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Ein Traum und eine Offenbarung
Von Bernd Stopka
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Fotos von Andreas H. Birkigt
Der Rosenkavalier ist eine Komödie für Musik. So haben ihn Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss nicht nur genannt sondern auch gedichtet und komponiert. Und das hat Alfred Kirchner in seiner Inszenierung aus dem Jahr 1998 für die Oper Leipzig ganz wörtlich genommen. Er hat eine Komödie inszeniert, die viel Spaß macht und alten und neuen Humor vereint, ohne dabei peinlich zu wirken oder gar in die Klamotte abzudriften.
Doch so ganz unmittelbar will er das dann doch nicht stehen lassen und stellt die Frage, ob das Ganze nicht nur ein Traum ist in einem Traum ist ja alles erlaubt, auch die klassische Inszenierung ohne Modernisierung und Umdeutung.
Mit viel Hintersinn, Komik und Logik (!) ist dieser Rosenkavalier inszeniert. Pointen werden sehr musikalisch punktgenau gesetzt und man kann stellenweise - wie von Strauss gewünscht - nicht nur lächeln, sondern auch lachen. Zum Beispiel wenn der Baron Ochs seine halbverwelkte Sonnenblume, zuerst der Leitmetzerin überreichen will, weil er sie für seine Braut hält. Das ist nicht nur ein Gag, es macht hinterher auch verständlicher, dass er nicht will, dass sie ihm vorgestellt wird: Laß er das weg. Es ist ihm peinlich.
Das Prahlen des Barons im ersten Akt Juni, Juli, August. Da hast's Nächte! veranlasst die beiden Liebenden zu einem wissenden Zulächeln, denn das kennen die beiden selbst nur zu gut... Da die adeligen Waisen mit Maiglöckchen-Sträußen zur Marschallin kommen, könnte man darauf schließen, dass die Affäre Marschallin/Octavian nicht ganz neu ist, sondern schon viele Monate dauert. Zumindest in dieser Inszenierung.
Auf der Grenze zum Albtraum ist der leicht gruselig unnatürlich wirkende Faninal gezeichnet. Der Tanz der Diener am Schluss des zweiten Aktes berührt die Grenze zum Grotesken. Das ist ja manchmal so wenn man träumt: Erst fängt es ganz realistisch an und driftet dann ab.
Und über allem schwebt der leicht morbide Wiener Charme, und in allem steckt eine Bedeutung. Nicht mit dem erhobenen Finger aufgezeigt, sondern ganz charmant. Der Tiefsinn bleibt an der Oberfläche versteckt, ganz nach dem Credo der Autoren.
3. Akt, ...dass wir zwei beieinander sein...
Eine besondere Bedeutung bekommt das Schlussterzett: Das Bühnenbild entschwebt in den Schnürboden, die Marschallin, Octavian und Sophie stehen in ihrer Ratlosigkeit vor dem schwarzen Rundhorizont im leeren Raum, den Octavian und Sophie nach dem Abtreten der Marschallin in einem artig-verliebten Spaziergang abschreiten. Gerade im Gegensatz zu den vorherigen üppigen Bühnenbildern ist das ein in seiner Schlichtheit höchst intensives, starkes Schlussbild.
Schlicht und ergreifend gesagt: Diese Inszenierung ist wunderschön.
Und in dieser Inszenierung stehen außergewöhnliche Sängerdarsteller auf der Bühne.
Gabriele Fontana ist als Marschallin eine Offenbarung. Schon mit ihrem Rollendebüt vor sechs Jahren in Hannover hat sie nachhaltig beeindruckt. Seitdem hat sie ihre Interpretation weiter bis in kleinste Nuancen ausgefeilt. Man hat noch stärker den Eindruck, dass sie die Marschallin bis in die Fingerspitzen durchlebt. Ihr substanzreicher, in herrlichsten Farbnuancen blühender Sopran besitzt eine enorme Ausdruckskraft und klingt nie angestrengt, ist weder zu leicht noch zu schwer, sondern genau richtig für die Partie. Besonders die Mittellage hat in den letzten Jahren noch dazu gewonnen. Sie beherrscht die Partie absolut sicher und diese Sicherheit öffnet die Tore für eine intensive Interpretation, die diese großartige Sängerdarstellerin gern und intensiv durchschreitet.
1. Akt,
Kathrin Dörings bruchloser Mezzo klingt knabenhaft klar, aber ohne jede Härte. Ein besonderer Hörgenuss. Und auch darstellerisch ist sie ein wundervoller Octavian! Bei ihr spürt und hört man gleichfalls eine intensive Auseinandersetzung mit der Figur und eine detailgenaue Erarbeitung der Partie. Die überschwängliche, jugendliche Leidenschaft verkörpert sie genauso intensiv wie die Ungeduld und das Trotzige dieses jungendlichen Liebhabers.
Eun Yee You ist keine ganz so dusselige Sophie wie es der Text hergeben könnte. Ihr mädchenhaft zarter Sopran besticht eher durch Klangschönheit als durch Ausdrucksstärke, aber das kann auch ein Interpretationsansatz sein. Diese Sophie bleibt solange etwas kühl und zurückhaltend bis die Marschallin im dritten Akt auf Oktavian verzichtet. Erst dann klingen heftigere Gefühle an. Auch gelingt es ihr überzeugend darzustellen, dass Sophie ein eingeübtes nicht immer gelingendes - adeliges Verhalten zu zeigen versucht ganz im Gegensatz zu den verinnerlichten Umgangsformen der Marschallin.
Alle drei Frauenstimmen sind nahezu ideal aufeinander abgestimmt und klingen sowohl als Marschallin und Octavian wie auch als Octavian und Sophie ausgesprochen harmonisch zusammen, ohne dabei auf Individualität zu verzichten. Gekrönt wird das mit einem traumhaft schönen Schlussterzett, dass tief unter die Haut geht und keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Als polternder Baron Ochs macht Michael Eder viel Spaß, auch wenn er im Spiel und was die Blicke zum Dirigenten angeht nicht ganz so souverän wie seine Kolleginnen ist. Sein kraftvoller Bass könnte nur in der tiefsten Tiefe ein bisschen mehr Volumen haben. Sehr eindrucksvoll verkörpert er den zuweilen etwas arg derben Schwerenöter, der sich auch zum Schluss keiner Schuld bewusst, sich seiner selbst aber umso sicherer ist. Ein onkelhafter Typ, der im ersten Akt ganz lieb und im dritten Akt ganz dämlich gucken kann. Köstlich.
Jürgen Kurth verleiht dem von der Regie etwas obskur karikierten Faninal mit rundem Bariton musikalisch Größe und Souveränität. Stanley Jackson singt die Arie des Sängers kraftvoll und mit Schmelz. Als Intrigantenpaar Valzacchi und Annina hinterlassen Martin Petzold und Ceri Williams einen guten Eindruck. Die weiteren kleineren Partien sind adäquat besetzt, der Chor meistert seine kurzen Auftritte souverän.
Mit Peter Schneider steht ein erfahrener Strauss-Dirigent der ersten Garde am Pult. Er hält die Balance zwischen Leidenschaftlichkeit und Leichtigkeit, lässt eine unheimliche Dichte der Musik spüren und an den entsprechenden Stellen einen emotionalen Sog, der nie ins Sentimentale abgleitet. So klingt die Rosenüberreichung auch durch ein recht zügiges Tempo zart und fein, bleibt aber fern aller Süßlichkeit. Das zaubert ein Lächeln auf die Gesichter, löst aber keine schweren Seufzer aus. Ganz nach dem Motto der Marschallin Leicht muß man sein...
Das Orchester folgt ihm willig und hörbar gern und zeigt sich von seiner besten Seite.
Eine wirklich schöne Inszenierung und auch musikalisch bleiben kaum Wünsche offen. Gabriele Fontana setzt als eine Marschallin der Extraklasse besonders eindrucksvolle Akzente.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Künstlerische Mitarbeit
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Kinderchor
Abendspielleitung und szenische
Baron Ochs auf Lerchenau
Octavian
Herr von Faninal
Sophie
Jungfer Marianne Leitmetzerin
Valzacchi
Annina
Ein Sänger
Ein Polizeikommissar
Der Haushofmeister
Der Haushofmeister
Ein Notar
Ein Wirt
Ein Mohr
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