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Musiktheater
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Dido and Aeneas
Oper in drei Akten
Musik von Henry Purcell
Libretto von Nahum Tate

In englischer Sprache.

L´Amour et Psyché
Oper in einem Akt
Text und Musik von Jean Joseph Cassanéa de Mondonville

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Premiere am 22. September 2004
Junges Forum Musiktheater / Hamburg
Besuchte Vorstellungen am 2. Oktober 2004

Aufführungsdauer: jeweils ca. 1 Stunde (eine Pause)

Diplominszenierungen des hochschulübergreifenden Studiengangs Musiktheater-Regie
am Institut für Theater, Musiktheater und Film
der Universität Hamburg und der Hochschule für Musik und Theater Hamburg


Professionalität der Debutanten

Von Christoph Wurzel / Fotos von Horst Warneyer

In den großen Opernhäusern pflegen sich ja die Kritiker die Klinke in die Hand zu geben, wenn eine neue Produktion auf dem Spielplan steht und je namhafter der Regisseur, desto größer der Andrang. Wie man heuer in Bayreuth sehen konnte, verhalten sich Medienrummel und künstlerischer Erfolg allerdings nicht immer kongruent und es erweisen sich diejenigen nicht unbedingt als die größten Regietalente, die auch - am besten schon vorher - den effektvollsten Medienauftritt zu inszenieren vermögen.

Nicht so viele Kritiker verirren sich dagegen wohl einmal in die Studiobühne einer Musikhochschule, wo es inszenatorische Gesellenstücke zu sehen gibt, wie im folgenden Beispiel die Diplominszenierungen von zwei jungen Regisseuren, die mit je einem kleineren Werk jüngst eine Probe auf ihr erlerntes Handwerk des Opernregisseurs abgegeben haben, nämlich in Hamburg im "Jungen Forum Musiktheater" in der dortigen Musikhochschule im Studiengang Opernregie. Wer dort Studententheater erwartet, wird angenehm überrascht werden, denn was zumindest bei den hier zur Debatte stehenden Produktionen zu sehen war, zeugte von schon erstaunlicher Professionalität, von einer intensiven und ernsthaften Auseinandersetzung mit den Werken und brauchte sich nicht vor der Welt der Großen zu verstecken.

An zwei Barockopern hatten sich die Regiediplomanden Eric Schulz ("Dido und Äneas") und Tobias Heyder ("Amor und Psyche") gewagt und jeder auf eine andere Weise gewonnen: ersterer mit einem ambitionierten Regiekonzept und ausdrucksstarken Bildern, letzterer mit einer überzeugend modernen Adaption der historischen Form in theatralisch leichter, aber nicht seichter Umsetzung.

Die Wahl und Koppelung der beiden kurzen Oper erwies sich als reizvoll. Barockoper ist ein weites Feld: über 80 Jahre liegen zwischen den beiden Werken, die in Vielem sehr unterschiedlich, aber auch in Manchem sehr ähnlich sind. Beide fußen auf endlos oft in Opern verarbeiteten mythischen Stoffen, beide vereinfachen die traditionellen Vorlagen und spitzen die Aussage aus der Sicht ihrer Zeit zu. In beiden Opern geht es um das ewige Thema der wahren Liebe - doch beide kommen zu verschiedenen Lösungen. Der unendlich traurige Tod der Dido vermag zutiefst zu bewegen, die endlich glückliche Vereinigung von Amor und Psyche am Schluss stellt eine nur kurz gestörte Heiterkeit wieder her. Doch in beiden Produktionen werden diese Schlüsse aus heutiger Sicht interpretiert und in Frage gestellt: Eric Schulz lässt Dido nicht einfach vor Kummer über ihr Verlassensein sterben, sondern stellt zum Zeichen der Hoffnung ein Bild der seelischer Ausgewogenheit des Menschen an den Schluss seiner Inszenierung. Und Tobias Heyder fügt dem lieto fine der arkadischen Idylle einen gehörigen Schuss Skepsis hinzu: wird Psyche, grade zur Unsterblichkeit promoviert, in ewiger Liebe mit Amor wirklich glücklich sein?

Auch musikalisch liegen Welten zwischen Purcells eminent ausdrucksschwerer Musik in ihrer avancierten Harmonik und dem tragischen Grundton und der eher gefällig unterhaltsamen Leichtigkeit von Mondonvilles arkadischer Szenenfolge in einem eher idyllischen Ambiente.

Verbindendes Element zwischen beiden Produktionen war das hervorragend aufspielende Hamburger Barockorchester mit einem transparenten Klangbild, eleganter Intonation und geschmeidiger Dynamik - selbstverständlich auf Originalinstrumenten. Die musikalische Leitung lag bei der Purcell-Oper in den Händen des 1977 geborenen Thomas Kennerknecht, der nach Studien in Weimar und Hamburg gegenwärtig das "Junge Orchester Hamburg" leitet. Subtil arbeitete er die miniaturhaften Bausteine der Partitur heraus und legte den auf äußerste Ökonomie angelegten musikalischen Reichtum von Purcells Komposition frei. Zwar dezent, aber mit großer Wirkung ließ er die emotionale Spannweite der Musik sich entfalten, wie er die madrigalesken Chorpassagen klar modellierte. Den Ausbruch von Dramatik in der Hexenszene gestaltete er kalkuliert und spannungsvoll.

Die musikalische Leitung der zweiten Oper hatte Tobias Engeli übernommen, wie Kennerknecht ein Schüler von Christof Prick in Hamburg. Dem wesentlich stärker auf äußere Wirkung und illustrativ angelegten Charakter der Musik Mondonvilles entsprechend ließ Engeli der instrumentalen Spielfreude mehr die Zügel schießen und die "lieblichen Klänge" dieses unterhaltsamen Singspiels lustvoll vorüberschwingen. Die hier um Flöte und Oboe erweiterte Besetzung verlieh der antikisierten Liebesgeschichte eine heitere Klangfarbe.

In beiden Opern vielbeschäftigt ist der Chor, in diesem Falle gestellt von I Cantici, einem ad-hoc-Ensemble von erstaunlicher Gesangskultur, das auch in beiden Fällen nicht unbeträchtliche spielerische Qualitäten bewies.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Zauberin (Tatjana Halttunen) entfacht die
bösen Geister gegen Didos Glück.

Für Eric Schulz, den Regisseur von "Dido und Äneas", stellte sich die Aufgabe, die kurze, aber ereignisreiche Handlung plausibel auf die Bühne zu stellen. Die karthagische Königin Dido verliebt sich nach einigem Zögern in Äneas, den trojanischen Helden, der als Flüchtling in ihr Land gekommen ist. Nur eine kurze Zeit des Glücks ist dem Paar beschieden, denn eine böse Zauberin sucht die Liebesverbindung zu zerstören. Auf ihr Geheiß befiehlt ein falscher Götterbote Äneas, Dido sofort zu verlassen und nach Italien zu segeln, um dort ein neues Reich zu errichten. So geschieht es und die verlassene Dido stirbt den Verzweiflungstod.

Das Libretto lässt keinen Raum für psychologische Entwicklung, sondern stellt in den knappen Szenen der drei Akte die Situationen hart nebeneinander. Dazu bedürfen die Machenschaften der Zauberin der Erklärung. Wer ist diese im antiken Mythos nicht vorkommende Gestalt? Was treibt ihr Handeln an? Schulz geht in seinem Regiekonzept von einer modernen Erklärung aus, wonach die Zauberin nicht Repräsentantin einer äußeren bösen Macht ist, sondern eine abgespaltene Seite (die Rationalitä) des eigenen Selbst der Hauptperson (als rein emotional gedacht) darstellt. (Siehe hierzu unser Gespräch mit Eric Schulz).

Folglich hat Schulz die Oper als eine Art Versuchsanordnung über die innere Befindlichkeit Didos ("Wer bin ich?") inszeniert, als einen Bogen von Momentaufnahmen, angefangen bei der ersten unsicheren Begegnung der jungen Frau mit dem fremden Mann (gestaltet als pantomimisches Spiel noch vor der Ouvertüre), vor dem sie fast erschrickt. Danach ein kurzer Glücksmoment der eingegangenen Beziehung, wenn Äneas die Braut stürmisch ins Nebengemach (d.h. die Seitenbühne) zieht. Dann der Streit der Liebenden, die Flucht des Äneas und schließlich die Selbstaufgabe Didos in ihrem Verzweiflungstod. Doch es soll bei diesem bitteren Ende nicht bleiben: ein pantomimisches Nachspiel beschließt die Handlung, indem sich die Gegenspielerinnen Dido und die Zauberin zur lebendigen Figur des Vitruvianischen Menschen formieren, in dem Leonardo da Vinci Kunst und Wissenschaft, Emotionalität und Rationalität symbolisch vereinigt. Dies alles vollzieht sich in einem kalt stilisierten Labor-Ambiente: im Hintergrund ein geometrisch-sachliches Gittergeflecht (entfernt an eine Platine erinnernd) in der Mitte ein sprudelndes, dampfendes oder leblos erstorbenes gläsernes Wasserbecken als vieldeutiges Symbol für das Unbewusste, Treibende, Quellende der menschlichen Seele.

Es geht auf, dieses Konzept - unterstützt vom Bühnenbild Amelie Hensels und den Kostümen von Katja Strohschneider, beide weit fortgeschrittene Studentinnen ihres jeweiligen Fachs an entsprechenden Hamburger Hochschulen. Auch dass die Handlung eine Beziehungsgeschichte ist, das Drama einer misslingenden Partnerschaft, gerät nicht ganz aus dem Blick. Die Gestalt des Helden Äneas als strahlender Ritter, als Märchenprinz wirft ein Licht auf Didos Vorstellung vom anderen Geschlecht. Dass ihr Beziehungsversuch damit scheitern muss, wird sinnfällig.

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Traumpaar für einen Moment: Dido (Julia Ostertag)
und Äneas (Matthias Nenner).

Zwar soll die Oper zur Aufführung für ein Mädchenpensionat geschrieben worden sein, doch ist die Partie der Dido nicht wenig anspruchsvoll. Und Julia Ostertag bewältigte als Bühnendebütantin diese Aufgabe ganz meisterlich. Besonders den Schlussgesang, die hochexpressive Sterbearie der Dido gestaltete sie technisch souverän und im Ausdruck ergreifend. Ihre Stimme zeigt Facetten des Dramatischen und verfügt über eine in allen Lagen gesättigte Fülle. Als Studentin der Hochschule in Karlsruhe war sie als Gast bei dieser Aufführung ganz sicher ein großer Gewinn. Den Äneas sang mit warmem Bariton Matthias Nenner, ein junger Sänger, der nach Studien u.a. bei Thomas Quasthoff schon auf etlichen Bühnen Erfahrungen sammeln konnte.

Anke Briegel als Belinda gab mit einem schönen hellen Timbre der Rolle der Belinda wirkungsvoll stimmliche Gestalt. Auch Hannah Schlott konnte als Second Woman überzeugen. In die durchweg beeindruckende Solistenschar reihte sich auch Tatjana Halttunen als Zauberin ein. Die kurze Partie des Seemanns im dritten Akt sang zuverlässig Andreas Preuß.

Anders als Purcells Oper ist das Singspiel "Amor und Psyche" von Mondonville (1711 - 72) heutzutage völlig unbekannt. Zwar hat dieser unmittelbar vor dem Epocheneinschnitt der Französischen Revolution wirkende Komponist Musikgeschichte geschrieben, doch seine Werke fielen der Vergessenheit anheim. Denn Mondonville fühlte sich dem konservativen französischen Nationalstil verpflichtet und hatte im sog. Buffonistenstreit vehement die Partei der Traditionalisten vertreten, also die Auffassung, dass die französische Oper mit ihren mythischen Stoffen, ihrer idealisierten Wirklichkeit eines idyllischen Arkadien und der getragen illustrativen Musik, die der Sprache als eigentlichem Handlungsträger untergeordnet ist, allein dem französischen Nationalcharakter entspreche - im Gegensatz zur italienischen Buffoform, in der so schnöde Alltagshandlungen wie das Servieren von Schokolade auf der Bühne dargestellt werden. Mit dem Zusammenbruch des ancien régime allerdings überlebte sich die traditionelle französische Oper im Stil Lullys und Rameaus und auch das kleine Werk Mondonvilles "L´Amour et Psyché" nach den "Metamorphosen" des spät-römischen Dichters Apuleius verschwand in der Versenkung. Seit 1777 erlebte es keine szenische Aufführung mehr und so stellt die Hamburger Produktion eine echte und überdies lohnende Ausgrabung dar.

Es geht darin um die von Widrigkeiten angefochtene und dann sich bewährende Liebe zwischen dem Gott Amor und der Prinzessin Psyche. Weil Venus es nicht ertragen kann, dass Psyche hübscher ist als sie selbst, schickt sie Amor zu der Sterblichen, um sie zu bestrafen. Doch dieser verliebt sich natürlich sofort in die Schönheit. In der Macht der Göttin muss Psyche drei Anfechtungen überstehen: die Verlockungen durch andere Liebensabenteuer, einen Sturm auf dem Meer und schließlich die Dämonen der Unterwelt - doch sie bleibt standhaft. Da lässt Venus ihre Rivalin durch eine Rachegöttin verunstalten, um Amor von ihr zu trennen. Doch die Liebenden halten zueinander, was wiederum die Göttin erweicht. Sie lässt daher nicht nur vom Racheplan ab, sondern verleiht der ehemaligen Rivalin sogar die Unsterblichkeit. Der ewigen Liebe zwischen Amor und Psyche steht nun nichts mehr entgegen.

Vergrößerung in neuem Fenster Venus (Rebekka Reister) befiehlt der Erynnie Tisiphone (Tim Stekkelies),
Psyche nicht weiter zu quälen.

Tobias Heyder hat dieses Werk so inszeniert, wie es auch ist: als eine leichte, unterhaltsame bukolische Idylle. Er hat allerdings dabei nicht mit witzig gesetzten ironischen Akzenten gespart, nicht nur was den bereits erwähnten Schluss angeht, sondern auch wie gleich zu Beginn im olympischen Treiben Amor seiner Rolle als Liebling der Frauen nur allzu drastisch und tatkräftig nachkommt. Auch die phantasievollen Kostüme von Katti Galsterer lassen einen augenzwinkernden Blick auf den französischen Barock fallen. Zwischen Reifrock und Kniehosen und modernen Accessoires wie der Motorradbrille für den Windgott Zephiros changieren die Kleider der bunten Gesellschaft. Auch antike Formen finden sich da und Amors Gestalt pendelt zwischen Puttenklischee (mit aber nur einem Flügel) und kessem Gegenwartslook. Auf diese Weise gewinnt die Inszenierung eine Spritzigkeit und vermag enorm für sich zu gewinnen. Auch der lebendig geführte und geschickt choreografierte Chor trägt zur erfrischenden Auflockerung und zum Temporeichtum der Szene bei.

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Amor (Marlen Hachmann) und Psyche (Susanna Maria Kitzl)
im Augenblick ihrer schwersten Erprobung.

Auch in der zweiten Oper waren die Sängerleistungen beeindruckend, allen voran die lebendig sprühende Marlen Hachmann als Amor. Die Rolle der Psyche war geteilt: die zurückblendenden Erinnerungssequenzen wurden von der Schauspielerin Jenny Kippel dargestellt, ein Kniff, der Psyches seelische Bewegungen verdeutlichen sollte. Gesungen wurde die Rolle der Psyche von Susanna Maria Kitzl, die als Mitglied der Opernschule Karlsruhe bereits auf der Schwetzinger Festspielbühne in Paisiellos/Henzes Il Re Teodoro im Mai als Erstbesetzung postitiv aufgefallen war. Beachtliches Format bewies auch Rebekka Reister als Venus, die seit 2003 im Hamburg Gesang studiert. Als Erynnie Tisiphone behielt Tim Stekkelies ironischerweise seine natürliche Gestalt und Stimme, was er beides für den bösen Auftrag der Venus überzeugend einsetzte.


FAZIT

Ein Abend des reizvollen Kontrasts zweier Inszenierungen. Beide ergänzten sich zum Janusgesicht des Theaters als tragischer und komischer Kunst.


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Produktionsteam


Dido and Aeneas

Musikalische Leitung
Thomas Kennerknecht

Inszenierung
Eric Schulz

OMM-Gespräch mit Eric Schulz

Bühne
Amelie Hensel

Kostüme
Katja Strohschneider

Dramaturgie
Jasmin Speierer



Chor I Cantici

Hamburger Barockorchester


Solisten

Dido
Julia Ostertag

Aeneas
Mathias Nenner

Sorceress
Tatjana Halttunen

Belinda
Anke Briegel

Second Woman
Hannah Schlott

Spirit
Hannah Schlott
und CR5-Prozessor



L Ámour et Psyché

Musikalische Leitung
Tobias Engeli

Inszenierung
Tobias Heyder

Bühne
und Kostüme
Katti Galsterer

Dramaturgie
Ingunn Wittkopf



Chor I Cantici

Hamburger Barockorchester


Solisten

L ´Amour
Marleen Hachmann

Psyché
Susanna Maria Kitzl (Sängerin)
Jenny Klippel (Schauspielerin)

Tisiphone
Tim Stekkelies

Vénus
Rebekka Reister

Suite de L´Inconstance
Agnieszka Gleb
Jenny Li Ouw
Tanja Westphal



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