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Un ballo in maschera
(Ein Maskenball)


Dramma per musica in tre atti
Dichtung nach Eugène Scribes Drama Gustav III. ou le bal masqué
von Antonio Somma
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater Duisburg am 9. Dezember 2006


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Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Ein Maskenball für die Rheinoper

Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub

Der norwegische Regisseur Stein Winge, der an der Deutschen Oper am Rhein bereits mit Boris Godunow, Elektra, Macbeth und drei Opern eines nie zuende gebrachten Janacek-Zyklus bald mehr, bald weniger reüssierte, hat dem Spielplan nun eine die längste Zeit kreuzbrave, belanglose Neuinszenierung von Verdis Un ballo in maschera beschert, die niemanden verstört, aber auch niemanden ärgern kann, auch nicht die Premierenbesucher, von denen sich nur einige wenige zu Buhrufen entschließen konnten, vermutlich weil sie dachten, dass man das heutzutage so macht.

Vergrößerung Gustavo III. (Viktor Afanasenko, vorne rechts) lässt sich von seinem Hofstaat (Ensemble, Chor und Statisterie der Deutschen Oper am Rhein) abschirmen.

Dabei beginnt der Abend gar nicht uninteressant: Man lernt einen Monarchen kennen, der seinen Hofstaat in Pyjama und Morgenmantel empfängt und von seinem Pagen mehr Alkohol eingeflößt bekommt als gesund sein kann und der sich nicht einmal mehr für das Modell seines neuen Palastes oder einer nach seinen Vorstellungen entworfenen neuen Stadt interessiert, das Sekretärinnen mit Figurinen bestücken, was keine schlechte Veranschaulichung des Umganges mit Menschen ist, den man diesem Herrscher zutraut, der seine Regierungsgeschäfte als Teil seines Partylebens zu verstehen scheint. Durchaus faszinierend fand ich auch den dunklen Bühnenraum von Hartmut Schörghofer mit den gemalten Wandtälern an den Wänden und mit einem schrägen Boden, dessen eine Ecke bis zum Rand des Orchestergrabens reicht (na ja, neu ist das auch an der Rheinoper nicht), der durch den Einsatz der Drehscheibe (offenbar keine ganz leichte Aufgabe für das technische Personal) immer wieder Veränderungen erfährt und so neue Spielflächen und -ebenen bekommt.

Vergrößerung Amelia (Victoria Safronova) liebt König Gustav (Viktor Afanasenko), der seine Kapitänsmütze aus dem letzten Bild aufbehalten hat, ...

Warum Tine Schwab die Darsteller in unauffällige Kostüme unserer Zeit gesteckt hat, vermochte ich nicht nachzuvollziehen, der bereits erwähnte Schlafanzug in hellblau, der gelbe Bademantel und die Pilotensonnebrille wirken indes so aristokratisch nicht, auch nicht die blauen Retroshorts und die weißen Socken, die der Zuschauer beim Umzug Gustavs ebenso zu sehen bekommt wie den freien Oberkörper und die nackten Beine des Interpreten, auch nicht Amelias pinkes Jäckchen, das sie unter den diversen Pelzen zu tragen hat, das aber aus einem Billigbekleidungsladen stammen könnte, und die Lockenpracht der Darstellerin, die der Zähmung bedurft hätte, nicht des permanenten Herumzuppelns - all dies sind gewiß keine Attraktionen, Sensationen oder besondere Ärgernisse, die man unbedingt erwähnen müsste, aber leider halten sich berichtenswerte Momente an diesem Abend eben in sehr beklagenswerten Grenzen. Da wäre noch zu reden von einem atemberaubenden Feuerwerk, das einem der tiefen schwarzen Sitzmöbel entspringt, von einer Statistin im Evakostüm, die sich unter Ulricas Pelzmantel hervorräkelt, vielleicht von der Kapitänskappe des Königs, die Amelia später benutzt, um vom Gatten nicht erkannt zu werden, von Renatos genialem Trick, ein Los mit seinem Namen drauf in der Hosentasche zu verstecken, damit er auf jeden Fall derjenige ist, der den vermeintlichen Rivalen töten darf, egal, welcher Zettel aus der Vase gezogen wird, aus der er zuvor das Wasser ausgeschüttet hat. Dies sind dann aber tatsächlich die einzigen Höhepunkte einer Neuproduktion, in der ansonsten ziemlich klar und vorhersehbar die äußere Handlung erzählt wird und alles übrige dem schauspielerisch sehr unterschiedlich begabten Bühnenpersonal überlassen bleibt.

Vergrößerung

... die der Geliebten als Tarnung dienen soll gegenüber ...

Tobias Richter hat ein bemerkenswert sicheres Händchen für das Engagieren von schlechten Tenören (man erinnert sich voller Entsetzen an Albert Bonnema, der sich in Les Troyens blamierte), obwohl er doch viel herumkommt und deswegen inzwischen ja auch von der Lokalpresse öffentlich kritisiert wird. So kurzfristig war die Absage von Aleksandrs Antonenko ja nicht, so schwierig zu besetzen ist die gewiss anspruchsvolle Partie des Gustavo III. nun auch nicht, aber selbst wenn einer der dem Haus verbundenen Tenöre wie Steven Harrison, Sergej Khomov oder Angelos Simos nicht an allen Abenden der Serie gekonnt hätte, hätte man sicher in Italien oder sonstwo einen Sänger auftreiben können, den man schnell in diese szenisch nicht zu fordernde Produktion hätte einweisen können. Völlig unnachvollziehbar bleibt daher, warum die Wahl ausgerechnet auf Viktor Afanasenko gefallen war, der schon größte Probleme mit der rein musikalischen Bewältigung der Partie hatte und dessen Schlamperei hinsichtlich der korrekten Noten (!), der rhythmischen Vorgaben und der Intonation ein ebenso großes Ärgernis war wie das bleiche, greinend-ältliche, ausgewaschen-farblose Timbre der Stimme, der völlig unpassende Chansonton und das beinahe wie Markieren klingende Singen, das wohl Leichtigkeit signalisieren sollte, aber nicht davon ablenken konnte, dass der Russe kein vernünftiges Piano zustande bringt, wobei auf der anderen Seite einzelne vorn an der Rampe ins Publikum geschmetterte Töne wegen des ausufernden Vibratos gleichermaßen eine Pein waren. Gibt es da kein Vorsingen, bevor man einem so offensichtlich überforderten, inakzeptablen Interpreten einen Vertrag anbietet?

Vergrößerung ... dem Gatten (Boris Statsenko), der böse wird, nachdem der Betrug offenkundig geworden ist.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "È scherzo od è follia" - (1. Akt, Auszug) - Viktor Afanasenko (Gustavo III.) und Ensemble
(MP3-Datei)


Victoria Sofranova erwies sich als Amelia als eine dieser Sängerinnen, die über hervorragendes Stimmmaterial verfügen - in diesem Fall ein vor allem in der Mittellage sehr fülliger, substanzreich-klangvoller und auch den für dieses Fach nötigen Schuss Metall aufweisender Sopran, der freilich in der oberen Terz ein wenig an Präsenz verliert und an einigen wirklich dramatischen Stellen nicht die nötige Durchschlagskraft hat -, offenbar aber nicht gelernt haben, dass dessen ungeschlachtete Vorführung allein nicht ausreicht: Hinzukommen müssen eine wirkliche Durchdringung der Noten und des Textes, eine sorgfältige Präsentation desselben, zudem eine nuancierte vokale Interpretation, die bei einer differenzierten dynamischen Gestaltung beginnt und eine Einheitslautstärke zwischen Mezzoforte und Forte überwindet (Ansätze dafür zeigte die Künstlerin nur in der zweiten Arie, die sie vielleicht während der Ausbildung intensiver gearbeitet hat) und das Atmen an beliebigen Stellen ohne Rücksicht auf die Phrasierung verbietet. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Warum beschäftigten sich viele Sänger heute nicht mit dem Erbe der großen Aufnahmen (etwa mit denen, die Rainer Schaefer in seiner lückenhaften, stellenweise sehr subjektiv kommentierten Programmheftdiskografie nennt), um vokale wie interpretatorische Details kennen zu lernen, die ihnen offenbar nicht zu Gebote stehen (nicht, um den Klang einer Stimme zu parodieren!). Was ebenso unangenehm auffiel, war ihre schauspielerische Unzulänglichkeit, gegen die ein guter Regisseur etwas hätte unternehmen müssen. Und es muss ihr auch jemand sagen, dass man nicht ständig die Muskeln im Mundbereich lockert und die Lippen verzieht, wie man unauffällig auf die Monitore schaut, wie man sich auf einer Bühne damenhaft bewegt, wie man schnell geht und wie gebeugt und wie man beim Verbeugen nicht herumkaspert wie ein Teenager.

Boris Statsenko hatte sich vor der Vorstellung wegen einer am Vortag einsetzenden Grippe ansagen lassen (für Bruno Balmelli, der seinen Part im schlimmsten Fall von der Seite aus hätte weitersingen sollen, stand von Beginn an ein Pult bereit), aber bis auf gelegentliches Husten merkte man dem Künstler die Beeinträchtigung kaum an - sein Renato war zweifellos die musikalisch wie darstellerisch reifste Leistung des Abends und wurde vom Publikum nicht nur wegen entsprechender Aufforderung durch den Intendanten gefeiert, besonders natürlich die Arie des dritten Aktes, die ihn als klugen Gestalter auswies, der mehr und mehr auch leisere Töne für sich entdeckt (die nicht eben leichte Höhenattacke und das Anschleifen von Tönen in dieser Lage fallen auch auf, wenn der Künstler im Vollbesitz seiner Kräfte ist).

Vergrößerung

Ulrica (Renée Morloc, in der Mitte liegend) fasziniert die Volksmassen (Chor und Statisterie der Deutschen Oper am Rhein) mit der Kunst des Wahrsagens.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Re dell'abisso" (1. Akt, Auszug) - Ulrica (Renée Morloc) und Chor
(MP3-Datei)


Einen glänzenden Eindruck hinterließ auch Renée Morloc als Ulrica mit sattem, unangestrengten Alt in einer Rolle, deren Tessitura ihr entgegen kommt und der sie durch eine intensive Textbehandlung und manch andere Nuance vokal mehr Profil zu verleihen versteht als die Regie der Figur. Große Spielfreude und Geschick darin, das Publikum für sich einzunehmen, bewies Joanna Mongiardo als Oscar, und das muss sie auch, denn ihr luftiger, kleiner Sopran entfaltete wenig Glanz in den Arien und den Ensembleszenen. Dagegen machten Günes Gürle und Daniel Djambazian trotz nicht allzu großer Stimmen viel aus ihren Beiträgen als Verschwörer, von Julian Kumpusch, der den Cristiano gab, möchte man gern mehr hören, und auch Alexandru Ionitza war mit den Mitteln des Charaktertenors und auch als Erscheinung ein Gewinn als Richter. Christoph Kurig hatte den Rheinopernchor sorgfältig einstudiert, der sich von seiner besten Seite zeigte.

Über den meisten Applaus konnte sich aber Chefdirigent John Fiore freuen, der trotz der harten Herausforderung, sich auf die rhythmischen und andere Eigenheiten der Protagonisten einstellen zu müssen, am Pult der Duisburger Philharmoniker einen packenden, glutvollen und dennoch disziplinierten, eleganten Verdi dirigierte und dabei zurecht unterstrich, dass dieses Werk bereits zur Spätphase dieses Komponisten gerechnet werden kann.


FAZIT

Ein wenig aufregende, harmlose Inszenierung, die damit gut ins Repertoire der Rheinoper passt und auch in zehn Jahren noch problemlos mit Gästen besetzt werden kann; ein musikalisch durchwachsener Abend wegen des wirklich überzeugenden Orchesters und guter Leistungen der meisten Interpreten, allerdings mit Ausnahme des Protagonistenpaares.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Fiore

Inszenierung
Stein Winge

Bühne
Hartmut Schörghofer

Kostüme
Tine Schwab

Licht
Franck Evin

Choreographie
Falco Kapuste

Chor
Christoph Kurig

Bühnenmusik
Motonori Kobayashi

Dramaturgie
Steffi Turre

Spielleitung
Maria-Paola Viano



Der Chor der Deutschen
Oper am Rhein

Die Duisburger
Philharmoniker

Statisterie der Deutschen
Oper am Rhein


Solisten

Gustavo III.
Viktor Afanasenko

Renato Graf Anckarström
Boris Statsenko

Amelia
Victoria Safronova

Ulrica Arfvidsson
Renée Morloc

Oscar
Joanna Mongiardo

Cristiano
Julian Kumpusch

Graf Horn
Günes Gürle

Graf Ribbing
Daniel Djambazian

Ein Richter
Alexandru Ionitza

Ein Diener Amelias
Roland Steingießer






Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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