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Musiktheater
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Jonny spielt auf

Oper in zwei Akten
Text und Musik von Ernst Krenek

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 24. Februar 2005
Übernahme einer Produktion der Wiener Staatsoper (2002)

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Diskurs über eine einst zeitgemäße Oper

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre

Nur die Dreigroschenoper war noch erfolgreicher: Nach der Leipziger Uraufführung 1927 avancierte Jonny spielt auf zur populärsten Oper der Weimarer Republik. 42 Bühnen spielten das Werk sofort nach; und in bitterer Umkehrung dieser Popularität gelangte die Abbildung des schwarzen Musikers Jonny (der merkwürdigerweise schon auf dem Einband der Partitur mit einem – vermeintlich zum Jazz „passenderen“ – Saxophon an Stelle der in der Oper ihm zugeordneten Geige ausstaffiert ist) zu traurigen Ehren als Plakatmotiv für die unselige Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Kunst“ im Jahr 1938. Der Sensationserfolg gründete sich einerseits auf der (auch inhaltlich motivierten) Einbindung von Jazz-Elementen, andererseits auf dem deutlichen Gegenwartsbezug. Jazz-Combo und Bahnhofshalle auf der Bühne waren dem Publikum neu, trafen aber offensichtlich den Zeitgeist. Der Erfolg war groß (und machte Krenek wohlhabend), aber kurz. Nicht nur die Nazis trieben den Jonny aus den Spielplänen, auch im Ausland erlosch das Interesse bald wieder.


Vergrößerung in neuem Fenster Kleine Korrekturen an Jonny spielt auf? Komponist Max ist das alter ego von Ernst Krenek und sieht die Aufführung sozusagen als "work in progress".

Dabei ist Jonny spielt auf keine „Jazz-Oper“, nicht einmal ansatzweise. Die Jazz-Elemente sind inhaltlich bedingt, bilden aber nicht den musikalischen Schwerpunkt. Formal geht es um eine Frau – eine Opernsängerin – zwischen drei Männern: Dem seriösen (in deutscher Tradition stehenden) Komponisten Max, dem Geigenvirtuosen Daniello und (wenn auch nur indirekt) dem Jazz-Musiker Jonny. Leicht kann man darin eine Debatte um die „wahre“ Kunst sehen, Strauss' Capriccio wird 15 Jahre später mit einer grundsätzlich ähnlichen Konstellation (dort sind es Komponist und Dichter als Vertreter von Ton und Wort, die um die Gunst der Musikliebhaberin buhlen) aufwarten. Jonnys Triumph am Ende der Oper spiegelt nicht Kreneks Überzeugung wieder – zwar mag der Komponist in der Verbindung von Unterhaltungsmusik und „ernster“ Oper ein interessantes und publikumswirksames Experiment und gleichzeitig amerikanische Leichtigkeit zumindest partiell als Gegenpol deutschen Grüblertums gesehen haben, vom Herzen her stand ihm der Max, ein später Nachfahre Webers, näher – das geht auch aus etlichen Äußerungen des Komponisten, der auch das Libretto erstellt hat, hervor. Mit Interpretationen ausschließlich anhand von Text und Partitur sollte man vorsichtig sein: Manches „modern“ erscheinende Element ist weniger Kunstgriff als mehr mangelnde dramaturgische Stringenz im Werk des gerade einmal 27-jährigen Komponisten auf dem schnellen Weg zum Ruhm.


Vergrößerung in neuem Fenster Rendezvous im Schneegestöber: Im Angesicht des Gletschers verlieben sich Max und Opernsängerin Anita.

Regisseur Günter Krämer inszeniert in diesem Sinn weniger Textbuch und Musik der vorliegenden Oper als vielmehr Kreneks vermeintlichen Blickwinkel darauf. Komponist Max wird ganz konkret als Kreneks alter ego interpretiert – mehrfach tritt er aus der Handlung heraus, dirigiert das Orchester, korrigiert in der Partitur, und sein Flügel ist das einzige handfeste (und immer präsente) Bühnenbildelement. Der Rest ist sozusagen Theater auf dem Theater. Da gibt es extrem viel leise rieselnden Schnee, eine zugeschneite Schräge, die den Gletscher andeutet (Symbol für die Naturverbundenheit des Max – der nicht zufällig namensgleich mit dem „Naturburschen“ Max aus dem Freischütz ist); dazu sparsam eingesetzte Videoprojektionen und ein paar vom Bühnenhimmel herunter gelassene Kulissen, die teilweise gleich vom Bühnenpersonal wieder abgebaut werden. Für die Welt der Pariser Nachtlokale stehen hübsche Revuegirls in den französischen Nationalfarben, und Jonny ist ganz offensichtlich ein schwarz geschminkter Weißer (eine Anspielung für die New Yorker Erstaufführung 1929, die des vermeintlichen Skandals wegen auf die Besetzung mit einem „echten“ Schwarzen verzichtete). Das ist ziemlich viel Theater auf Meta-Ebene, aber um den Preis, dass die eigentliche Geschichte geopfert wird.


Vergrößerung in neuem Fenster Im Uraufführungsjahr noch ein Skandal: Ein Neger als Opernheld! Heute taugt Jonny, hier mit Anita, nur noch zum Roberto-Blanco-Verschnitt.

Vom intellektuellen Anspruch her ist das zweifellos ambitioniert und durchdacht. Aber trotz der erlesen ausgeleuchteten und hübsch anzusehenden Arrangements, trotz einiger starker Details bleibt die Produktion (die schon 2002 an der Wiener Staatsoper zu sehen war) insgesamt blutleer und dadurch über weite Strecken langweilig – viel Theorie über das Werk, zu viel Revue, aber kaum Theaterwirklichkeit. Zu wenig versteht man vom Text (warum wird der nicht per Übertitel eingeblendet?), zu wenig von der eigentlichen Bühnenhandlung wird deutlich. Und da sich das Publikum in den vergangenen fast 80 Jahren an seinerzeit provokante Elemente wie Telefon, Bahnhof und Neger auf der Bühne gewöhnt hat und jeder „Skandal“ (der seinerzeit zur Popularität sicher maßgeblich beigetragen hat) fehlt, fragt man sich schon, warum dieser Jonny den Weg auf die Bühnen des 21. Jahrhundert gefunden hat - und ob er nicht besser in musikhistorischen Seminaren aufgehoben wäre. Im benachbarten Wuppertal hat man vor einiger Zeit szenisch überzeugendere Gründe für eine Wiederbelebung vorweisen können (unsere Rezension).


Vergrößerung in neuem Fenster Große Revue: Max am Boden; Jonny (links), der Manager, Geigenvirtuose Daniello, Kammermädchen Yvonne, Hoteldirektor und Anita spielen mit den Revuegirls Eisenbahn.

Auch die musikalische Interpretation durch den japanischen Dirigenten Ryusuke Numajiri verstärkt den Eindruck, man habe schlicht das falsche Stück auf den Spielplan gesetzt. Numajiri ist ein exzellenter Klangzauberer, der mit dem hervorragend disponierten Gürzenich-Orchester delikate Farbmischungen hervorbringt, die mal an Debussy oder Ravel, dann an Wagner oder Strauss, auch an Zemlinsky erinnern. Aber er traut den Jazz-Einsprengseln nicht über den Weg und glättet die disparaten Elemente, die eigentlich die Spannung und den Reiz der Partitur ausmachen. Selbst die Jazz-Combo auf der Bühne spielt äußerst gepflegt und kaum „jazzig“. Man kann Krenek vorwerfen, bereits in der Komposition die verschiedenen Stilebenen allzu behutsam einander angenähert zu haben, aber wenn man diese Ebene nicht deutlicher hervorhebt, nicht auch plakative Vordergründigkeit wagt und die Kontraste sucht, dann klingt Jonny spielt auf schnell wie mittelmäßiges Epigonentum. Vielleicht ist es das ja (darüber lässt sich diskutieren) – aber warum spielt man es dann?


Vergrößerung in neuem Fenster Kein Wunder, dass Max dabei suizidale Gedanken hegt. Allein der singende Gletscher verhindert ein schlimmes Ende.

Sängerisch lässt die Aufführung kaum Wünsche offen. Nina Warren verströmt mit einer dunkel abgetönten Stimme, die in jeder Lage klangvoll und kontrolliert ist, jenen erotischen Hauch, den die Sängerin Anita als mondäne Diva benötigt. Gerhard Siegel ließ sich in der Pause als indisponiert entschuldigen und hatte hörbar Mühe mit den leisen Passagen in der Mittellage. Mit prägnantem Charaktertenor, ins Heldische changierend, meisterte er die anspruchsvolle Partie gerade in den hohen Passagen beeindruckend. Michael Volle als Jonny und Miljenko Turk als Daniello sind rollendeckende Besetzungen. Claudia Rohrbach als Stubenmädchen Yvonne glänzt mit sehr beweglichem, strahlendem Sopran. Präsent singt der von Horst Meinardus einstudierte Chor.


FAZIT

Was einst zeitgemäß und skandalös war, kommt heute zahnlos als bunte Revue mit allzu theoretischem Hintergrund daher. In delikatem Orchestersound wirken Krämers Reflexionen über Jonny spielt auf trotz guter Sängerleistungen museal.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ryusuke Numajiri

Inszenierung
Günter Krämer

Bühne
Andreas Reinhardt

Kostüme
Falk Bauer

Licht
Manfred Voss
Guido Petzold

Dramaturgie
Steffi Turre

Video
Bernhardine Schippers

Chor
Horst Meinardus

Choreographie
Otto Picher


Chor der Oper Köln
Statisterie der Bühnen Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Max
Gerhard Siegel

Anita
Nina Warren

Daniello
Miljenko Turk

Jonny
Michael Volle

Yvonne
Claudia Rohrbach

Manager
Ulrich Hielscher

Hoteldirektor
Johannes Preißinger

3 Polizisten
Werner Sindemann
Selcuk Cara
Francisco Vergara

Ein Bahnangestellter
Leandro Fischetti


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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