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Jenufa
Oper in drei Akten
Musik und Text von Leos Janacek
nach dem Theaterstück Jeji Pastorkyna
von Gabriela Preissova


In tschechischer Sprache mit französischen und flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (zwei Pausen)

Premiere im Théâtre Royal de Liège
am 18. Februar 2005

Besuchte Aufführung:
26. Februar 2005

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Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Gelungene Reprise

Von Thomas Tillmann / Fotos von der Opéra Royal de Wallonie


Bereits im Februar 1999 war Friedrich Meyer-Oertels werkdienliche, den schmalen Grad zwischen traditioneller und psychologischer Werksicht souverän beschreitende und vor allem durch starke Bilder und eine klare, einfühlsame Personenregie bestimmte Inszenierung der Jenufa im Théâtre Royal zur Aufführung gekommen (es handelt sich um eine ursprünglich in Darmstadt gezeigte Produktion, die wiederum stark an die Wuppertaler Inszenierung des Regisseurs erinnert, der im Sommer des letzten Jahres sein Amt als Operndirektor in Darmstadt aufgegeben hat), aber man wurde den Eindruck nicht los, dass die Einstudierung diesmal noch sorgfältiger und die Arbeit mit den Mitwirkenden noch intensiver war als vor sechs Jahren (dies gilt in gleichem Maße auch für die Kollektive, deren Szenen präzis durchchoreografiert wirken). Besonders gut erinnert man sich an Heidruns Schmelzers Bühne, die dominiert wird von hügeligen Kornfeldern, die Hans Haas zunächst wunderbar warm beleuchtet, später von einem imposanten Flachdach, das bedrohlich die Wohnung der Küsterin begrenzt und durch das im weiteren Verlauf kalt das Licht des Mondes dringt, schließlich von den umgestoßenen Möbeln der Hochzeitstafel und zertrampelten Blumen, die das Chaos illustrieren, in dem das beklemmende Werk endet. Auf ein richtiges happy end wartet der Zuschauer vergeblich: Zwar rauft sich das Paar zusammen, aber Laca zieht Jenufa so heftig in den Bühnenhintergrund fort, dass man kommendes Unglück antizipiert. Großen Anteil an dem starken Eindruck, den dieser Abend hinterlässt, haben auch die von Folklore inspirierten Kostüme, namentlich die in vielerlei Blautönen gestalteten Kleider der Dorfbevölkerung (ein toller Kontrast zum Gelb der Hügel!) und vor allem die edlen Hochzeitsroben in dunklen Rot- und Violetttönen.

Vergrößerung Während die Küsterin den kleinen Steva tötet, betet Jenufa (Helena Kaupova) zur Jungfrau Maria.

Friedrich Pleyer, Lüttichs routinierter musikalischer Chef, hat zweifellos eine besondere Affinität zu Janaceks eigenwilliger Tonsprache, die in seiner Interpretation freilich weniger "modern", aggressiv oder schroff klingt, sondern herrlich melancholisch, beinahe spätromantisch und fast ein bisschen zu süffig, zu schön, herrlich ausgelassen in den Ensembleszenen des ersten Aktes, von enormer, mehr und mehr sich steigernder Spannung bestimmt in den großen Auseinandersetzungen des zweiten, ausladend breit und bewegend am Ende des letzten.

Eine Entdeckung war für mich Helena Kaupova in der Titelpartie. Die Tschechin, die am Prager Nationaltheater bereits Partien wie die Gräfin im Figaro, Donna Anna, Mimì, Tatjana und Lisa (in Pique Dame) sowie Marenka (Die verkaufte Braut) und die Titelpartie in Rusalka übernommen hat und sich auch zunehmend international einen Namen macht (in Toronto etwa war sie an der Seite von Ben Heppner die Nedda), überzeugte nicht nur durch die natürlich idiomatische Diktion, sondern auch dank ihres runden, femininen, in der Höhe einige Kraft entfaltenden, aber auch in Mittellage und Tiefe über die gebotene Kraft verfügenden Sopran, und mit größerer Erfahrung wird es ihr sicher auch gelingen, noch an darstellerischer Intensität zu gewinnen.

Vergrößerung

Die verstörte Küsterin (Martine Surais, sitzend) und ihre Ziehtochter Jenufa (Helena Kaupova, unten) am Tag der Hochzeit

Martine Surais hat in Liège (und nicht nur beim Publikum!) größere Fans als den Rezensenten, der ihre schlimme Fricka im Rheingold und in der Walküre nicht so schnell vergessen kann (und nicht versteht, warum sie sie in den zyklischen Aufführungen des nächsten Herbstes wieder singen darf). Als Kostelnicka allerdings präsentierte sie sich wie damals den nicht geringen Anforderungen durchaus gewachsen (was etwa die ansonsten hoch verehrte Martha Mödl in dem berühmten Mitschnitt aus Wien des Jahres 1964 keineswegs tut, den ich wegen der sensationellen Sena Jurinac in der Titelpartie so liebe!), auch wenn man natürlich nicht überhören kann, wie stumpf ihr Mezzosopran inzwischen klingt, wie ausladend das Vibrato ist und wie unschön die Register auseinander klaffen, und auch szenisch lässt hier vieles an Stummfilmzeiten denken. Mehr als bedeutende Stimmreste hat die verdiente Mady Urbain für die Alte Buryja, aus der andere freilich schauspielerisch mehr gemacht haben (ich denke etwa an Pauline Tinsley vor einigen Jahren in Amsterdam).

Vergrößerung Groß ist das Entsetzen über die Tat der Küsterin (Martine Surais, vorne links) bei Jenufa, Laca, der alten Buryja und der Dorfbevölkerung (von links nach rechts: Helena Kaupova, Gary Rideout, Mady Urbain, Ensemble und Chöre der Opéra Royal de Wallonie).

Gary Rideout, Valery Gergievs Siegfried an der Kirov Oper (den jüngeren der beiden hat er auch gerade in Adelaide gesungen, während er in der Neuproduktion des Ring in Washington als Mime besetzt ist), besitzt vielleicht nicht die individuellste und schönste Stimme, weiß sie aber differenziert einzusetzen, was sich nicht zuletzt in vielen zarten Pianotönen niederschlägt, die von Anfang an suggerieren, dass Laca zwar nach außen hin ein grober, ungehobelter Klotz ist, aber einen sehr weichen Kern und große Güte in sich hat. Ganz ohne Druck gelingt die Tonproduktion in den dramatischeren Passagen allerdings nicht, was fragen lässt, ob Heldentenorpartien nicht doch eine Überforderung darstellen. Ein engagierter, sehr präsenter Darsteller ist der Amerikaner aber in jedem Fall, der vielleicht auch deshalb deutlich mehr Applaus erhielt als James McLean als Vaurien Steva, den man in der Tat schon strahlender und damit verführerischer gesungen gehört hat. Autoritäten waren daneben der Altgesell von Léonard Graus und der Richter von Patrick Delcour, der eine munter plappernde Tochter und eine blasierte Frau hat, die von Natacha Kowalski und Christine Solhosse präzis interpretiert werden, und auch Sophie Haudebourgs heller, etwas scharfer Jano verdient Erwähnung.



FAZIT

Auch wenn nicht so viele Zuschauer kommen wie bei Carmen und Rigoletto, so kann man die Verantwortlichen nur immer wieder ermuntern, wenigstens hin und wieder auch Randbereiche des Repertoires zu durchforsten, zu denen die Opern Janaceks in Liège zweifellos noch gehören.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Friedrich Pleyer

Inszenierung
Friedrich Meyer-Oertel

Ausstattung
Heidrun Schmelzer

Licht
Hans Haas

Choreinstudierung
Edouard Rasquin

Koproduktion mit der
Opéra National de Montpellier



Chöre und
Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten



Jenufa
Helena Kaupova

Kostelnicka
Martine Surais

Buryja
Mady Urbain

Karolka
Natacha Kowalski

Jano
Sophie Haudebourg

Barena
Julie Mossay

Rychtarka
Christine Solhosse

Pastuchyna
Laura Balidemaj

Tante
Anne Seghers

Magd
Paulette Bauer

Laca Klemen
Gary Rideout

Steva Buryja
James McLean

Starek
Léonard Graus

Rychtar
Patrick Delcour

Knecht
Marc Tissons



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



Da capo al Fine

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