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Alles dreht sich um das Eine
Von Christoph Wurzel
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Fotos vom Karl Forster
Es ist nicht so leicht bei "Figaros Hochzeit " noch etwas Neues zu bringen. Nun hat der erfahrene Johannes Schaaf in Mannheim für Mozarts Oper zwar keine ganz neue Deutung gefunden, ihr aber ein paar Aspekte abgewonnen, die diese Neuproduktion im Vorfeld des Mozartjahres interessant machen. Tobias Schabel (Figaro)und Iris Kupke (Susanna)
Zur Ouvertüre kann man schon mal einen Blick in das Treiben des erwachenden tollen Tages werfen. Draußen verjagen die Diener die quakenden Frösche aus dem Gartenteich, drinnen wälzt sich die Gräfin mit ihrem Tröster, einem riesigen Teddybär, frustriert auf ihrem Lager, während nebenan der Graf gerade ein Kammermädchen aus seinem Bett schubst. Derweil beginnt Figaro nicht nur am neuen Zimmer, sondern auch an seiner Zukünftigen Maß zu nehmen. Munter dreht sich Raum um Raum in diesem Schloss und eben alles um das Eine. Schaaf verlässt sich ganz auf die Situationskomik und hat zumeist die Lacher auf seiner Seite. Nicht jede Szene freilich kann mit originellen Gags aufwarten, manches ist etwas zu konventionell geraten. Die Sesselszene im 1. Akt oder das Zickenduett Susanna/ Marzelline hat man schon oft so oder ähnlich gesehen. Wenig überzeugend bleibt auch das letzte Finale, dessen Verkleidungszauber einer Sommernacht im spanischen Garten durch die Minilämpchen in Blümchenform allzu banalisiert erscheint. Aber Johannes Schaaf sind auch ein paar zündende Ideen gekommen, welche die Sache wirklich komisch machen. Als Susanna zu Cherubinos Kanzone im 2. Akt mit der Gitarren-Begleitung (die natürlich aus dem Graben kommt) viel zu schnell einsetzt, entsteht ein Überraschungsmoment, das man zuerst dem Kapellmeister anlasten will. Dann regelt der Page das aber leger und souverän, wie überhaupt die Sängerin der Partie, Marie-Belle Sandis ein berückender kleiner Verführer ist und das Kompliment "bravo, che bella voce" hier ins Schwarze trifft. Wie schnell die Situationen in dieser Oper umschlagen, zeigt Schaaf an vielen Stellen. Gerade noch hatte der Graf seine Frau aufs gemeinste kompromittiert und ihr unterstellt, einen Liebhaber im Schrank zu verstecken, da sucht die Gräfin nach der unverhofften Rettung durch Susanna seine Niederlage zu nutzen, um ihn gleich aufs Bett zu ziehen. Und Susanna entsorgt noch schnell Mantel und Degen.
Eteri Gvazava (Gräfin), Markus Eiche (Graf)
Überhaupt ist diese Gräfin eine blitzend erotische Person, die es faustdick hinter den Ohren hat und ihre ganze Energie aus der Spannung von Lust auf und Frust über ihren Mann zu gewinnen scheint. Eteri Gvazava leiht ihr überzeugend die juvenile Statur. Doch stimmlich bleibt sie hinter den Erwartungen zurück. Angespannt nervös fleht sie in ihrer Auftrittsarie mit zu viel Vibrato, in flachem Piano und allzu pathetisch-schwer den Gott der Liebe um die Rückkehr ihres Mannes an. Etwas gefälliger gelingt die zweite Arie ("Dove son i bei momenti") im 3. Akt.
Als Bonus gibt es sogar noch zwei Szenen original von Beaumarchais, weil Mozart "etwas zu komponieren versäumte". Und da lässt die Inszenierung tatsächlich aufmerken und wirft einen Moment ein Schlaglicht auf eine neue Facette des Stücks. Meist abgetan wird Marzelline als Klischee der komischen Alten und die Sache um das Findelkind Figaro als ein alberner Zufall. Da Ponte hat das der dramaturgischen Stringenz wegen sehr kurz gefasst. Doch bei Beaumarchais wird im 3. Akt die pikante Historie genauer beleuchtet. Ein Fehltritt war`s des Fräulein Mazelline. Der Mann, der sie verführte, hat sie schnöde sitzen lassen, der aufgeblasene Doktor Bartolo. Beaumarchais macht daraus eine kleine Philippika gegen die Männermoral, damit es wirken kann auf deutsch und nur gesprochen, in die Oper hier eingeschoben aus dem originalen Stück. So bekommt die causa einen Sinn und die Aufführung Witz. Markus Eiche (Graf) und Iris Kupke (Susanna)
In der Personenzeichnung ist die Inszenierung sehr genau und scharf in den Konturen. Herrlich getroffen der eingebildete, liebestolle Graf des Markus Eiche, der auch gesanglich nichts schuldig bleibt und sich ebenso lüstern durch seine Residenz schmeichelt wie er cholerisch das Recht zu verbiegen versucht. Etwas zu wenig Biss hat Figaro als sein Gegenspieler, allzu gemütlich will er ihm zum Tanz aufspielen ("Se vuol ballare"), doch Tobias Schabel singt die Partie tadellos. Die schlaue Susanna der Iris Kupke hat sowieso schon alle Sympathiepunkte auf ihrer Seite und ihre Rosenarie im 4. Akt rührt wirklich an. Auch die komischen Nebenfiguren gewinnen deutliches Profil: der korrupte Richter Don Curzio (Oskar Pürgstaller) ebenso wie der schleimig intrigante Basilio (Uwe Eikötter), Mannheim wartet hier mit kompetenten Sängern aus dem Ensemble auf. Auch der alleinerziehende Gärtner Antonio (Martin Busen) mit seiner Tochter (Anna Matyushenko), der Mozart sogar eine hübsche Arie gegönnt hat, vernachlässigen ihren Part keineswegs. Am Pult stand der 1. Kapellmeister Axel Kober und hatte alle Hände voll zu tun, Graben und Bühne zu koordinieren. Nicht selten klapperte es hörbar, da dürfte in kommenden Aufführungen noch mehr Glätte entstehen. Die Ouvertüre ging Kober noch recht derb an, dann verfeinerte sich die musikalische Diktion und vor allem die instrumentalen Solisten hoben sich sehr schön heraus. Nicht selten auch entwickelte das Orchester einen temperamentvollen Drive und trug zum dramatischen Tempo erheblich bei. Nachdem die mühsame Versöhnung auf der Bühne am Schluss etwas im Nebel verschwamm, rauschte doch herzlicher Beifall für alle Beteiligten auf und Mannheim konnte mit diesem Figaro einen Publikumserfolg verbuchen.
Eine komische Oper ist durchaus gelungen. Allerdings war die Premiere dennoch nicht aus einem Guss - szenisch wie musikalisch fiel sie etwas uneinheitlich aus. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Graf Almaviva
Grafin Almaviva
Figaro
Susanna
Cherubino
Marcellina
Bartolo
Basilio
Don Curzio
Antonio
Barbarina
Bauernmädchen
Susanne Nederkorn
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