentlich nicht mit tödlichem Ausgang.
Kaufleute und Rivalen: Francesco (Jan Zinkler)
Das ist nun eine wahrhaft üppige Vorlage für einen Komponisten. Nicht nur die üblichen großen Gefühle, nein, es ist auch ein spannender Psycho-Krimi mit den unterschiedlichsten Charakteren, obendrein noch ein opulentes Chorfest bei der Begegnung der Karnevalsgesellschaft und der Mönchsprozession daraus lässt sich doch wirklich etwas machen. Chromatisch schwelgend beginnt die Musik ganz vielversprechend. Rezitative und sehr kantable Passagen, ja sogar Arien und Duette stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Max von Schillings war als Komponist ein solider Handwerker, aber kein Genie. Der Musik fehlt eine gewisse Eigenständigkeit. Es gibt viele stilistische Wiedererkennungseffekte. Viel Wagner, noch mehr Richard Strauss und die heftigen Orchesterschläge aus Tosca lassen den Zuschauer unwillkürlich nach dem Baron Scarpia auf der Bühne suchen. Viele weitere Komponisten geben sich ein Stelldichein. So entsteht der Eindruck, von Schillings hätte versucht die stilistischen Mittel der besten Ideen seiner Kollegen zu einem großen Werk zu vereinen. Doch wo Strauss nach großem Aufbrausen edel-zart wird, wird Schillings operettig, wo Wagner das Maß der auftrumpfenden Dramatik zu dosieren weiß, langt Schillings in die Vollen und legt noch einen drauf. Das wirkt zuweilen spannend, manchmal erschlagend, und gelegentlich erheiternd. Was für eine grandiose Oper hätte man aus dem Libretto machen können! Dennoch bietet Schillings Vertonung hörenswerte Passagen und das Komponistenraten macht natürlich auch Spaß. Trotz gewisser Schwächen also, die die Komposition besitzt, kann man in Braunschweig einen großen Theaterabend erleben, denn exzellente Sängerdarsteller agieren in einer klugen Personenregie in einem ansprechenden und originellen Bühnenbild.
Uwe Schwarz lässt die persönlichen Dramen im Drama deutlich werden. Dabei findet er genau die richtige Mitte zwischen theatralischer Ausdruckskraft und natürlich wirkender Personenführung. Und auch viele szenische Iden hinterlassen nachhaltig gute Eindrücke. Ein Beispiel: Nachdem Mona Fiordalisa ihren Gatten zu ihrem bereits erstickten Liebhaber in den Tresor gesperrt hat, kommen die beiden als die Personen der Rahmenhandlung freundlich einträchtig miteinander aus der gleichen Tür wieder hervor, die nun nicht in den Tresor, sondern in den Saal des zu besichtigenden Gebäudes führt. Ein perspektivisch gestalteter, heller Raum dessen Wände mit Perspektivlinien versehen sind, dient als Projektionsfläche für Bilddetails aus Gemälden alter italienischer Meister, die einen Bezug zur jeweiligen Szene haben. Dorit Lievenbrück gelingt damit ein kluger und überzeugender Einsatz der in den letzten Jahren ansonsten allzu beliebt gewordenen Projektionstechnik. Ganz besonders stark wirkt die Vermischung der einzelnen Projektionsbilder zu einer wirren Collage bei Mona Fiordalisas euphorisch-dramatischem Schlussgesang, in dem sich Elektra und Brünnhilde zu vereinen scheinen. Die moderne Technik wird durch wunderschöne, archetypische Kostüme der italienischen Renaissance kontrastiert - eine reizvolle, sehr ästhetische Kombination.
Jan Zinkler setzt seinen markant-kraftvollen Bariton partieadäquat ein. Er lässt ihn überwiegend dämonisch-sadistisch brutal klingen, was die wenigen zärtlichen Momente umso eindrucksvoller macht, die, in denen er geradezu zärtlich die Liebe zu seinen Perlen besingt oder die Sehnsucht nach der Liebe, dem Lächeln, seiner Mona Fiordalisa deutlich macht. und Francesco (Jan Zinkler).
Norbert Schmittbergs klarer, heller, aber nicht zu leichter Tenor besitzt enorme Strahlkraft. Schonungslos eingesetzt entgleiten ihm zwei, drei Töne, doch das verzeiht man ihm gern. Besonders beeindruckt seine Fähigkeit geradezu mit zwei Stimmen zu singen. Für den Laienbruder legt er sich Zurückhaltung auf, wogegen er als Giovanni aus dem Vollen schöpft. Das macht das Finale umso reizvoller. Wenn er als Laienbruder meint in der fremden Frau Mona Fiordalisa zu erkennen, sieht er sich mit strahlend leuchtendem Tenor als ihr Liebhaber Giovanni. Ihr Braunschweig-Debüt gab Johanna Alexandra Kibala in der Partie der lebens- und liebeslustigen Mona Ginevra. Ein edel-verruchtes Weib, eine Rubensfigur, die den Kontrast zu Leonardos eher braver Mona Fiordalisa bildet. Sie sammelt Liebesabenteuer und kann nicht genug bekommen. Entsprechend langweilig sind für sie die Herren die sie schon hatte und die sich auch nicht weiter um sie bemühen.
Aus den kleineren Partien, die allesamt adäquat besetzt sind, ragt der leichte, strahlende Tenor von Seung-Hyun Kim hervor.
Sehnsucht nach dem Geliebten:
Eine rundum gelungene Produktion einer nicht so ganz überzeugenden Oper, die aber trotz ihrer Schwächen eine spannende Entdeckung ist. Ausdrucksstarke Solisten, die stimmlich und gestalterisch aus dem Vollen schöpfen können. Eine fein durchdachte Personenregie, wunderschöne Kostüme und ein Bühnenbild, für das die allgemein so beliebten Projektionen sinnvoll und überzeugend eingesetzt werden, machen den Abend zum Genuss. Ein Besuch lohnt sich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Videoarbeiten
Chor
Dramaturgie
SolistenEin Fremder/ Francesco del Giocondo Jan Zinkler
Ein Laienbruder
Eine Frau
Pietro Tumoni
Arrigo Aldofredi
Alessio Benedenti
Sandro da Luzzano
Masolino Pedruzzi
Mona Ginevra ad Alta Rocca
Dianora, Francescos Tochter
Piccarda, Zofe Fiordalisas
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