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Musiktheater
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The Life

Musical von Cy Coleman

Aufführungsdauer: ca. 3h 45' (eine Pause)

Premiere am 12. November 2005
im Großen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen


Homepage

Musiktheater im Revier
(Homepage)

THE LIFE - Sex, Drugs and Musical
The dark side of life oder "My body is my business"

Von Peter Bilsing / Fotos von Rudolf Majer-Finkes


"In diesem Geschäft läßt die Nachfrage niemals nach." (Jo Jo)

Es gibt einfach Theater, zu denen fährt der Kritiker gerne, nicht nur weil man dort so selten enttäuscht wurde, sondern auch weil das Drumherum stimmt; das betrifft nicht nur die Parkplätze, obwohl damit ja eigentlich der stressfreie Abend anfängt. So erfreut sich des Opernfreunds Auge in Gelsenkirchen schon von weitem an der wunderbaren Glasfassaden-Architektur des Theaters, welches 2005 noch so unvergleichbar attraktiv und originell wirkt, wie zur Eröffnung 1959. Musiktheater im Revier - nomen est omen! Und tatsächlich deckt man alle Sparten in dieser Richtung ab; Konzertantes, Ballett, Oper, Operette, Jugend- bzw. Kindertheater und Musical. Der rote Faden: Qualität.

Sollte es mit den tollen Musicalproduktionen jetzt Jahr für Jahr so weitergehen, wird man nicht umhin können, MiR, demnächst mit "Musicaltheater im Revier", übersetzen zu müssen; mal wieder ist von einer glanzvollen Produktion zu berichten - Wolke sieben für anspruchsvolle Musical-Fans ! Broadway Gelsenkirchen ! THE LIFE heißt das neue Stück und - um es gleich vorweg zu nehmen - es endete wieder in den beinah schon obligatorischen Standing Ovations und dem nicht enden wollenden rauschenden Beifall eines voll enthusiasmierten Publikums, denen sich der Rezensent bedenkenlos anschloss.

Basis und Garant für den fulminanten Erfolg ist wieder Kai Tietje und sein MiR-United-Jazz-und-Rockensemble (Das Programmheft spricht bescheiden von "The Band"), welches die Besucher wieder dermaßen einheizt, daß kein Auge trocken bleibt. Und was ist das für eine Musik, die kein geringerer als der legendäre Cy Coleman (14 Musicals seit 1960, darunter Welterfolge wie "Wildcat" 1960, "Sweet Charity" 1966 oder "City of angels" 1989) erst 1997 zur Uraufführung an den Broadway brachte; pulsierender Rock, Blues und Swing durchsetzt mit Funk, Bebop und Pop; alles im Bigband-Sound bravourös arrangiert, in grandiose Tanz-Ensembles gesetzt oder solistisch balladenhaft präsentiert. Es geht die sprichwörtliche "Post ab". Da schwingt nicht nur der Opa sein Holzbein. Der Swing vereint alt und jung - selten sah man ein zufriedeneres Publikum so beglückt und fröhlich nach Hause ziehen.

Das Buch zum Stück stammt vom berühmten Film-Drehbuchautor David Newman (u.a. Bonnie & Clyde, Is was Doc, Superman 1-3, Moonwalker...). Die Songtexte von Ira Gasman klingen irgendwie vertraut, obwohl das Stück erst im Jahre 2000 Deutschlandpremiere hatte.

Ein nicht geringer Teil der Besetzung wurde aus dem "Who is Who" der deutschen Musicalszene gecastet. Man vertraut auf ein seit Jahren bewährtes und erfolgreiches Rezept: Musicalsänger in Verbindung mit altgedienten Opernrecken. Das diese Mixtur aufgeht, hat schon die famose FAME-Produktion im letzten Jahr bewiesen, die allerdings heuer noch getopt wird, wenn mit der grandiosen "White Lady of the Blues" Anke Sieloff in der Hauptrolle und einer Richetta Manager, die so frappierend singt, als wäre die selige Ella Fitzgerald auferstanden, der Glamour des Broadways erstrahlt.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble rund um den Erzähler
(Jo Jo: Gaines Hall)

Zum Inhalt: Prostituierten-Milieu des New Yorker Times Square - anno 1981 - die Geschichte spielt noch vor der großen Säuberungswelle durch Bürgermeister Giuliani. Die Ladies des Horizontalen Gewerbes schlagen sich mehr oder weniger mit aufrechtem Herzen durchs Leben auf dem legendären Straßenstrich, oder werden geschlagen. Sie eint der Traum von einer bürgerlichen Existenz. Dabei ist ihr Alltag ein steter Überlebenskampf "jeder gegen jeden" bei höchstmöglicher Schadensbegrenzung. Huren mit Herz auf der Suche nach der wahren Liebe. THE LIFE handelt vom Scheitern dieser Liebe in einer Welt, die humanen Gefühlen keinen Raum mehr läßt. Das ist kein "Sweet Charity", denn diese Welt ist brutaler geworden. Check it out !

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Queen und Fleetwood, noch glücklich vereint
(Sieloff & Pitts)

Da ist Jojo (Gaines Hall) der zeitlose Überlebenskünstler, schmieriger Chef von Eros-Entertainement und nicht uncharmanter Erzähler; ein Schwein, das für Geld jeden ans Messer liefert. Seine Maxime: "willst Du Kaviar essen, dann lerne erstmal Scheiße fressen !" (Keine Sorge um die "jugendverderbende" Sprache, verehrte Oberstudienräte für Deutsch & Anglistik, im weiteren wird "ass" meist mit "Hintern" übersetzt !) Jojo stellt die Figuren vor, begleitet sie und führt handlungsaktiv durch die Geschichte. Sein Rückgrat ist die garantierte Unzuverlässigkeit "Be loyal to none, if you want your sun to shine !" Kann denn ein Text aktueller sein ?

Queen (Anke Sieloff) repräsentiert die tragische Heldin unserer Geschichte. "It´ s a lovely day, when you´ re finally free." Optimistisch und naiv glaubt sie an die wahre Liebe - träumt von einem Leben mit Häuschen, Ehemann, Kindern und Garten; ihr koksender Freund und Zuhälter Fleetwood (Lemuel Pitts) glaubt allerdings nur an die Ware "Liebe". Da es keine netten Zuhälter geben darf, überlebt er unsere Geschichte natürlich nicht.

Vergrößerung in neuem Fenster Queen und Sonja auf der Straße
(Sieloff & Manager)

Sonja (Richetta Manager) "my body is my bussiness" zeitigt die "Grande Dame" der 8. Straße, ihr sympathisch warmes Herz macht sie zum mütterlichen Ratgeber der Straßenmädchen - in 10 Jahren hatte sie rund 15.000 Männer, wie der sympathische Barmixer Lazy (William Saetre) mit dem Taschenrechner bestätigt. Doch Sonja ist müde, will aufhören "I´ m getting too old for the oldest profession, I´ m tired, I´ m weary……to old for the life."

Memphis (Dennis Legree) ist der Oberbösewicht. Chefzuhälter des Bezirks; Schläger, Metzger, Killer - "ne richtig fiese Möpp", wie wir im Kohlenpott sagen würden - aber immer perfectly dressed; gutaussehend, wie der Killer in einem James-Bond-Film. Obwohl er über Leichen geht, zieht er die Frauen an, wie die vielbesungenen Motten das Licht. Auch hier sind wir ja dann wieder sehr nah am aktuellen Leben. "Don´ t take much to turn a girl into a woman, don´ t take much to set the devil in her free; all it takes is a cold-blooded, sweet-talking jive ass, mother-fucking son, as me !" Auch er überlebt das Musical nicht.

Die unschuldige Schöne vom Land "where mother´ s sipping Gin and men are always dropping in, that´ s how it´ s been." heißt Mary (Lea Gordon). Der blonde Schmollmund hat es faustdick hinter den Ohren und so ist der Times Square für sie nur eine Zwischenstation "Easy money, I´m learning how to make easy money… just smile and play the game.", bevor der schmierige Lou (Nyle P. Wolfe) sie zum Pornostar macht.

Vergrößerung in neuem Fenster

Oberzuhälter Memphis (Dennis Legree) mit Mädels
v.L.n.R. Tracy (Florence Kasumba), Frenchie (Tamara Wörner),
April (Virginia Lilye) und Chichi (Amanda Whitfort)

Bestechend sind die Kostüme der scheinbaren Erotik, die allesamt aber ihre tatsächliche Vulgarität bis hin zur Geschmacklosigkeit niemals leugnen können. Es ist schon bewundernswert und imponierend zugleich mit welchem Faible für glamourösen Kitsch und Rotlichtszene-Couture hier Andreas Meyer und Wolfgang Scharfenberger diese höchst phantasiereichen Kostüme kreiert und den Hauptdarstellern quasi auf den Leib geschneidert haben. Wunderbar schräge Krönung modischer Farbbrillanz ist der Nuttenball; oh wie schön, so herrlich schön, als wären wir auf einer Prominentengala der Ohovens.

Regisseur Dick Top und Choreographin Melissa King (Dance Captain: Walter Louis) setzen auf bekannte Bewegungsmuster des klassischen Musicals, welche die Handlung puschen, aber auch genug Ruhepunkte und Raum für die intimeren Szenen und Balladen schaffen. Wirkt auch die Dialog-Choreografie manchmal etwas hölzern, so sind doch die Tanznummern vom Feinsten.

Preiswürdig ist die Bühne von Mathias Fischer-Dieskau, die permanente Bewegung vorgaukelt, obwohl sie sich nur marginal tatsächlich bewegt. Endlich einmal werden Filme sinnvoll und optisch brillant eingesetzt.


FAZIT

5 Sterne! Der Kritiker hat nichts zu bemäkeln (nur noch 20 Vorstellungen)


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kai Tietje

Inszenierung
Dick Top

Bühne
Mathias Fischer-Dieskau

Kostüme
Andreas Meyer
Wolfgang Scharfenberger

Choreografie
Melissa King

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek



Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

Queen
Anke Sieloff

Fleetwood
Lemuel Pitts

Sonja
Richetta Manager

Jojo
Gaines Hall

Mary
Leah Gordon

Memphis
Dennis LeGree

Lacy
William Saetre

Lou
Nyle P. Wolfe

Frenchy, Chichi, Carmen, April, Tracy
Tracy Plester
/ Amanda Whitford
/ Tamara Wörner
/ Gilda Rebello
/ Florence Kasumba
/ Virgina Lillye

Silky, Snickers, Slick, Enrique, Oddjob
Philippe Ducloux
/ Christopher Hemmans
/ Kristofer Weinstein Storey
/ Walter Louis
/ Steven Timmerman



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