Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Wehe, wenn sie losgelassen!
Von Claus Huth
/
Fotos von Klaus Baqué Nichts gegen Operetten.
Wirklich nicht. Es gibt eine Reihe exzellenter
Werke dieser Gattung, die man gerne und zu Unrecht abschätzig
betrachtet. Viele Annäherungsversuche in der letzten Zeit haben
gezeigt, dass dieses Genre uns heute noch etwas zu sagen hat. Auch am
Saarländischen Staatstheater hat es in den letzten Jahren eine
Reihe kluger, lustiger, provokanter, manchmal auch
albern-selbstironischer Operetteninszenierungen gegeben. Warum nur hat man für die „Operettengala“, die das Staatstheater nun als zweite Musiktheaterproduktion nach der großartigen „Intolleranza 1960“ nun auf jedes, aber wirklich jedes Klischee zurückgegriffen, das der Operette anhängt? Auch auf die Gefahr hin, als Spaßbremse und Spielverderber verschrien zu werden: Muss diese so offenbar künstliche Glanz- und Glitterwelt, die da aufgebaut ist, sein? Ist das wirklich eine so ernste Sache oder gehört auch immer eine gehörige Portion Humor und Selbstironie dazu? Raumhoch wallen rote Vorhänge, eine Chaiselongue steht vor dem auf der Bühne platzierten Orchester, die Bühne wird im Hintergrund durch ein Prospekt, das die Ränge eines alten Theaters zeigt, begrenzt. Die Sängerinnen und Sänger tragen natürlich Abendgarderobe: Tief ausgeschnittene und nicht immer ansehnliche Kleider die Damen, Anzug, Smoking und Fliege die Herren. Kaum sind 10 Minuten vergangen, da wandert die erste Sängerinnenhand dramatisch ans Herz. Kurz darauf sinkt die erste Dame ermattet auf die Chaiselongue. Hände werden punktgenau zum Orchesterschluss in den Himmel gereckt: Divengehabe, Starposen werden reihenweise geübt. Hat diese Sänger jemand geführt für den Abend? Einen Regisseur nennt das Programmheft nicht – so sieht es aber auch aus. Wenn man es wenigstens geschafft hätte, all dieses verbildlichte Klischee soweit zu treiben, dass es als Selbstironie schon wieder komisch gewesen wäre! Das gelingt von allen nur dem eingesprungenen Rudolf Schasching und Stefanie Krahnenfeld – die anderen üben Pose und sehen dabei doch so ernst und angestrengt drein. Dabei wird keineswegs schlecht gesungen: Mit wenigen Ausnahmen eine hervorragende musikalische Visitenkarte des Ensembles. Ob Rudolf Schaschings imponierender Tenor „Dein ist mein ganzes Herz“ schmettert, ob Manou Walesch als Orlofsky auftritt, ob Stefanie Krahnenfelds agiler Sopran als Adele „Mein Herr Marquis“ intoniert, ob Barbara Gilbert sich innig fragt „Was in der Welt geschieht“ – da kann man nichts dran aussetzen. Lediglich Oxana Arkaeva greift für das „Hör ich Zigeunergeigen“ aus Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“ deutlich zu tief in den vokale Farbkasten, orgelt unschön durch das Stück. Dass sie dafür allerdings den allermeisten Applaus einstrich, zeigt auch, dass es eher auf die Pose als auf gelungenen und geschmackvollen Gesang ankommt. Das Staatsorchester spielt unter Michele Carulli sicher auf, die spätromantisch kolorierten Stücke eines Kálmán oder Léhar gelingen allerdings besser als jene von Johann Strauß oder Carl Zeller, in denen gerade das Blech und das Schlagwerk manchmal eher nach Volksfest als nach Gala klingen. Über den Opernchor (Einstudierung: Andrew Ollivant) zu urteilen, verbietet sich, da man die Damen und Herren wegen ihre akustisch ungünstigen Position schlichtweg kaum vernimmt. Dafür können die Choristen wenig: Dass sie singen, sieht man – indes, man lauscht vergeblich. Die Programmauswahl des Abends ist nicht eben das, was man phantasiereich nennen will. Es gibt genau die Stücke, die man erwartet, und das gefällt dem Publikum so ausgezeichnet, dass es begeistert mitgeht. Nichts dagegen. Aber dass selbst die bemüht „witzige“ (und dabei humorlose) Moderation von Operndirektor Matthias Kaiser (der sich gleich zu Beginn peinlicherweise quasi dafür entschuldigt, dass man seit einer Woche „Intolleranza 1960“ spielt), reichlich von Gelächter und Applaus unterbrochen wird, nun ja. Es passt zu diesem im ganzen fantasielosen Abend, an dem nach Herzenslust und leider oft bierernst einfach nur eines wird: Changiert.
„Chacun à son goût“ – gewiss. Aber ein ganzer Abend in dieser kitschigen Glitzerwelt, als welche die Operette hier noch gezeigt wird, ist schwer auszuhalten. Jedenfalls für den Rezensenten. Wer’s mag, mag hingehen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische
Leitung Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der PremiereTenor Rupprecht Braun*, Algirdas Drevrinskas, Rudolf Schasching* Sopran Mezzosopran Bariton Bass
|
- Fine -