Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Wie wehrt man sich gegen frisches Obst?Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus LefebvreEin Prophet mit langem Bart, eine Salome im Suleika-Look vom Kostüm-Shop nebenan, Soldaten, die in frisch gewaschenen Uniformen hysterisch mit der MP herumfuchteln, als wollten sie Räuber und Gendarm spielen zunächst möchte man glauben, diese Salome-Premiere wäre besser im Kölner Karneval aufgehoben. Was Regisseurin Katharina Thalbach mit Kostümbildnerin Angelika Rieck und Bühnenbildnerin Momme Röhrbein (die eine schicke Designer-Küche in eine primitiv mit Sandsäcken gesicherte Geschützstellung stellt und über allem den Vollmond scheinen lässt) aufbietet, sieht lange Zeit nach einem Kostümball unter dem Motto Palästina einst und jetzt aus und ist ein bunter Assoziations-Cocktail zwischen antiker und heutiger Nahost-Problematik. In fröhlichem Folklorismus hangelt sich das Regie-Team lange Zeit brav und detailgetreu am Libretto entlang, mal in ungefähr historischem Ambiente, mal peppig in die Moderne übersetzt. Vor allem aber immer an der Oberfläche. Toll, so ein Prophet: Was man sonst nur in Bilderbüchern oder verstaubten Operninszenierungen findet, begegnet Salome in ihrer Küche. Ebenso harmlos wie banal lässt Frau Thalbach die Oper dahinplätschern, verzettelt sich mitunter in kleinen Episoden am Rande, bekommt ihre Hauptfiguren aber nicht in den Griff: Merkwürdig spannungslos etwa verläuft die Szene zwischen Salome und Jochanaan. Er schubst sie ein wenig herum (das soll nach zu Boden schmettern aussehen), hilft ihr aber sofort, ganz Kavalier, wieder auf die Beine. An dem opernmuseal zotteligen Propheten mag man ja noch Interesse finden, an der unscheinbaren, keineswegs aufreizend gekleideten Prinzessin wohl kaum. Dass sich Narraboth ihretwegen tötet, nimmt man als überflüssige Randerscheinung zur Kenntnis. Manches wirkt unfreiwillig komisch (etwa wenn alle zusammenzucken, sobald Jochanaan aus seinem Verließ direkt unterhalb des Küchentisches zu singen beginnt). Hier muss die Küchenchefin handeln: Salome denkt blutrünstige Gedanken. Der Schlüssel zur Inszenierung ist Salomes Tanz (der hier alles andere als ein Tanz ist). Mit Küchentüchern zur zupackenden Hausfrau verwandelt beginnt die Prinzessin, allerlei Südfrüchte zuerst mit gezielten Handkantenschlägen, später unter Zuhilfenahme ihres Gesäßes zu zertrümmern. Zuvor hatte Herodes mit weit herausgestreckter Zunge an einem Apfel geleckt und die vulgär-sexuelle Attitüde festgelegt Salome greift das (zum Ekel ihrer Mutter Herodias) auf. Weiter mischt sie aus Obstresten und den verfügbaren Lebensmitteln einen klebrigen Teig, mit dem sie sich die Brust beschmiert und, neckisch mit Kirschen bestückt, von Herodes ablecken lässt. Zum Schluss formt sie einen gewaltigen Phallus aus dem Teig ein insgesamt widerwärtiges Spektakel, dem Frau Thalbach wohl in erster Linie das Buh-Konzert verdankt. In der Tat wagt die Regisseurin in dieser Szene viel, eine Gratwanderung zwischen inszenatorischer Idee und schlechtem Geschmack. Sexualattacke mit frischem Obst: Nur zu gern lässt sich Herodes auf diese Weise mit frischen Kirschen füttern. Die englische Komiker-Gruppe Monty Python lehrte uns einst, wie man sich beim Angriffen mit frischem Obst verhalten sollte (Angreifer erschießen, Frucht schnell aufessen); auch von diesem skurrilen Humor liegt etwas in der Luft. Der Apfel als Sinnbild sexueller Obsessionen mag überstrapaziert sein; aber von hier bekommt auch die Verwendung der Küche als Hauptbestandteil des Bühnenbilds ihren Sinn. Auch Assoziationen an filmische Variationen orgiastischer Gelage (etwa Das große Fressen oder Greenaways Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber) stellen sich ein. Was aber wichtiger ist: Man kann in dieser Szene auch erahnen, dass Salome hier ihre eigene Sexualität wahrnimmt das begründet, warum alles vorangegangene im Grunde belanglos war (und belanglos inszeniert wurde). Ob es rechtfertigt, dass dabei mehr als die Hälfte der Oper und Strauss' außerordentlich konzentrierte Dramaturgie preisgegeben werden, ist eine andere Frage. Klare Handlungsanweisung: Dieses Werkzeug möge man bitte verwenden, um ihr den Preis fürs Tanzen zu überbringen, scheint Salome Herodes mitteilen zu wollen. Die abschließende Kuss-Szene, in der das Haupt durch ein blutgetränktes Tuch verdeckt wird, kann man als extrem subjektive Sicht Salomes (jetzt im jungfräulich-weißen Trägerkleid) der eigenen Defloration verstehen wenn nicht die bis ins Detail naturalistische Erzählweise an vielen anderen Stellen einer solchen Interpretation entgegenstehen würde. Zwar liegen (neben dem Tanz) hier die stärksten Momente der Inszenierung, aber Frau Katharina Thalbach kann sich nicht für einen Schwerpunkt entscheiden. Warum wird Salome am Ende von allen anwesenden insbesondere auch den Juden, die sie zuvor kaum einmal zu Gesicht bekommen haben getötet? Offenbar will Frau Thalbach in ihrer Inszenierung jedem ein Deutungsangebot machen. Das mag sozialpädagogisch edel gedacht sein, bleibt aber für eine Inszenierung an einem ambitionierten Haus letztendlich viel zu unbestimmt. Klangbeispiel: Salome: "Warum sieht mich der Tetrarch so an?" (Camilla Nylund)(MP3-Datei)
Letztendlich schlägt das auch auf die Musik durch. Markus Stenz dirigiert das gut disponierte Gürzenich-Orchester umsichtig und lässt klangschön musizieren, wobei er eine Betonung der grellen und plakativ modernen Töne, die seinerzeit den Ruf des Komponisten als den eines Bürgerschrecks untermauerten, vermeidet. Dadurch beschneidet er die Partitur allerdings auch ihrer Kanten. Oft klingt die Musik durchdacht, aber vieles bleibt zu weich: Eine Salome in Soft-Version, die wenig mitreißend ist. Dazu tragen auch die Sänger bei. Camilla Nylund hat eine wunderbare, leuchtende Stimme, sauber und kontrolliert geführt in allen Lagen und durchaus mit Reserven aber es fehlt ihr ein geheimnisvolles, ein dämonisches Moment. So klingt ihre Salome mehr nach der später entstandenen (und sehr viel bürgerlich-restaurativer angelegten) Arabella. Das trifft auch auf den wunderschön sonor gesungenen Jochanaan von Bernd Weikl zu: Jeder Ton ein makelloser Genuss aber um Leben und Tod geht es hier nicht, eher schon um verwechslungsbedingtes Liebesleid wie in der genannten Arabella. Am besten trifft Josef Protschka als Herodes den hysterischen Ton des frühen Strauss; zwar kontrolliert, aber auch hin und wieder einen hässlichen Klang wagend. Hysterisch überzeichnet und mit mehr Sprache als Gesang gestaltet Dalia Schaechter die Herodias. Wolfgang Bünten als Narraboth ist von der Regie derart vernachlässigt, dass sein (ordentlicher) Gesang weiter keine Rolle spielt. Durchweg gut besetzt sind die kleineren Rollen.
So kommt's dann doch zu einer Art Liebesakt - bei der Premiere allerdings blieb das Haupt des Propheten schön in blutigen Tüchern verpackt.
Man kann Salome auch als bürgerliches Kammerspiel auffassen; Katharina Thalbachs Inszenierung deutet das an, indem die Küche auch als Privatraum der Familie Herodes dient. Unter diesem Aspekt hätte auch die entschärfte musikalische Version ihre Berechtigung gehabt wenn hier musikalische und szenische Interpretation stärker und nachvollziehbarer ineinander greifen würden. So bleibt diese Kölner Salome Stückwerk mit den unterschiedlichsten Elementen.
Sammelsurium von mehr oder weniger plausiblen Ideen, ohne dass sich das Regieteam für eine als Leitidee der Inszenierung so recht entscheiden mag, und eine allzu friedfertige musikalische Interpretation das wiegt schwerer als der Beinahe-Skandal des Obstgepansche-Tanzes, über den sich mancher Premierenbesucher ärgerte.
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten
Herodes
Herodias
Salome
Jochanaan
Narraboth
Ein Page
1. Jude
2. Jude
3. Jude
4. Jude
5. Jude
1. Nazarener
2. Nazarener
1. Soldat
2. Soldat
Ein Cappadocier
Ein Sklave
|
- Fine -