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Musiktheater
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Le nozze di Figaro
(Figaros Hochzeit)

Opera buffa in 4 Akten
Commedia per musica
von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


Aufführungsdauer: ca 4 Stunden (eine Pause)

Premiere am 17. Dezember 2005
(rezensierte Vorstellung: 23. Dezember 2005)

Link zum Theater Freiburg

Theater Freiburg
(Homepage)

Ist es wirklich Liebe, was da so brennt?

Von Christoph Wurzel / Fotos: PR Stadttheater Freiburg


Eine schlechte und eine gute Nachricht aus Freiburg. Die gute zuerst: musikalisch ist dieser "Figaro" weitgehend gelungen. Karen Kamensek führte das tadellos disponierte Orchester zu einem griffigen Mozartklang voller Nuancen und dynamischer Facetten. Sauber kamen die Solostellen aus dem etwas erhöhten Graben, schön durchgearbeitet waren die Orchesterstimmen, differenziert die Dynamik und zupackend die Tempi. Souverän bekam die Freiburger Generalmusikdirektorin auch kleinere Patzer aufseiten der Sänger in den Griff und garantierte so einen musikalisch vitalen Opernabend.

Etwas uneinheitlich die Sängerleistungen. Hervorragend meistere Radu Cojacariu die Titelpartie. Er setzte seine charaktervolle, wandlungsfähige Stimme mit großer Wirkung ein und bewies daneben auch Schauspieltalent. Als Graf konnte Derrick Lawrence dagegen nur teilweise überzeugen, gesangstechnisch hatte er die Partie wohl im Griff, hielt sich aber bei der Charakterdarstellung zu sehr zurück und ließ es zumal in der großen Szene im 3. Akt ("Hai già vinta la causa") an Gestaltungskraft fehlen. Als Gräfin war an dem Abend für die erkrankte Nicole Chevalier als Gast Elena Nebera eingesprungen. Sie hatte merklich mit Intonationsschwierigkeiten zu kämpfen. Ansonsten war ihre mit einer satten Tiefe ausgestattete Stimme nicht unsympathisch für diese Rolle. Sara Eterno war eine starke Susanna, darstellerisch präsent und stimmlich fest, ohne Wackeln und Zögern. Sehr schön gelang die Rosenarie als hoffnungsvolles Liebeslied, hätte sie die Regie nur nicht zu stocksteifem Herumstehen verurteilt. Stimmlich sehr markant auch das dritte Paar: Anna Smirnova als Marcellina und Peter Klaveness als Bartolo. Durchaus auch überzeugend besetzt mit Patrick Jones war der intrigante Basilio, und mit einnehmendem Charme offenbarte Yooncho Cho in der Barbarina-Arie eine höchst adäquate Mozartstimme. Etwas blass schließlich blieb Jesse Coston als allzu vergröberter Gärtner Antonio.


Vergrößerung in neuem Fenster Sucht Trost bei der Flasche: Gräfin Almaviva (Nicole Chevalier) mit Figaro ( Radu Cojacariu) und Susanna ( Sara Etero)

Schließlich Cherubino - der Liebhaber der Frauen und zumeist auch Liebling des Publikums. Hier hatte sich die Regie einen besonderen Clou ausgedacht. Man weiß nicht, ob vom Freiburger Nacktjogger, der vor einiger Zeit durch den Blätterwald geisterte oder von Calixto Beito ( siehe die Berliner "Entführung") inspiriert - jedenfalls musste die Sängerin des Cherubino im Adamskostüm über die Bühne schlendern, mal mit Hippie-Weste, mal ganz ohne - und war zudem ihrer Rezitative entkleidet worden. Außerdem aalte sie sich ziemlich gelangweilt auf fremden Betten, wo sie dann von brennender Liebe und all den erotischen Turbulenzen zu singen hatte, von denen diese Oper doch erzählt. Wo sind sie geblieben, die Locken, die seidnen Gewänder, dieser Wangen so rosiger Glanz? Zwar ein Adonis, auch ein Narziss war dieser Cherubino sicherlich, aber kein Verführer, nur dessen schaler Abklatsch, den kein erotischer Impuls mehr treibt. Einen solchen Typ würde man überdies schwerlich als Offizier einstellen, nicht einmal um ihn loszuwerden. Und hier wird der Irrtum dieses Regieansatzes klar: er ist gegen das Stück gerichtet.


Vergrößerung in neuem Fenster Ist immer noch der Boss: Graf Almaviva (2. von links Derrick Lawrence) mit Figaro (Radu Cojacariu) und Antonio (Jesse Coston). Wieder mal in horizontaler Position: Cherubino (verdeckt: Sigrun Schell)

Der "tolle Tag"- wie ihn da Ponte frei nach Beaumarchais entworfen hat - ist in dieser Freiburger Produktion nur einer von vielen tristen Tagen, an denen eine merkwürdig zusammengewürfelte Gesellschaft in einem undefinierbaren Schloss ihren mehr oder weniger schrillen Gewohnheiten nachgeht: der Graf seinen Sado-Maso-Gelüsten, die Gräfin dem Suff, Cherubino einem bekifften dolce vita. Eine vulgär aufgedonnerte Marcellina läuft ihrem Glück hinterher und spannt ihren Ex als schmierig korrupten Anwalt ein. Ziemlich fehl am Platze mutet dazwischen das biedere Dienerpaar an: Die Kellnerin Susanna erscheint als Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und ihr Zukünftiger als zähneknirschender Loosertyp, der im Geheimen ("Se vuol ballare") gegen den Dienstherrn zwar aufmuckt und schon mal mit der Maschinenpistole fuchtelt, wenn es aber ernst wird, dem Grafen dann doch beflissen die Schuhe putzt. Alle Komik, das raffinierte Wechselspiel situativer Überraschungen, hat Thilo Reinhard der Oper ausgetrieben und sie inszeniert, als sei`s ein Stück von Houellebecq, dem Autor der postmodernen Trostlosigkeit des alltäglichen Seins, der vor zwischenmenschlicher Kälte erstarrten als-ob-Beziehungen und einer vollends erstorbenen Erotik. Die Ausweitung der Kampfzone jetzt auch auf die Opernbühne.

So gut die Musik auch gespielt wurde, es gab kaum Chancen, etwas vom Mozarts reicher, differenzierter, überraschender und komischer Personencharakterisierung auf der Bühne wiederzuentdecken. Die entscheidende und spannende Frage dieser Oper, was es mit der Wirkungsmacht der Liebe auf sich hat, wird recht beiläufig mit der trostlosen Botschaft beantwortet: Es ist nur Triebbefriedigung. Ein bisschen zu wenig für diese großartige Komödie.


FAZIT

Schade - trotz ordentlichen musikalischen Niveaus kein gutes Geburtstagsgeschenk für Mozart, eher ein Tritt gegen das Schienbein.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karen Kamensek

Regie
Thilo Reinhardt

Bühne und Kostüme
Paul Zoller

Choreinstudierung
Bernhard Moncado

Dramaturgie
Georgia Eilert


Chor und Statisterie des
Theater Freiburg


Philharmonisches Orchester
der Stadt Freiburg


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Graf Almaviva
Derrick Lawrence*/
Alex Sanmarti

Gräfin Almaviva
Nicole Chevalier/
Elena Nebera a.G.*

Susanna
Sara Etero* /
Heidi Elisabeth Meier

Figaro
Radu Cojacariu

Cherubino
Sigrun Schell

Marcellina
Ji-Young Michel /
Anna Smirnova*

Doktor Bartolo
Thorsten Grümbel/
Peter Klaneness*

Basilio
Patrick Jones

Antonio
Jesse Coston

Barbarina
Yooncho Cho



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Freiburg
(Homepage)



Da capo al Fine

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