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Elektra
Oper in einem Aufzug von Richard Strauss
Nach dem Text von Hugo von Hofmannsthal



Aufführungsdauer: ca. 1 Std. 45 Min.

Premiere an der Sächsischen Staatsoper Dresden
am 15. Juli 1986
Besuchte Aufführung: 1. Dezember 2005


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Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Rache, Angst und Liebessehnsucht

Von Bernd Stopka / Fotos von Matthias Creutziger

Seit fast zwanzig Jahren beturnen nun die Figuren der Atriden-Tragödie den Sprungturm auf der Bühne der Dresdner Semperoper, wenn "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss auf dem Programm steht. Aber es ist nicht nur das prägnante, wenn auch einfache Bühnenbild, es ist auch die äußerst spannende Personenregie, mit der diese Inszenierung von Ruth Berghaus Operngeschichte geschrieben hat.

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Berghaus zeichnet scharfe Charakterbilder und betrachtet dabei vor allem die drei verschieden ausgeprägten Formen des Wahnsinns der drei Hauptfiguren, arbeitet heraus was sie verbindet und trennt. Zuweilen stellt sie das ganz eindeutig durch Seile oder Tücher dar, mit denen sie sich aneinander fesseln. Noch stärkeren Eindruck machen aber die Formen des Umgangs, des miteinander Redens, des an einander vorbei Redens und des nicht hören und sehen Wollens. Drei verletzte Seelen. Jede auf ihre Weise vom oder in den speziellen Wahnsinn getrieben.

Den Aktionsplatz für die Protagonisten hat Ruth Berghaus in die Vertikale gehoben, das Orchester auf die Bühne gesetzt und es als horizontales Element Teil der Inszenierung werden lassen. Damit hat sie eine Not zur Tugend gemacht. Zur Zeit der Entstehung der Produktion war der seinerzeit in der Originalgröße wiederaufgebaute Orchestergraben zu klein, um das "Elektra"-Orchester in seiner originalen Größe aufnehmen zu können. (Die Erweiterung des Grabens erfolgte erst 1996).

So wogt und wirbelt, schwelgt und wuchtet das Orchester herrlich gewaltig von der Bühne in den Zuschauerraum, klingt großartig und macht mit seiner ungedämpften Wucht den Sängern auf dem Bühnenturm das Durchdringen nicht leicht. Michael Boder, dem Dirigenten der Wiederaufnahme, ist das nicht anzulasten, er lässt die Partitur in allen ihren Facetten lebendig werden und gibt dem Sog, den diese Musik ausübt, freien Lauf.

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Für die Aufführung während der "Dresdner Festtage - Richard Strauss" konnte die Semperoper eine exquisite Sängerbesetzung präsentieren.

Mit Luana DeVol als Elektra steht eine der ganz großen Sängerdarstellerinnen auf der Bühne. Allein die ersten beiden "Agamemnon"-Rufe gehen durch Mark und Bein, eröffnen Perspektiven und Ausdruckswelten. Da klingen Sehnsucht und Angst, Wut und Liebe, Rache und Todessehnsucht in den wenigen Tönen zusammen. Was sie damit verspricht, hält sie auch und zeichnet ein bewegendes Psychogramm der Elektra. Dabei ist es besonders spannend wie sie immer wieder Entwicklungen zeigt, wie sie Klytämnestra hier verspottet, dort auflaufen lässt, wenn sie ihr aus der Hand liest, wie sie Chrysothemis erst verspricht ihr die schwesterlichste Schwester zu sein und sie dann in die tiefsten Höllen verflucht. Feiner Psychoterror mit darstellerischen und vor allem stimmlichen Mitteln, kein wildes Drauflosgebrülle. Und auch in dieser Partie singt sie Passagen, die einfach traumhaft schön klingen. Selbst die kostümbedingte, etwas überdeutliche Zwangsjacke kann die vielfältigen Ausdrucksmittel nicht binden. Bei allen Differenzierungen wird dennoch deutlich: Die treibende Kraft ihres Wahnsinns bleibt der zwanghafte Wunsch nach Rache. Im Wahnsinntanz am Schluss der Oper erwürgt sie symbolisch Aegisths Mantel und präsentiert ihn wie eine Trophäe.

Die Partie der Klytämnestra liegt für Renate Behle ideal. Die Stimme klingt nicht angestrengt und hat somit reichlich Reserven für die Gestaltung. Wie sie sich in Rage singt, während Elektra nur lachenden Spott für sie übrig hat, dass reißt mit. Renate Behle gelingt es, die Klytämnestra nicht eindimensional darzustellen. Diese Frau ist ja nicht von Grund und Natur aus böse. Sie hat mit ihrem Liebhaber ihren Gatten ermordet, zweifellos. Aber Agamemnon hatte zuvor ihre gemeinsame Tochter Iphigenie den Göttern geopfert, in der Hoffnung durch dieses Opfer den Trojanischen Krieg gewinnen zu können. Darüber kann eine Mutter schon mal wahnsinnig werden. Die Angst ist die treibende Kraft in Klytämnestras Wahnsinn.

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Es ist in Dresden üblich, vor Beginn der Oper das Bild des jeweiligen Komponisten mit einem Spot anzustrahlen, wenn es im Zuschauerraum oder auf dem Vorhang vorhanden ist. Vor der "Elektra" wird die Statue der Iphigenie im linken Bühnenportal beleuchtet. Ein deutlicher Hinweis. Ein deutlicher Hinweis auch darauf, dass die Perspektive wichtig ist, aus der eine Person handelt und aus der man das Handeln einer Person betrachtet und beurteilt.

Susan Anthony ist eine wunderbare - und wunderschöne Chrysothemis. Ihr substanzreicher, klarer Sopran hat Strahlkraft und Wärme. "Kinder will ich haben bevor mein Leib verwelkt" "Ich bin ein Weib und will ein Weiberschicksal" - das strahlt und blüht voller Lebens- und Liebessehnsucht. Diese Sehnsucht droht Chrysothemis in den Wahnsinn zu treiben.

Markus Marquardt lässt als Orest warme und kernige Töne zugleich hören. Nach dem Bruder Elektras und Chrysothemis' hält alles Ausschau. Zuerst ein Erlöser, der Elektra die Zwangsjacke auszieht, wird er danach zur roboterartigen Kampfmaschine, der seinen Auftrag erfüllt, die Mutter und deren Geliebten tötet und dann einfach wieder abhaut. Elektra bricht zusammen. Chrysothemis ist entsetzt. Das Publikum ist begeistert.


FAZIT

Auch nach fast 20 Jahren kann eine Inszenierung noch höchst spannende Personenregie zeigen. Die alte Dresdner "Sprungturm-Elektra" ist immer noch ein großes Musiktheater-Erlebnis. Erst recht wenn sie so exzellent besetzt ist wie an diesem Abend.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Boder

Musikalische Einstudierung
Johannes Wulff-Woesten

Inszenierung
Ruth Berghaus

Spielleitung
Josephine Hoffmann

Bühnenbild
Hans-Dieter Schaal

Kostüme und Requisiten
Marie-Luise Strandt

Choreinstudierung
Matthias Brauer

Dramaturgie
Sigrid Neef



Mitglieder der Komparserie

Damen des Chores der
Sächsischen Staatsoper Dresden

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Klytämnestra
Renate Behle

Elektra
Luana DeVol

Chrysothemis
Susan Anthony

Aegisth
Klaus König

Orest
Markus Marquardt

Der Pfleger des Orest
Rainer Büsching

Die Vertraute
Barbara Hoene

Die Schleppträgerin
Christiane Hossfeld

Ein junger Diener
Gerald Hupach

Ein alter Diener
Jürgen Commichau

Die Aufseherin
Sabine Brohm

Fünf Mägde
Christa Mayer
Angela Liebold
Elisabeth Wilke
Roxana Incontrera
Andrea Ihle




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

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