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Musiktheater
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Hamlet

Drame lyrique in fünf Akten
Text von Jules Barbier und Michel Carré
nach der gleichnamigen Übersetzung
der Shakespeare-Tragödie
von Alexandre Dumas d. Ä. und Paul Meurice
Musik von Ambroise Thomas


In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf
am 22. März 2006



Homepage

Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Da fällt der Abschied leicht

Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub

Eigentlich sollte Thomas' im März 1868 uraufgeführte Oper (die aus bisher ungeklärten Gründen aber schon einige Jahre zuvor in einer vieraktigen Version vollendet war) bereits in der so geistreich und penetrant als ROM vermarkteten Interimsspielstätte der Rheinoper (RheinOper Mobil!) in Landtagsnähe zur Aufführung kommen, aber nun hatte man doch ins renovierungsbedürftige Opernhaus geladen. Hausherr Richter lobte das Regieteam um Michael Leinert für seine Flexibilität, aber dankbar war wohl in erster Linie der scheidende Dramaturg, der damit nach langer Zeit wieder einmal an einem renommierten Haus eine Produktion betreuen durfte. Das Gesehene indes machte diesen Umstand nachvollziehbar:

Im Falle dieses Hamlet von einer Neuinszenierung zu sprechen, fällt dem Rezensenten mehr als schwer, denn das Ergebnis ist ein geist- wie phantasieloses, hinsichtlich der fragwürdigen Aktualisierungsversuche (die eben nicht zu den Erfahrungen unserer Zeit hindurch finden, wie von Jan Kott zurecht im Programmheftbeitrag gefordert) unentschlossenes und inkonsequentes Durcheinander von willkürlich kombinierten, angestaubten Zutaten des Regie- wie des Rampentheaters der letzten Jahrzehnte auf einer mit Fundusmöbeln aller möglichen Epochen und Säulen erdrückend zugestellten Bühne, für die man wahrlich keinen eigenen Bühnenbildner brauchte, während man für die nur auf den ersten Blick edel wirkenden Kostüme Marie Theres Cramer engagiert hatte, die etwa Ophelia wie eine Dame vom Straßenstrich in Deichmann-Stiefeln aussehen ließen. Ich möchte die Leserinnen und Leser wirklich nicht langweilen mit dem Aufzählen einzelner pseudohumorvoller, unpassend erotische Fantasien erkennen lassender oder einfach unsäglich platter Ideen - nur beispielsweise sei erwähnt, dass Ophélie eine ihre Arien aus einer mit künstlichen Seepflanzen bestückten Badewanne singt, während sie sich bei der berühmten Wahnsinnsszene mit Pinsel und Farbe an einer Leinwand gestalttherapeutisch austoben darf. Und auch der Einfall, das unerträglich banalisierte Bühnengeschehen mit in Konkurrenz zu den Übertiteln stehenden Textprojektionen aus Heiner Müllers Hamletmaschine und Handlungsorte widerspiegelnden Fotos intellektuell aufwerten zu wollen, hatte Schultheatercharakter.

Vergrößerung Claudius (John Wegner) und Gertrude (Jeanne Piland)
lassen sich als neues Königspaar vom dänischen Volk
(Chor und Ensemble der Deutschen Oper am Rhein) feiern.

Tassis Christoyannis wurde gefeiert für seine darstellerisch zweifellos berührende Interpretation der komplexen Titelfigur. In vokaler Hinsicht stellte sich bei mir ein ähnlicher Eindruck ein wie bei manch anderen Partien: Ich hörte eine wenig belastbare, durchschnittlich timbrierte und wahrlich nicht große Stimme mit begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten und Farben, die sich für Hauptrollen nicht wirklich eignet, und diese ist keine kurze.

Vergrößerung

Hamlet (Tassis Christoyannis)
liebt Ophélie (Marlis Petersen).

Star der Produktion war natürlich Marlis Petersen, die an der Rheinoper engagiert war, inzwischen aber in der ganzen Welt die großen Koloraturrollen singt, und tatsächlich weiß sie in der Christine-Nilsson-Partie mit Stratosphärentönen, präzisen, kreativen Verzierungen und einer differenzierten szenischen Interpretation zu faszinieren, aber ihr Französisch ist das erste nicht, was den Unterschied zu einer wirklich exzeptionellen Leistung bei einem solchen Werk eben doch ausmacht. Das freilich ist nicht der Fehler der Künstlerin, sondern des Hauses, das für läppische Fechtszenen einen Spezialisten und dazu einen betagten Falkner mit lebendigem Tier engagiert, offenbar aber zu geizig für einen kompetenten Französischcoach ist.

Vergrößerung Nach der Begegnung mit dem Schatten seines
ermordeten Vaters weiß Hamlet (Tassis Christoyannis),
was von ihm verlangt wird: Rache an Claudius.

John Wegner bekam als Claudius einmal mehr Gelegenheit, seinen immer noch beeindruckenden Oberkörper zu präsentieren (welch subtile Regieidee zur Charakterisierung des neuen Königs!), und man war auch erstaunt, wie ausgeruht sein Heldenbariton klang, aber das französische Idiom war hörbar nicht seine Sache. Jeanne Piland hat mit der Mutterrolle der Gertrude eine ihrer besseren Partien gefunden (in weiteren Vorstellungen wird die große Nadine Denize in der Rolle zu erleben sein!), auch wenn man einmal mehr feststellte, dass die Ausflüge ins Sopranfach offenbar nur auf Kosten einer nunmehr kaum noch hörbaren Tiefe erkauft sind, die Stimme jetzt wirklich sehr "sopranig" klingt und die schauspielerischen Bemühungen eher pauschal als subtil ausfallen und zudem in jeder Produktion ähnliche sind.

Großen Eindruck machte Michail Milanov mit gewaltigem Bass als Schatten des verstorbenen Vaters, auch wenn er eher wie ein Obdachloser aussah und Rotweinfalsche und Stofftasche die Figur unnötig verkürzen, Andrej Dunaev steuerte als Laertes hörenswerte lyrische Tenortöne bei, Torsten Hofmann und Günes Gürle waren Marcellus und Horatio, Bruno Balmelli ein präsenter Polonius, und den krähenden Ton von Alexandru Ionitzas Totengräber hatte man natürlich auch sofort identifiziert (Daniel Djambazian war sein Kollege). Einen seiner besseren Abende hatte der von Christoph Kurig präparierte Chor, der freilich auch nicht über Gebühr gefordert ist.

Vergrößerung

Ophélie (Marlis Petersen) kann nicht verstehen,
dass Hamlet sie nicht mehr liebt, und verfällt dem Wahnsinn.

Die Düsseldorfer Symphoniker haben trotz der langen Beschäftigung mit Berlioz und Offenbach zu Beginn der Spielzeit noch nicht wirklich diesen typischen französischen Klang heraus, dies umso mehr, wenn ihnen ein mit dem Genre auch nicht wirklich vertrauter Dirigent wie Alexander Joel (dem designierten Braunschweiger GMD) vorsteht, unter dessen Leitung manches eher wie Ponchielli oder Mascagni klang und etwas gezwungen die Nähe zum Oeuvre Richard Wagners herausgestellt werden sollte. Das kann alles subtiler, farbiger und weniger knallig klingen - französisches Raffinement und clarté eben, die man hier vergeblich suchte.


FAZIT

Spätestens an diesem Abend wurde klar, warum Michael Leinert erst zum Abschied eine Regiearbeit anvertraut wurde - ein solch altmodisches Musiktheater kann man nicht einmal mehr an der Deutschen Oper am Rhein verantworten ("Man muss wissen, weshalb und wozu man wählt", weiß Jan Lott über den von ihm gewählten Zusammenhang der Shakespeare-Rezeption hinausweisend). Freilich war während der Premierenfeier auch zu hören, dass der Hausherr selber darüber nachgedacht habe, Thomas' bemerkenswerte Oper zu inszenieren, und da assoziiert man doch die berühmte Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Und natürlich wurde auch einmal mehr der Ruf nach konzertanten Opernaufführungen laut, was meines Erachtens bei einem grundsätzlich so bühnenwirksamen Werk (auch wenn es in der Bearbeitung von Dumas eher einer französischen tragédie ähnelt und sich zum Teil erheblich von Shakespeares Drama entfernt) keineswegs notwendig ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Joel

Inszenierung und Bühne
Michael Leinert

Kostüme
Marie Theres Cramer

Dramaturgie
Bernhard F. Loges

Licht
Volker Weinhart

Chor
Christoph Kurig

Fechtszene
Klaus Figge



Chor der
Deutschen Oper am Rhein
Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein
Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

* Alternativbesetzung


Hamlet
Tassis Christoyannis

Ophélie
Marlis Petersen

Claudius
John Wegner

Gertrude
* Nadine Denize/
Jeanne Piland

Laerte
Andrej Dunaev

Marcellus
Torsten Hofmann

Horatio
Günes Gürle

Polonius
Bruno Balmelli

Totengräber
Daniel Djambazian
Alexandru Ionitza

Der Schatten
des verstorbenen Königs
Michail Milanov








Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



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