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The Gondoliers
or The King of Barataria


An Entirely Comic Opera in two Acts
Libretto von William Schwenck Gilbert
Musik von Arthur Sullivan


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln; Dialoge in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 9. Dezember 2005


Homepage

Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Mehr Abstrusität, please!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub

Zu Unrecht sind in Deutschland die Operetten des britischen Erfolgsgespanns William Schwenck Gilbert (Libretti) und Arthur Sullivan (Musik), die am Ende des 19. Jahrhunderts in London zu regelrechten Kassenschlagern wurden, in Vergessenheit geraten. Anders als die elegante, aber inhaltlich unverbindliche Operettenkunst der Wiener Strauss-Dynastie oder der sentimentalistische Ansatz eines Franz Lehar zeichnen sich ihre Werke (darin ein Pendant zu Jacques Offenbach) durch Spott über die gesellschaftlichen Zustände und ironische Schärfe aus. Eigentlich, sollte man denken, ist das eine Steilvorlage für kleinere Theater, die notgedrungen auf spielfreudige Ensemblekultur statt auf große Stimmen setzen – trotzdem bleiben Inszenierungen wie jetzt The Gondoliers or The King of Barataria an der (nicht eben kleinen) Deutschen Oper am Rhein die Ausnahme.

Vergrößerung

Gerade noch wurde per Losverfahren geheiratet, jetzt sollen die jung vermählten Bräutigame herausfinden, wer von ihnen der wahre Thronfolger von Barataria ist: (v.l.) Gianetta (J. Mongiardo) und Marco (B. Rankin), Giuseppe (H. Kilpeläinen) und Tessa (S. Woodling)

Die Geschichte um ein vertauschtes Baby und dadurch verschollenen Thronfolger des Königreichs von Barataria ist in ihrem schematischen Ablauf zwar wenig originell, liefert aber – darin ein später Nachfolger der Comedia dell'Arte - ein Handlungs- und Figurenmuster, dass 1889 für das Publikum im Londoner Savoy-Theater großen Wiedererkennungswert hatte und die Schablone für deftige Seitenhiebe auf britischen Kolonialismus und seine Auswirkungen auf die High Society, wo man Dank guter Beziehungen schnell die eine oder andere Position von vermeintlich hohem Ansehen erlangen konnte. In manchem Aspekt ist das very british und nicht ohne weiteres auf deutsche Theater übersetzbar; dennoch bleibt der Londoner Regisseur Dan Jemmett weit hinter den Möglichkeiten des Werkes zurück.

Vergrößerung Herzog und Herzogin von Toro-Plaza auf der Suche nach einem hochherrschaftlichen Schwiegersohn (E. Lee Davis und G. Killebrew)

Klangbeispiel Klangbeispiel: Auftritt des Herzogs von Plaza-Toro (E. Lee Davis, G. Killebrew, R. Noack, J. Kumpusch
(MP3-Datei)


Jemmett lässt die (eigentlich in Venedig angesiedelte) Geschichte vor der Kulisse des maroden „West Pier“ im englischen Seebad Brighton spielen (der Pier, einst Inbegriff des mondänen Tourismus – der benachbarte „Palace Pier“ ist nach wie vor ein Touristenmagnet – wurde 2003 bei einem Sturm schwer beschädigt, brannte anschließend aus, und große Teile versanken 2004 endgültig im Ärmelkanal). Statt venezianischem Volk sieht man Badegäste in der Badekleidung des späten 19. Jahrhunderts, und die Gondeln sind nur noch Zitat. Man kann darin eine ironische Anspielung auf einen Tourismus sehen, der sich sein Venedig an der Kanalküste kurzerhand selbst baut, aber Jemmets Regie kippt schnell um zur hübsch anzusehenden, aber zur allzu konzeptionslosen Ausstattungsoper (Bühne und Kostüme: Dick Bird). Der zweite Akt spielt im Inneren des zerstörten Piers, wo zwischen der rostenden Eisenkonstruktion noch ein paar verrottende Spielautomaten von der Vergänglichkeit des Vergnügungszeitalters künden, aber die Regie greift diese Symbolik kaum auf und reduziert sich auf Rampentheater in vielen bunten Kostümen. Jemmett versäumt es, die überdrehten Momente der Handlung herauszuheben, bleibt in der Personenführung konventionell und fast behäbig, und auch das Tempo der Inszenierung ist allzu gebremst. Da fehlt ein gehöriges Maß an Abstrusität.

Vergrößerung

Derweil ist Töchterchen Casilda (Romana Noack) in den schneidigen Diener Luiz (Julian Kumpusch) verliebt.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Duett Casilda / Luiz aus dem 1. Akt ( R. Noack, J. Kumpusch)
(MP3-Datei)


Dank der großen Spielfreude des Düsseldorfer Ensembles ist die Aufführung durchaus kurzweilig, und gesungen wird ausgezeichnet. Bruce Rankin und Heikki Kilpeläinen dürfen sich mit sängerischer Inbrunst zwei gute Stunden lang für den Thronfolger von Barataria halten, bis deutlich wird, dass doch keiner von ihnen das vertauschte Baby war – und treffen gut den Tonfall, der zwischen Mozart (an dessen Cosi fan tutte die Personenkonstellation mitunter erinnert) und dem Musical vermittelt. Mehr Schwierigkeiten bereiten ihnen die (deutsch gesprochenen) Dialoge. Von ihren jugendlich-frisch singenden Bräuten hat Joanna Mongiardo als Gianetta die vollere, ausdrucksstärkere Stimme, Stephanie Woodling als Tessa die größere Bühnenpräsenz. Ein komödiantisches Glanzstück legen E. Lee Davis als Herzog von Plaza-Toro und Gwendolyn Killebrew als Herzogin hin. Romana Noack als deren Tochter Casilda, die bereits als Säugling mit dem nun verschollenen Thronfolger verlobt wurde, singt schön und akkurat, bleibt aber etwas unscheinbar. Verliebt ist sie in den schneidigen Diener Luis, der von Julian Kumpusch mit tenoralem Glanz und angemessenem Schmelz gesungen wird (und der, wie könnte es in der Operette anders sein, sich als wahrer Herrschers von Barataria entpuppt). Über den Dingen steht Peter Nikolaus Kante als Don Alhambra, der die Fäden zieht - Kante spielt und singt das mit sonorem Bass und vielen ironischen Zwischentönen.

Vergrößerung Großes Finale in der verfallenen Pier von Brighton

Ebenso klangprächtig wie nuanciert singt der von Gerhard Michalski einstudierte Chor und lässt stimmlich keine Wünsche offen – nur mit der Übernahme der Tempi klappt es nicht so recht, und gleiches gilt auch für die Solisten. An vielen Stellen hinterlässt die Premiere den Eindruck, dass man mit den musikalischen Proben nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Es gibt Nummern, die in atemberaubendem Tempo virtuos ablaufen, aber andere Stellen (insbesondere der Beginn des zweiten Aktes) fallen auseinander. Dabei geht Dirigent Martin André auf „Nummer sicher“ und schlägt, auf Kosten des musikalischen Witzes, streng und akkurat den Takt, wo man sich mehr operettenhafte Verzögerungen wünschen würde. Manches kann André retten, aber nicht alles. Insgesamt braucht diese Produktion wohl noch ein paar Aufführungen, bis der musikalische Funke vollends zündet.


FAZIT

Halb voll oder halb leer? Man weiß nicht so genau, ob man sich über diese solide bis amüsante Wiederbelebung von The Gondoliers freuen soll oder doch eher ärgern über die vergebene Chance, eine wirklich brillante Aufführung daraus zu machen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Martin André

Inszenierung
Dan Jemmett

Bühne und Kostüme
Dick Bird

Choreographie
Paul Haze

Licht
Volker Weinhart



Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Duke
E. Lee Davis

Don Alhambra
Peter Nikolaus Kante

Marco
Bruce Rankin

Giuseppe
Heikki Kilpeläinen

Antonio
Sergio Raonic Lukovic

Francesco
Roland Steingießer

Giorgio
Manfred Klee

Luiz
Julian Kumpusch

Duchess
Gwendolyn Killebrew

Casilda
Ramona Noack

Gianetta
Joanna Mongiardo

Tessa
Stephanie Woodling

Fiametta
Gesche Bauer

Vittoria
Silvia Bauer

Inez
Cornelia Berger

Giulia
Sybille Eichhorn

Pier Attendant
Tim D. Morand








Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



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