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Die Kunst und die Revolution
Von Bernd Stopka
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Fotos von Franz Schlechter Hast Du erfüllt, was Gott dir auftrug? Ist, dass Du schaffst und bildest genug? Matthias Grünewald stellt sich in Paul Hindemiths Oper Mathis der Maler mitten in den Bauernkriegen diese Frage. Er, der in seinen Bildern am bekanntesten und eindrucksvollsten ist wohl der Isenheimer Altar - gnadenlos grausame Realitäten abbildet, sieht sich brutal in die Realitäten des politischen und gesellschaftlichen Lebens geworfen und versucht seinen Platz darin zu finden. Eine Herausforderung, der sich jeder Künstler gegenüber sieht und für die wohl jeder Künstler seine eigene Haltung finden muss, wie unterschiedlich auch immer das ausfällt. Ob man wie Wagner auf den Dresdener Barrikaden kämpft oder sich wie Richard Strauss mitten im zweiten Weltkrieg in Capriccio mit der Frage auseinandersetzt, ob der Musik oder dem Wort der Vorrang gebührt. Regina (Inga Kalna),Mathis (Falk Struckmann), Hans Schwalb (Pär Lindskog)
Als erste Neuproduktion der Spielzeit 2005/2006 hat Christian Pade Mathis der Maler an der Staatsoper Hamburg inszeniert und zusammen mit seinem Bühnen- und Kostümbildner Alexander Lintl viele ungeheuer starke, überwiegend düstere Bilder gefunden - aber andererseits auch manche Szene arg lang(weilig) werden lassen. Die Regie verliert sich nicht in Aktualisierungen, wirkt zuweilen zwar etwas plakativ, aber es gelingt, überzeitliche Bilder zu finden und mit dezenten Andeutungen auf Parallelen hinzuweisen, unaufdringlich, aber gedankenanstoßend. Regiekunst für die das Publikum dankbar ist, dessen eigene Gedanken im sonstigen Regietheater allzu oft mit holzhammerartigen Sichtweisen geknechtet werden. Als ein eindrucksvolles Beispiel sei das bühnengroße goldene Kreuz in der Bücherverbrennungsszene genannt. Um dieses Kreuz schlingt sich eine blutrote Männerfigur, deren Extremitäten hakenkreuzförmig gewinkelt sind. Eine gelungene Form diese Parallele aufzuzeigen, sie aber nicht dominieren zu lassen. Albrecht (Scott McAllister) bringt seinen geliebten,ach so einträchtigen Mainzern eine neue Reliquie.
Die streitenden Lutheraner und Päpstlichen tragen den Namen ihres jeweiligen Vordenkers wie T-shirt-Drucke auf den Kutten. Vor ihnen liegt ein Ritter mit unzähligen Schwertern im Rücken (auf Spießchen, sozusagen), zwischen ihnen steht eine Gruppe heutiger Autonomer oder Punker, die sich der Zuordnung zu einer dieser Parteien verweigern. von Brandenburg (Scott McAllister) im Heiratsgespräch
Während Ursula zunächst im lebensfrohen, weißen Marylin-Kleid auftritt, erscheint sie zum Verehelichungsgespräch mit dem Kardinal im hochgeschlossenen schwarzen Kostüm. Aber obwohl sie unter dem Blazer, ein offenherziges Oberteil trägt, erzeugt sie beim Kardinal die Einsicht, sich dem Weltlichen zu verweigern und als Eremit zu leben. Und das liegt ganz bestimmt nicht an Ursulas Figur! Als äußeres Zeichen seines künftigen Eremitentums wäscht er Ursula die Füße. (Mein erstes Amt verricht' ich so erinnert man sich an Parsifal) Der versponnene, weltfremde und finanziell verantwortungslose Reliquien- und Kunstsammler hat sich nun für einen anderen Lebensweg entschieden.
Die weiblichen Versuchungen
Die Darstellung der Versuchungen im sechsten Bild fallen dagegen etwas sehr fahl aus, besonders, wenn man die für diese Szene anstoßgebenden Bilder des Isenheimer Altars vor Augen hat. In weißen Mänteln sitzen die Versucher auf einer Reihe weißer Stühle wie die Götter in Walhall. Zum Auftritt wird der Mantel abgelegt, danach wieder angezogen. Diesen Versuchungen kann man durchaus widerstehen. zugleich (Scott McAllister), weist Mathis (Falk Struckmann) den Weg: Gehe hin und bilde!"
Sparsam, aber effektvoll setzt die Regie filmische Mittel ein. Wenn Mathis im fünften Bild vom Widerschein des Höheren singt, beginnt er mit seinen Händen ein Schattenspiel, das sich verselbständigt und verwirrt. Den stärksten filmischen Effekt hat sich das Regieteam aber für den Schluß aufgehoben. Auf einer ovalen Leinwand mischen sich fließende Farben, die teils tropfend, teils zäh wie Magma wirken. Gelb und Rot mischen sich und es entsteht das Bild des Auferstandenen des Isenheimer Altars, das dann verblassend nach hinten zu entschwinden scheint. Der greise Mathis hat sein Lebenswerk vollbracht, sitzt auf einem der weißen Stühle aus der Versuchungsszene und streichelt einen toten Hasen. Zu Beginn hatte sich Mathis aus einer riesigen grauen Filzdecke geschält, Joseph Beuys läßt grüßen, hier wie dort, denn der tote Hase erinnert ebenfalls an den Ausnahmekünstler aber mit ihm grinst auch Christoph Schlingensiefs Bayreuther Parsifal-Hase ironisch um die Assoziationsecke. Das wirkt dann alles schon ein wenig sehr konstruiert.
Mathis (Falk Struckmann) in grauer
Der Schluß der Oper zeigt ein feines Detail der Personenregie: Mathis hatte einst von Ursula ein Band als Liebespfand bekommen und es später wiederum Regina geschenkt. Die sterbende Regina bitte nun ausgerechnet Ursula Mathis dieses Band wiederzugeben, als das Band, dass Mathis und Regina verband. Da wird es noch einmal richtig hart menschlich, da zeigt die Regie, das Ursula, die nie aufgehört hat Mathis zu lieben, daran mächtig zu schlucken hat und zeigt, dass auch jemand, der ein göttliches Kunstwerk erschaffen hat einem Menschen verdammt weh tun kann. Eine Form des Konflikts im Alltag. Eine menschliche, die jeden betrifft. Nicht nur Künstler. Mathis (Falk Struckmann) kämpferischneben Hans Schwalb (Pär Lindskog) und Regina (Inga Kalna)
Schade ist dennoch, dass solche Bildern von großer Ausdruckskraft vielen Szenen langweiliger Rampensingerei gegenüberstehen. Dann wirkt die Personenregie unbeholfen und beliebig, so, als ob diese Szenen vernachlässig wurden, während andere bis ins Detail durchdacht sind. Besonders lästig ist dabei ein antiquiert-modern wirkendes Regieelement: Personen, die sich mit Farbe beschmieren. Simone Young, Hamburgs neue Intendantin und Generalmusikdirektorin in Personalunion, gibt mit der musikalischen Leitung dieser ersten Neuproduktion unter Ihrer Intendanz einen begeisternden Einstand. Sie durchleuchtet die Partitur nach reizvollen Details ohne sich in solchen zu verlieren. Sie baut gewaltige Steigerungen auf, schwelgt, wo Schwelgen angesagt ist und zeigt Feinheiten in transparenten Klangbildern. Das Orchester folgt ihr - nach einigen kleineren Unsauberkeiten zu Beginn - mit Hingabe und so war es eine ebenso achtungsvolle wie liebenswerte Geste, dass sich die Dirigentin beim Schlussapplaus dem Publikum das erste Mal inmitten des auf der Bühne versammelten Orchesters zeigte.
Riedinger (Harald Stamm) und den
Harald Stamm als bassgewaltiger Riedinger und Falk Struckmann in der Titelpartie sind die einzigen Rollenerfahrenen im Ensemble. Alle anderen gaben ihre Rollendebüts und das mindestens beachtlich. Mathis (Falk Struckmann)brutal bedroht
Falk Struckmanns gewaltiger Bariton besitzt ernorme Durchschlagskraft und großes Durchhaltevermögen. Gelegentlich klingt er etwas rau und angestrengt in der Höhe. Mit seinem Stimmmaterial verleiht er dem Mathis einen sehr entschlossenen, ja fast harten, herben Charakter. Ein wenig vermisst man das Sensible, Sanfte, das den Maler auch stimmlich als Zerrissenen zwischen Kunst und Politik charakterisiert. Aber das kraftvolle Alleluja am Ende der Versuchungsszene im Duett mit Scott McAllister muss so erst einmal nachgesungen werden! McAllisters klarer Tenor besitzt viel Stimmkultur, wirkt nirgends angestrengt, aber immer ausdrucksvoll. So stellt er auch stimmlich überzeugend die Entwicklung vom naiv weltfremden Kunst-Kardinal zum Eremiten und apostolischen Auftraggeber (Gehe hin und bilde, im sechsten Bild) dar. Susan Anthony zeigt die Facetten von Ursulas Seelenleben mit vielen Farben und Nuancen ihres wunderbaren Soprans, von mädchenhaft-unschuldig, bis fraulich-zwangsvernünftig. Nur in ihrer großen Szene vor dem Kardinal klang die Stimme momentweise etwas eng.
Hans Schwalb (Pär Lindskog), hinterrücks
Die klare, helle Schönheit seines geradlinig durchgeformten, jugendlich klingenden Tenors lässt Pär Lindskog als Hans Schwalb zum heimlich Star des Abends werden. Gereckten Schwertes lässt er an Siegfried denken und darauf hoffen. (Den Siegmund hat er bereits an der English National Opera gesungen). Als seine Tochter Regina besticht Inga Kalna mit dem liebreizenden Ausdruck ihres jugendlichen Soprans. Wunschlos glücklich machen Chor und Extrachor, die sich besonders durch große Präzision in den Klangmassen auszeichnen. FAZIT Eine musikalisch hervorragende Produktion, die szenisch etwas unausgewogen zwischen starken Bildern, Szenen von tiefer Eindringlichkeit und Momenten flacher Langeweile schwankt. Eine Inszenierung mit der Hamburg den jüngst errungenen Titel Opernhaus des Jahres nicht unbedingt verteidigen kann, aber dennoch ist der Hamburger Mathis sehenswert. Vor allem aber hörenswert. Aufständische Bauern, Hans Schwalb (Pär Lindskog)und seine Tochter Regina (Inga Kalna)
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild und Kostüme
Licht
Video
Chor
Dramaturgie
SolistenAlbrecht von BrandenburgScott McAllister
Mathis
Lorenz von Pommersfelden
Wolfgang Capito
Riedinger
Hans Schwalb
Truchsess von Waldbur
Sylvester von Schaumberg
Graf Helfenstein
Pfeifer des Grafen
Ursula
Regina
Gräfin Helfenstein
Vier Bauern
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