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Musiktheater
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Black influence

Choreographien von Young-Soon Hue, Paul Haze, Fernando Melo und Petr Zuska

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Uraufführung im RheinOperMobil Düsseldorf am 2. Juni 2006



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Deutsche Oper am Rhein
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Mitreißendes Tanztheater

Von Peter Bilsing / Fotos von Eduard Straub
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Ampelfieber

Ziemlich freie Hand ließ DOR-Ballettgeneralissimus Youri Vamos seinen vier ausgesuchten Choreografen für diese in Auftrag gegebenen Uraufführungen. „Der rote Faden, der die vier Choreografien verbinden soll, ist die Musik.“ So der Ballettchef und verspricht kühn und selbstbewusst gleich vorweg: „erfrischend jugendliche Unterhaltung.“ Wahrlich keine leeren Worte, quod erat demonstrandum. Was allerdings die ältere Generation nicht schrecken sollte: der Abend lohnt...auch eine weitere Anfahrt. (Direkt nebenan ist ein riesiges Parkhaus – 4 Euro!)

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Wenn das, durchaus gelungene, Notquartier der Rheinoper namens ROM (Rhein-Oper-Mobil zwischen Landtag und Fernsehturm positioniert und in der Erde festgemauert) bis in die Grundmetallfesten des zirkusähnlichen Baues erschüttert wird, liegt es nicht nur an der wilden und recht lauten (man glaubt gelegentlich mitten in einem riesigen Disko-Lautsprecher zu sitzen) aber gelungenen Begleitmusik von Jazz über Pop bis zu Hiphop, sondern auch am geradezu furiosen Beifall und Zustimmungstrampeln des überwiegend jungen Publikums; durchsetzt an diesem Premierenabend vom „Who-is-Who“ der internationalen Tanzszene. Ich habe selten ein so konzentriert und aufmerksames Publikum erlebt wie gestern Abend. Wenn die Musik z.B. bei Fernando Melos Stück minutenlang in der Stille verharrt, hört man kein Husten, kein Papierrascheln, nicht mal ein Räuspern im Auditorium.... Allein eine solch prachtvolle Zuhörerschaft hat schon 5 Sterne verdient. Wann werden wir so wunderbar auf die Kunst konzentrierte Theaterbesucher je auch einmal in der guten alten „Tante Oper“ erleben dürfen. Mein erstes „Bravo“ gilt diesem wirklich tollen und begeisterungsfähigen Publikum!

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Elements

Dieser positiven Pauschalwürdigung folgt nun der Versuch einer differenzierten Betrachtung in der Reihenfolge der Aufführungs-Chronologie der vier je knapp halbstündigen Stücke: Zunächst Ampelfieber der jungen (bildhübschen!) Koreanerin Young-Soon-Hue, die ihre Tanzkarriere bei Forsythe in Frankfurt begann, danach mit dem schon legendären (leider viel zu früh verstorbenen Genius) Uwe Scholz zusammenarbeitete, bevor sie über das Zürcher Ballett mit Heinz Spoerli den Weg zu Vamos an die Rheinoper fand. Mit ihrer ersten Rheinopern-Arbeit „Alles Balletti“ hatte sie bereits 2004 die DOR-Ballettfreunde begeistert.
Heuer nun geht es ihr um die Beobachtung des „alltäglichen Wahnsinns“ in einer Großstand. Auf den Straßen und Gehwegen (zwischen zwei realen Ampeln und im Zeitsprung eines Handygesprächs) zeigt sie uns Menschen aller Couleur; wuselnde Einkaufkunden, die gerade aus dem Walmart-Supermarkt inklusive Originaleinkaufswagen zu kommen scheinen, hiphoppe Streetdancer einer imaginären Freiluftparty konterkariert mit dem paramilitärischen Bewegungsritus des klassischen Wallstreetbankers, den Aktenkoffer stets fest in der Hand. Es fehlt auch nicht der betrunkene Autofahrer, der sein Gefährt gerade fröhlich zerlegt hat. In dieser „Street-Scene“ begegnen sich die unterschiedlichsten Schichten, tanzen in einem Konglomerat irrer Bewegungsmuster und ausziseliert choreographierter Linien, welches nur durch die wechselnden Ampelsignale einigermaßen diszipliniert und reguliert werden.
Dröhnende Musik von Aphex Twin, James Brown, Kodo, Manfred Leuchter und Yellow begleitet – stilvoll ausgewählt ! – das Ambiente. Die bunte Kostümvielfalt gestaltete Danielle Laurent passend und treffend - eine Freude fürs Auge. Young-Soon-Hue choreographiert nicht nur mit Herz und Sympathie, sondern auch mit augenzwinkerndem Humor und Spaß diesen alltäglichen Großstadtreigen. Den Tänzerinnen/ern wird viel abverlangt in diesen stellenweise recht kraftvoll und athletisch schwierigen Ensembles, aber es macht sichtlich allen Spaß und der grandiose Beifall des enthusiasmierten Publikums ist verdienter und gerechter Lohn zugleich. Welch ein bravouröser Auftakt. Vier Sterne !

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Elements von Tanzikone Paul Haze ist ein durchaus gelungener Kontrast zur vorausgegangenen Wirbelwind-Choreographie. Auch musikalisch geht es anders zur Sache - strukturierter und minimalistischer. In der eigenes für dieses Ballett komponierten Uraufführungs-Musik vom studierten Percussionisten Knuth Jerxen überwiegt die Elektronik, durchpflügt und motiviert geradezu den Rhythmus und die Bewegungsnuancen von Hazes afrikanisch und archaisch orientierter Tanzsprache. Sein Ballett-Titel definiert sich als tänzerische Orientierung an den vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. So übernehmen die Tänzer die fließende Bewegung des Wassers oder reflektieren die flammende Hölle im Inneren der Seele. Luft und Erde symbolisieren die unterschiedlichen Individuen von Mann und Frau. Der Mann ist flirrend, wie die Luft, nie greifbar und nie am selben Ort verharrend, während er die Frau fest an die Erde bindet, bodenständig auf Stühle verbannt.
Doch Eine bricht aus, löst sich von dem knebelnden Stuhlreigen und bezaubert uns mit einem wunderbaren Solo. Janine Koertge erhebt dieses im Gesamtspektrum doch ansonsten recht bieder wirkende Ballett zum stellenweisen Kunstgenuss – leider das einzig wirkliche Highlight dieser mit Abstand schwächsten Choreografie des Abends, wobei, was noch zu erwähnen wäre, daß die sterile Ästhetik der Kostümeinfalt eher zur Schießer-Unterwäsche-Werbung paßt. Scheußlich. Na wenn´ s gefällt... Tadellose Tänzerleistung. 3 Sterne für das tolle Solo!

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Kommen und gehen, manchmal bleiben

Kommen und gehen, manchmal bleiben ist der bezeichnende Titel der Choreographie von Fernando Melo. Er entführt uns in eine atemberaubende Szenerie zwischen Licht und Schatten, zwischen Musik und Stille, sowie Realität und Traum; fragmentarische Bilder, die häufig den Stilelementen eines Licht-Schatten-Theaters folgen, reihen sich zu einer Kette von Auf- und Abblendungen quasi filmischer Betrachtungsweise – zeitlupenhafte Bewegungen gefrieren öfter zu Standbildern.
„Melo setzt auf das Atmosphärische des Stücks, die modernen Tanzstrukturen erfordern moderne Musik. Elektrische Rhythmen, Geräusche, Vibration: etwas passiert, Atmosphäre entsteht. Zuschauer und Tänzer lassen sich von der Musik leiten, lassen sich auf sie ein“
Soweit die Programmheftkurzanalyse. Und tatsächlich werden wir von einer inneren Spannung erfasst, die – wie anfangs bereits angedeutet – die symbolische Stecknadel fallen hören ließe. Man hält den Atem an und weiß eigentlich gar nicht genau warum. Ist es die optische Perspektive, die scheinbare Metaphysik der Bewegungen oder die fantastische Musik von ALVA NOTO? Oder ist es die Synthese dieser Elemente, die solch ein Gesamtkunstwerk ausmachen? Der Funke springt über aufs Publikum, das in diesem am Globe-Theater orientierten Bau, der Show-Bühne doch recht nahe – fast zum Greifen nahe ! - sitzt (auch auf den billigen Plätzen). Raffinierte Kostüme (Markus Pysall) ergänzen das wundervolle Gesamtbild. 5 Sterne für dieses tänzerische Meisterwerk und ein „Bravi“ den superben Solisten. Jubelstürme - zurecht ! – beim Publikum.

Vergrößerung Kommen und gehen, manchmal bleiben

Kann modernes Ballett faszinierender sein? Es kann... wie der noch ausstehende folgende absolute Höhepunkt des Abends beweisen wird. Das Beste zum Schluß – perfekte Platzierung! - A little extrem von Petr Zuska.

„Unser Leben ist für gewöhnlich voll von vielen kleinen Extremen. Laßt uns noch einen Schritt weitergehen und unter den Vorzeichen von bizarrer Absurdität und schwarzem Humor mit unseren Erfahrungen, Gefühlen, Emotionen und Assoziationen spielen und jonglieren... Es kann alles auf den Kopf gestellt werden und nichts ist, wie es scheint... Seid Ihr ängstlich, oder ist es nur ein lustiges, albernes Spiel... Oder nicht?“ (P. Zuska)

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A little extrem

Soweit und zur Einführung Petr Zuska, seit 2002 Ballettdirektor und Chefchoreograph des Prager Nationaltheaters. Mehr zum Inhalt dieses sensationellen, kafkaesken Balletts zu sagen, in dem ein großer roter Teddybär, diverse betonähnliche Quader, Pistolen und eine zarte Frauenstimme die Handlung dominieren, wäre so bösartig und unentschuldbar wie das Ende eines mehrteiligen Psychokrimis schon vorher zu enthüllen.
Welch brillantes, stellenweise bösartig zubeißendes Satyrspiel auf den Zeitgeist hat Zuska da in Szene gesetzt; voller geradezu liebevoll inszenierter Sarkasmen, tief- und flachsinnigst ironischer Tanz-Bilder, teuflischer Gestik und makaberer Alltags-Rituale. Eine ironische gebrochene Alptraumchoreographie durchsetzt von schwarzem Humor und scheinbar subtiler Einfalt. Der geniale Choreograph kegelt quasi mit den Individuen, läßt schöne Momente wie Luftballons zerplatzen, überführt Normalität in den Irrsinn und jongliert gekonnt mit Emotionen und Seelenzuständen. So desavouieren seine Darsteller alltägliche Momente mit der Boshaftigkeit und Anarchie einer tanzenden Monthy-Python-Truppe. Mehr Details werden nicht verraten...

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Wer diesen Meilenstein an zeitgenössischer Ballettproduktion verpasst, dem ist leider nicht mehr zu helfen. Musik? Mixed Bag: von Allem etwas; Snoop Dog, 50 Cent, Nelly, Eminen, Cypress Hill, Shaggy 2Pac, Martina Arnold. Die Kostüme (Roman Solc) sind von ausgesprochen raffitückischem Schnitt und Schritt. Ich gebe 6 Sterne !!!


FAZIT

Achtung: Kult- und Suchtgefahr!


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Black Influence

Ballettabend mit vier Uraufführungen

Ampelfieber
Choreografie: Young-Soon Hue
Musik: Aphex Twin, James Brown,
Kodo, Manfred Leuchter, Yello
Kostüme: Danielle Laurent


Elements
Choreografie: Paul Haze
Musik: Knuth Jerxen
Kostüme: Danielle Laurent


Kommen und gehen, manchmal bleiben
Choreografie: Fernando Melo
Musik: Alva Noto
Kostüme: Marcus Pysall


A little extrem
Choreografie: Petr Zuska
Musik: Snoop Dog, 50 Cent,
Nelly, Eminem, Cypress Hill,
Shaggy, 2Pag, Martina Arnold
Kostüme: Roman Solc






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Deutsche Oper am Rhein
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Da capo al Fine

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