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Hartz V wird abgeschafft. Und Hartz VI auch. Und Hartz VII auch.
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture Gmbh Wenn im Besetzungszettel einer Operettenpremiere ein Halbsatz wie Texteinrichtung von oder Neugefasst von zu finden ist, dann ist, das lehrt die jüngere Operettenvergangenheit, Gefahr im Verzug. Dann drohen unsägliche Kalauer über den Besucher herzufallen. Oder eine Flut bracchialen Frohsinns das Publikum zu ertränken. Jacques Offenbach wollte der Gesellschaft seiner Zeit den satirischen Spiegel vorhalten, und dieses in die Gegenwart zu übertragen macht Eingriffe in den Text legitim doch der Grat, den es zu beschreiten gilt, ist denkbar schmal und die Fallhöhe groß. Selbst eine kabarettistische Koryphäe wie Konrad Beikircher ist gegen tiefe Stürze nicht gefeit, wie das Fiasko des Kölner Orpheus in der Unterwelt zeigte (unsere Rezension). Jetzt stürzen sich in Dortmund Anthony Pilavachi (Regie) und Daniela Brendel (Dialogfassung) auf La belle Hélène und mit dieser tief in den Abgrund albernen Klamauks. Helena (Maria Hilmes) ist ihres Gatten Menelaos (Jeff Martin) überdrüssig.
Nicht, dass dem Regisseur nichts zur Schönen Helena eingefallen wäre, ganz im Gegenteil: Pilavachi schüttet geradezu ein Füllhorn von Ideen aus. So lässt er den ersten Akt in einem Nachtclub (mit allerlei Transvestiten in Strapsen) spielen, den zweiten im Plenarsaal eines Parlaments, den dritten in der Gemeinschaftssauna. Helena darf sich zwischenzeitlich mit schwarzem Tuch und Sonnenbrille kleiden wie Jackie Kennedy; Liebhaber Paris kommt mit Tätowierung und ungehobeltem Charme daher wie Robbie Williams (und aus dem Schäfer ist ein Müllmann geworden). Statt Briefen schreibt man ganz modern SMS. Die Kriegshelden Achilles, Agamemnon und die beiden Ajaxe tragen Karnevalshütchen. Es werden Seilchenspringen (in der Sauna) und Gruppensex (auch in der Sauna) geboten. Undsoweiter undsoweiter. Schäferstündchen: Helena (Maria Hilmes) und Paris (John Daniecki)
Offenbar glaubt der Regisseur, dass dem Publikum die Lachtränen nur so in die Augen schießen, sobald - wie modern! - ein Handy hochgehalten wird; und wenn König Menelaos die Gesetze Hartz V, Hartz VI und Hartz VII abschaffen möchte, soll man sich offenbar auf die Schenkel schlagen vor Vergnügen. Das Premierenpublikum unterließ beides. Die allzu routinierte Aneinanderreihung von Pointen lässt diese weitgehend verpuffen, weil sie ebenso beliebig wie halbherzig abgespult werden. Der Inszenierung fehlt das Zentrum oder ein roter Faden, der das Geschehen zusammenhalten könnte. So ließe sich in der Sauna-Szenerie durchaus Komik entwickeln, wenn der Regisseur seinen Einfall ernst nähme dazu müssten sich aber die Figuren auch annähernd so verhalten, als seinen sie wirklich in der Sauna, schon des parodistischen Effekts wegen. Hier aber sieht man einen Saunaraum, der kaum mehr Funktion hat außer beim Heben des Vorhangs für einen Lacher zu sorgen. Weil der Inszenierung aber die Konsequenz fehlt, den Einfall weiterzuentwickeln, wird er schnell bedeutungslos. Und während auf der Bühne alles geradezu schreit, dass es flott und spritzig sein möchte, breitet sich im Zuschauerraum Langeweile aus. Gestörtes Schäferstündchen: Ensemble
Ein weiteres Problem der Aufführung das betrifft die Solisten wie den (präsenten und klangschönen) Chor ist die mangelnde Artikulation. Wenn man schon die deutsche Übersetzung spielt, sollte man auch den gesungenen Text verstehen. Die eigentliche Geschichte aber geht im Wesentlichen unter, als käme es nicht darauf an. Wo alles auf lärmende Fröhlichkeit getrimmt ist, fällt es den Sängern schwer, sich zu profilieren. Ziemlich blass bleibt John Daniecki in der Rolle des Paris, der mit leicht verschattetem Tenor sängerisch solide, aber eben auch nicht übermäßig verführerisch. In der Szenerie kommt er sich offenbar recht verlassen vor; da könnte die (den Operettenkonventionen gehorchende) Personenregie noch nachlegen. Jeff Martin muss man zugute halten, dass er den Menelaos von Anfang an konsequent als Karikatur anlegt (auch gesanglich) ein verhutzeltes Bürokratenmännlein, das nun wirklich niemand ernst nehmen kann. Damit ist Martin näher bei Offenbach als alle anderen Protagonisten des Abends. Bart Driessen als Agamemnon und Hannes Brock als Kalchas können in einem durchschnittlichen Ensemble, das mehr und mehr hinter Goldhütchen und Pappnasen verschwindet, am ehesten Akzente setzen. In der Sauna: Agamemnon (Bart Driessen, l.) Menelaus (Jeff Martin) und Kalchas (Hannes Brock)
Maria Hilmes ist eine der Stützen des Dortmunder Ensembles; vor allem als Octavian im Rosenkavalier hat sie beeindruckt (unsere Rezension). Die Rolle der schönen Helena liegt ihr weniger. Sie singt die Partie zwar sehr sauber und mit großer Leichtigkeit, aber trotz ihrer attraktiven Erscheinung nimmt man ihr die liebestolle Diva auch musikalisch - nicht recht ab. Zu mädchenhaft und in gewisser Hinsicht zu brav ist die Stimme, die für die Rollenanlage auch größer sein dürfte. Was die Aufführung leidlich rettet, ist das unprätentiöse und temporeiche Dirigat von Ralf Lange am Pult der ordentlichen Dortmunder Philharmoniker. Hier entsteht in vielen Momenten tatsächlich jene Leichtigkeit und Esprit, den Offenbach sich vorgestellt hat, mitreißend über manche (nicht jede) Plattitüde auf der Bühne hinweg. Da sehnt man sich danach, Offenbach nicht vordergründig auf Tagesaktualität getrimmt zu sehen - oder konsequenter und abgründiger: Christoph Loy hat das in Duisburg und Düsseldorf vorgemacht (unsere Rezension). Dabei weiß man eigentlich auch in Dortmund, wie man herrlich überdrehte Musikkomödien spielen kann der jüngste Barbier von Sevilla jedenfalls ist weitaus prickelnder als diese Schöne Helena. FAZITZu halbherzig, um witzig zu sein: Aus vielen Ideen wächst noch lange keine gelungene Komödie. Musikalisch mittelprächtig. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreinstudierung
Dramaturgie
SolistenParisJohn Daniecki
Menelaos
Agamemnon
Orest
Kalchas
Achill
Ajax I
Ajax II
Helena
Bacchis
Leoena
Parthoenis
Philokomos
zwei junge Mädchen
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