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Goldrauschengel
Von Christoph Wurzel / Fotos von Jacqueline Krause-Burberg (Karlsruhe)
Erstes Bild: Goldgräbermine. Braun-staubiges Ambiente. Ein Steifbeiniger teilt Essen aus einem Bottich für die müden Arbeiter aus, die sich auf dem felsigen Boden oder auf Pritschen an der Seite erschöpft niederlassen. Kein Wunder, dass da Heimweh aufkommt. Einer singt davon: "Mein Vaterhaus am stillen Bache, werd ich dich jemals wiedersehn?". Ein anderer wird vom heulenden Elend gepackt, hält es nicht mehr aus, kann "kein Goldgestein mehr sehen", will gleich in die Heimat zurück. Die Männer kratzen ein paar Dollars für ihn zusammen und betäuben ihr Gefühl mit Schnaps. Im Vordergrund sieht man eine junge Frau, vor einem Sofa kauernd schreibt sie Tagebuch. Zwei Puppen deuten ihre Wünsche an. Im Hintergrund schlägt die latente Aggression der Männer in ein gefährliches Gerangel um. Fast wird einer abgestochen. Diese Abenteurer sind schon arm dran: harte Arbeit, keine Frauen, alles grau in grau. Traum einer kleiner Kellnerin vom großen Liebesglück:Barbara Schneider-Hofstetter als Minnie
Letztes Bild: Minnie hat ihren Traummann endlich gewonnen. Zweimal hat sie hart gekämpft: das erste Mal mit Tricks (beim Pokern), das zweite Mal hat sie durch fromme Überredung den geliebten Gangster Ramerrez alias Johnson vor der Lynchjustiz der Männer gerettet. Mit ihm schreitet sie nun ins Off ("Ade, mein Kalifornien!") und im hellen Spotlight leuchtet die Zukunft hervor - während im Bühnenraum die Goldgräber im dunkelblauen Nichts der rauen Wirklichkeit verschwinden. Klangbeispiel: (Finale)(MP3-Datei)
Ein Happy End also? Sicher für den Räuber Ramerrez, der immerhin dem Galgen entkommen ist. Vielleicht für die Protagonistin, die hier aber einer ziemlich ungewissen Zukunft entgegengeht. Sicher nicht für die Goldgräber, deren Engel hier gerade entschwebt. Ein problematisches Ende also einer problematischen Opernhandlung. Zwischen der sentimentalen Sozialromantik des Beginns und der widersinnig heilen Welt des Schlusses liegt ein ziemlich kruder Plot, eine durch und durch widersprüchliche Kolportage, eine Geschichte, die das Triviale nicht nur streift, sondern direkt aus dem Stoff gemacht ist, den billige Western sonst über die Leinwand transportieren - eine richtige drei-Groschen-Oper eben: eine kleine Kellnerin verliebt sich ausgerechnet in den verzweifelt gesuchten Gangster, der just die Erträge der harten Arbeit der Goldschürfer rauben will, das Geld, das sie in ihrer Kammer verwahrt.
Angeblich war dieser Uraufführungserfolg ( mit Emmy Destinn und Enrico Caruso unter Toscaninis Leitung) Puccinis liebste Oper, seine beste sicher nicht - jedenfalls, wenn man das Libretto betrachtet.
Wie dem auch sei- den Komponisten (der auch weitgehend Librettist dieser Oper war) kann man heute nicht mehr auf die Analytikercouch legen. Ein Regisseur und Dramaturg könnte dagegen schon mit einem solchen Werk kritisch umgehen, dessen Widersprüche freilegen und entschlüsseln und die Oper sinnerhellend auf die Bühne bringen.
Die Schöne und der Schurke:
Die Personen haben zumeist klares Profil, wenn es auch zu eindimensional angelegt ist. Das geht bei bei dem eindeutigen Charakter des Sheriff Rance auch auf. Er hat ein Auge auf Minnie geworfen, blitzt aber mit seinen gewaltsamen Annäherungsversuchen bei ihr ab ("Liebe ist etwas anderes."). Viel Mühe gibt sich Walter Donati dabei, einen echten Bösewicht zu mimen, wenn es offensichtlich auch nicht zu seinen täglichen Beschäftigungen gehört, mit dem Revolver zu fuchteln. Dafür singt er die Rolle dieses Scarpia im Westernverschnitt ganz passabel und bringt mit scharfem Bariton eine Farbe von Zwielichtigkeit in das Geschehen; denn einerseits soll er der Hüter des Gesetzes sein, andererseits heizt er die Lynchjustiz ganz kräftig an. Johnson/Ramerrez (Mauro Nicoletti, Mitte), der argwöhnische Sheriff Rance (Walter Donati, links) und Minnie (Barbara Schneider-Hofstetter).
Uwe Sandner widmet sich mit viel Elan der farbenreichen Partitur Puccinis. Mit viel Liebe zum Detail lässt er den zahlreichen Facetten des Orchesterklangs viel Raum, bringt die vielen solistischen Valeurs im Orchester schön zur Geltung. Man hört die feinsten Nuancen von den hervorragend disponierten Bläsern bis zum leise singenden Vibrafon auf das Genaueste. Und diskret im Hintergrund vermag der Dirigent zu halten, wenn Puccinis Musik an manchen simplen Stellen auch die Grenze zum Kitsch berührt.
Bei allem Engagement der Beteiligten ist das Unternehmen nur teilweise geglückt. Puccinis Westernspektakel kann wörtlich genommen auf der Bühne wenig überzeugen. Ein bisschen mehr Regietheater dürfte es in diesem Falle halt schon sein. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Chor
SolistenMinnieBarbara Schneider-Hofstetter
Dick Johnson (Ramerrez)
Jack Rance, Sheriff
Nick, Kellner
Ashby, Agent einer
Jack Wallace, Bänkelsänger
Goldgräber:
Sonora
Trin
Sid
Bello
Harry
Joe
Happy
Larkens
Billy Jackrabbit, Indianer
Wowkle, Indianerin,
José Castro,
Postillon
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