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Kotau vor dem arroganten Amerikaner
Von Christoph Wurzel / Fotos von Jacqueline Krause-Burberg (Karlsruhe)
"America forever" - in der anmaßender Pose dessen, der seine Kultur ohnehin für überlegen hält, betritt der US- Offizier Linkerton japanischen Opernboden. Was er als fremde Kultur vorfindet, bleibt ihm letztlich unverständlich. Er sucht nur die Zerstreuung und den Genuss. Gnadenlos ist seine imperialistische Hybris, die sich alles und jeden untertan zu machen sucht und schließlich vor der sexuellen Ausbeutung nicht halt macht. Regelrecht erschütternd wirkt da der Kotau der japanischen Gesellschaft als Geste der Ehrerbietung vor einem Fremden, welche dieser im Traum nicht zu würdigen weiß. Entsetzen schließlich verbreiten die fundamentalistisch anmutenden Verwandten der Chi-Chio-San, wenn sie die Glaubensabtrünnige fanatisch verdammen.
Del Monaco hatte die Handlung in Inszenierungen der siebziger Jahre in Dortmund und Mainz in den Vietnamkrieg verlegt und sich damals überhaupt als einer der Vorreiter des Regietheaters profiliert. Die Inszenierung für das Badische Staatstheater hatte er 1989 aber bewusst nicht aktualisiert, sondern wollte die Handlung für sich sprechen lassen, gleichwohl aber das seiner Meinung nach als kitschiges Rührstück missverstandene Werk in der schockierenden Realistik zeigen, in der darin unterschiedliche Kulturen aufeinander prallen.
Anjara Ingrid Bartz (vorn) als Suzuki und
Tatsächlich enthält sich die Inszenierung jeglicher Sentimentalität. Die Chio-Chio-San von Barbara Dobrzanska ist alles andere als eine süßlich trippelnde Geisha, sondern vom ersten Auftritt an eine junge Frau, die sich ihres eigenen Wertes und ihrer Entscheidungen bewusst und sicher ist. Barbara Dobrzanska ist augenblicklich im Karlsruher Ensemble die schlechthin ideale Besetzung für derart lyrisch-dramatische Rollen, was sie auch als Margarete im Mefistofele bewiesen hat. Bei ihrem Debut als Butterfly konnte sie denn auch zurecht Ovationen ernten. Sie schwang sich zu schönster Puccini-Emphase auf, ohne sich kitschig klein zu machen, sondern kehrte die stolze Heldin ihrer Kultur heraus und starb einen würdigen Operntod als Überlegene und Tragödin. Ihr vokaler Ausdruck war beeindruckend, ihre stimmliche Pracht hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Als ihr zweifelhafter Partner ist Mauro Nicoletti in der Rolle des Pinkerton alles andere als ein Sympathieträger. Im Spiel beglaubigt er das Regiekonzept überzeugend. Und gesanglich kann er gut mithalten. Auch er knüpft an den Erfolg in Boitos Mefistofele nahtlos an. War er in Puccinis Fanciulla del West von der Regie ziemlich vernachlässigt worden, so gelingt ihm hier überzeugend ein abgerundetes Rollenprofil. Anjara Ingrid Bartz als Suzuki undBarbara Dobrzanska als Chio-Chio-San.
Markante Kontur gibt Anjara Ingrid Bartz der Suzuki, Butterflys Dienerin. Als hintertrieben opportunistischer Heiratsvermittler schleicht Hans-Jörg Weinschenk über die Szene, einmal mehr wieder mit lebendigem Spieltalent und stimmlich gut präsentiert. Etwas blass dagegen bleibt Tero Hannula als amerikanischer Konsul - Außenpolitik bleibt offenbar ganz kleinlaut angesichts der unverhüllten Machtinteressen. Als Fürst Yamadori verleiht Günter Nowak der Szene glanzvolle Würde. Eine eher heitere, leichte Szenerie hat Michael Scott aus ein paar Bambuspodesten gebaut mit einem kleinen Pavillion in der Mitte. Ein blühender Kirschbaum sorgt für eine Stimmung von natürlicher Anmutigkeit, in der das freche Eindringen des plumpen Yankees nur umso bedrückender wirkt. Am Schluss hat er dann auch nichts anderes zu tun, als sein Kind an sich zu reißen, während er vor der sterbenden Chio-Chio-San angstvoll zurückweicht. Zu dem starken Eindruck der Ergriffenheit, der von dieser Produktion ausgeht, trägt die musikalische Seite nicht unwesentlich bei. Anthony Bramall nimmt die Partitur von ihrer hochdramatischen Seite. Zugleich stellt er besonders im ersten Akt den ausgeprägten Parlandoton der Musik heraus. Transparent kommen die Einzelstimmen zu ihrem Recht und die instrumentale Farbigkeit wird aufmerksam ausgespielt. Selbst der wegen seiner kompositorischen Dürftigkeit problematische Summchor zwischen dem 2. und 3. Akt wird innerhalb dieser auf musikalischen Realismus angelegten Auffassung erträglich. Man konnte die Badische Staatskapelle an diesem Abend von ihrer allerbesten Seite erleben.
Es hat sich gelohnt, diese alte Produktion zu recyceln. Neu aufpoliert zeigt sie sich in erstaunlicher Frische, weil die Regie eben stimmt. Nach Mefistofele und Rheingold kann sich Karlsruhe einmal mehr mit einer "naturreinen" Inszenierung profilieren, die auch ohne alle Regietheater-Zutaten auskommt und dennoch spannendes Musiktheater ist. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Szenische Neueinstudierung
Nach einer Inszenierung von
Bühnenbild und Kostüme
Choreinstudierung
SolistenCio-Cio-San,genannt Butterfly Barbara Dobrzanska
Suzuki,
B. F. Pinkerton,
Kate Pinkerton,
Sharpless,
Goro
Fürst Yamadori
Onkel Bonze
Yakusidé,
Der kaiserliche Kommissar
Der Standesbeamte
Die Mutter Cio-Cio-Sans
Die Tante
Die Cousine
Das Kind
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