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Musiktheater
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Salome

Musikdrama in einem Aufzug von Richard Strauss
Text vom Komponisten nach dem gleichnamigen Drama von Oscar Wilde
in der Übersetzung von Hedwig Lachmann

in deutscher Sprache
Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln
am 16. September 2004

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Wie wehrt man sich gegen frisches Obst?

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre

Ein Prophet mit langem Bart, eine Salome im Suleika-Look vom Kostüm-Shop nebenan, Soldaten, die in frisch gewaschenen Uniformen hysterisch mit der MP herumfuchteln, als wollten sie „Räuber und Gendarm“ spielen – zunächst möchte man glauben, diese Salome-Premiere wäre besser im Kölner Karneval aufgehoben. Was Regisseurin Katharina Thalbach mit Kostümbildnerin Angelika Rieck und Bühnenbildnerin Momme Röhrbein (die eine schicke Designer-Küche in eine primitiv mit Sandsäcken gesicherte Geschützstellung stellt und über allem den Vollmond scheinen lässt) aufbietet, sieht lange Zeit nach einem Kostümball unter dem Motto „Palästina einst und jetzt“ aus und ist ein bunter Assoziations-Cocktail zwischen antiker und heutiger Nahost-Problematik. In fröhlichem Folklorismus hangelt sich das Regie-Team lange Zeit brav und detailgetreu am Libretto entlang, mal in ungefähr historischem Ambiente, mal peppig in die Moderne übersetzt. Vor allem aber immer an der Oberfläche.


Vergrößerung in neuem Fenster Toll, so ein Prophet: Was man sonst nur in Bilderbüchern oder verstaubten Operninszenierungen findet, begegnet Salome in ihrer Küche.

Ebenso harmlos wie banal lässt Frau Thalbach die Oper dahinplätschern, verzettelt sich mitunter in kleinen Episoden am Rande, bekommt ihre Hauptfiguren aber nicht in den Griff: Merkwürdig spannungslos etwa verläuft die Szene zwischen Salome und Jochanaan. Er schubst sie ein wenig herum (das soll nach „zu Boden schmettern“ aussehen), hilft ihr aber sofort, ganz Kavalier, wieder auf die Beine. An dem opernmuseal zotteligen Propheten mag man ja noch Interesse finden, an der unscheinbaren, keineswegs aufreizend gekleideten Prinzessin wohl kaum. Dass sich Narraboth ihretwegen tötet, nimmt man als überflüssige Randerscheinung zur Kenntnis. Manches wirkt unfreiwillig komisch (etwa wenn alle zusammenzucken, sobald Jochanaan aus seinem Verließ direkt unterhalb des Küchentisches zu singen beginnt).


Vergrößerung in neuem Fenster Hier muss die Küchenchefin handeln: Salome denkt blutrünstige Gedanken.

Der Schlüssel zur Inszenierung ist Salomes Tanz (der hier alles andere als ein Tanz ist). Mit Küchentüchern zur zupackenden Hausfrau verwandelt beginnt die Prinzessin, allerlei Südfrüchte zuerst mit gezielten Handkantenschlägen, später unter Zuhilfenahme ihres Gesäßes zu zertrümmern. Zuvor hatte Herodes mit weit herausgestreckter Zunge an einem Apfel geleckt und die vulgär-sexuelle Attitüde festgelegt – Salome greift das (zum Ekel ihrer Mutter Herodias) auf. Weiter mischt sie aus Obstresten und den verfügbaren Lebensmitteln einen klebrigen Teig, mit dem sie sich die Brust beschmiert und, neckisch mit Kirschen bestückt, von Herodes ablecken lässt. Zum Schluss formt sie einen gewaltigen Phallus aus dem Teig – ein insgesamt widerwärtiges Spektakel, dem Frau Thalbach wohl in erster Linie das Buh-Konzert verdankt. In der Tat wagt die Regisseurin in dieser Szene viel, eine Gratwanderung zwischen inszenatorischer Idee und schlechtem Geschmack.


Vergrößerung in neuem Fenster Sexualattacke mit frischem Obst: Nur zu gern lässt sich Herodes auf diese Weise mit frischen Kirschen füttern.

Die englische Komiker-Gruppe Monty Python lehrte uns einst, wie man sich beim Angriffen mit frischem Obst verhalten sollte (Angreifer erschießen, Frucht schnell aufessen); auch von diesem skurrilen Humor liegt etwas in der Luft. Der Apfel als Sinnbild sexueller Obsessionen mag überstrapaziert sein; aber von hier bekommt auch die Verwendung der Küche als Hauptbestandteil des Bühnenbilds ihren Sinn. Auch Assoziationen an filmische Variationen orgiastischer Gelage (etwa Das große Fressen oder Greenaways Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber) stellen sich ein. Was aber wichtiger ist: Man kann in dieser Szene auch erahnen, dass Salome hier ihre eigene Sexualität wahrnimmt – das begründet, warum alles vorangegangene im Grunde belanglos war (und belanglos inszeniert wurde). Ob es rechtfertigt, dass dabei mehr als die Hälfte der Oper und Strauss' außerordentlich konzentrierte Dramaturgie preisgegeben werden, ist eine andere Frage.


Vergrößerung in neuem Fenster Klare Handlungsanweisung: Dieses Werkzeug möge man bitte verwenden, um ihr den Preis fürs Tanzen zu überbringen, scheint Salome Herodes mitteilen zu wollen.

Die abschließende Kuss-Szene, in der das Haupt durch ein blutgetränktes Tuch verdeckt wird, kann man als extrem subjektive Sicht Salomes (jetzt im jungfräulich-weißen Trägerkleid) der eigenen Defloration verstehen – wenn nicht die bis ins Detail naturalistische Erzählweise an vielen anderen Stellen einer solchen Interpretation entgegenstehen würde. Zwar liegen (neben dem Tanz) hier die stärksten Momente der Inszenierung, aber Frau Katharina Thalbach kann sich nicht für einen Schwerpunkt entscheiden. Warum wird Salome am Ende von allen anwesenden – insbesondere auch den Juden, die sie zuvor kaum einmal zu Gesicht bekommen haben – getötet? Offenbar will Frau Thalbach in ihrer Inszenierung jedem ein Deutungsangebot machen. Das mag sozialpädagogisch edel gedacht sein, bleibt aber für eine Inszenierung an einem ambitionierten Haus letztendlich viel zu unbestimmt.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Salome: "Warum sieht mich der Tetrarch so an?" (Camilla Nylund)
(MP3-Datei)

Letztendlich schlägt das auch auf die Musik durch. Markus Stenz dirigiert das gut disponierte Gürzenich-Orchester umsichtig und lässt klangschön musizieren, wobei er eine Betonung der grellen und plakativ „modernen“ Töne, die seinerzeit den Ruf des Komponisten als den eines Bürgerschrecks untermauerten, vermeidet. Dadurch beschneidet er die Partitur allerdings auch ihrer Kanten. Oft klingt die Musik durchdacht, aber vieles bleibt zu weich: Eine Salome in Soft-Version, die wenig mitreißend ist. Dazu tragen auch die Sänger bei. Camilla Nylund hat eine wunderbare, leuchtende Stimme, sauber und kontrolliert geführt in allen Lagen und durchaus mit Reserven – aber es fehlt ihr ein geheimnisvolles, ein dämonisches Moment. So klingt ihre Salome mehr nach der später entstandenen (und sehr viel bürgerlich-restaurativer angelegten) Arabella. Das trifft auch auf den wunderschön sonor gesungenen Jochanaan von Bernd Weikl zu: Jeder Ton ein makelloser Genuss – aber um Leben und Tod geht es hier nicht, eher schon um verwechslungsbedingtes Liebesleid wie in der genannten Arabella. Am besten trifft Josef Protschka als Herodes den hysterischen Ton des frühen Strauss; zwar kontrolliert, aber auch hin und wieder einen „hässlichen“ Klang wagend. Hysterisch überzeichnet und mit mehr Sprache als Gesang gestaltet Dalia Schaechter die Herodias. Wolfgang Bünten als Narraboth ist von der Regie derart vernachlässigt, dass sein (ordentlicher) Gesang weiter keine Rolle spielt. Durchweg gut besetzt sind die kleineren Rollen.


Vergrößerung in neuem Fenster So kommt's dann doch zu einer Art Liebesakt - bei der Premiere allerdings blieb das Haupt des Propheten schön in blutigen Tüchern verpackt.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Tanz der sieben Schleier
(MP3-Datei)

Man kann Salome auch als bürgerliches Kammerspiel auffassen; Katharina Thalbachs Inszenierung deutet das an, indem die Küche auch als Privatraum der Familie Herodes dient. Unter diesem Aspekt hätte auch die entschärfte musikalische Version ihre Berechtigung gehabt – wenn hier musikalische und szenische Interpretation stärker und nachvollziehbarer ineinander greifen würden. So bleibt diese Kölner Salome Stückwerk – mit den unterschiedlichsten Elementen.


FAZIT

Sammelsurium von mehr oder weniger plausiblen Ideen, ohne dass sich das Regieteam für eine als Leitidee der Inszenierung so recht entscheiden mag, und eine allzu friedfertige musikalische Interpretation – das wiegt schwerer als der Beinahe-Skandal des Obstgepansche-Tanzes, über den sich mancher Premierenbesucher ärgerte.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Inszenierung
Katharina Thalbach

Bühne
Momme Röhrbein

Kostüme
Angelika Rieck

Licht
Dirk Sarach-Craig

Dramaturgie
Steffi Turre


Mitglieder des Extra-Chores der Oper Köln
Studenten der Musikhochschule Köln
Einstudierung: Horst Meinardus

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten



Herodes
Josef Protschka

Herodias
Dalia Schaechter

Salome
Camilla Nylund

Jochanaan
Bernd Weikl

Narraboth
Wolfgang Bünten

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