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Ein Fest der schönen Stimmen
Drei starke Frauen






Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Konzert am 27. Januar 2007 in der Oper Köln
Verleihung des Offenbach-Preises an Ausrine Stundyte
Ernennung von Doris Soffel zur ersten Kammersängerin der Oper der Stadt Köln
In Zusammenarbeit mit den Freunden der Kölner Oper e.V.

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Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Starke Frauen in der Kölner Oper

Von Thomas Tillmann

Das diesjährige "Fest der schönen Stimmen" der Kölner Oper stand ganz im Zeichen dreier Sängerinnen, die dem Haus am Offenbachplatz in besonderer Weise verbunden sind.

Camilla Nylund hat das Publikum der Domstadt bei ihrem aus meiner Sicht nicht unproblematischen Debüt als Salome und in dieser Saison als Elsa von Brabant schätzen gelernt. Die Finnin hat einen wirklich vollen Terminkalender (das Kölner Konzert liegt zwischen den Vorstellungen einer Fidelio-Serie in Zürich, und in der Vergangenheit gab es da auch beispielsweise Fiordiligi an zwei aufeinanderfolgenden Tagen!) und singt mittlerweile an ersten Häusern wie der Mailänder Scala oder der Wiener Staatsoper, wo sie ebenfalls die Salome gegeben hat und 2008 als Ariadne angekündigt ist. Als ich die Sängerin zum ersten Mal hörte (als Arabella in Gent), habe ich bereits darauf hingewiesen, dass ich diese Strausspartie für die absolute Grenze ihrer momentanen Möglichkeiten halte. Camilla Nylunds schlanke, kühl timbrierte, im besten Sinne mädchenhafte Stimme ist ein lyrischer Sopran, der aufgrund der hellen Färbung keine geringe Durchschlagskraft hat, aber sie ist weit davon entfernt, ein jugendlich-dramatischer Sopran zu sein, auch wenn sie mehr und mehr Partien dieses Fachs singt (sogar eine Sieglinde hat sie in Berlin bereits im Konzertsaal ausprobiert, obwohl gerade die tiefe Lage nicht sehr präsent ist). Dass sie eine eindringliche, engagierte Interpretin ist und über eine gute Diktion verfügt, unterstrich sie an diesem Abend zunächst mit der in deutscher Sprache gegebenen Arie der Marenka aus Smetanas Die verkaufte Braut, bei der aber auch auffiel, dass sich bei Fortetönen oberhalb des Systems inzwischen ein deutliches Vibrato eingeschlichen hat und die Stimme ihre Weichheit verliert. Desdemonas "Ave Maria" gab der Sopranistin reichlich Gelegenheit für herrlich verinnerlichte und schlichte Töne sowie nie eitel, sondern im Dienst des Ausdrucks eingesetzte Piano- und mezza voce-Effekte - da hätte man gern die ganze Szene gehört (die Verdipartie hat sie meines Wissens 2005 im finnischen Tampere zum ersten Mal gesungen).

Auch Elisabeths Hallenarie lebte von der dynamischen Bandbreite und dem Bemühen um gestalterische Feinheiten jenseits des pauschalen Jubelns, so dass die Härten und Intonationsunsicherheiten in der Schlussphrase weniger ins Gewicht fielen. Wann sie in der nächsten Spielzeit in Köln die Landgrafennichte geben wird, kann man übrigens problemlos auf der Homepage der Sopranistin nachlesen - im Programmheft und während des Abends blieb es bei merkwürdigen Andeutungen -, und dass Doris Soffel dann ihre erste Venus singen wird, wurde zwar auch nicht bestätigt, ist aber doch sehr wahrscheinlich. Dass der Finnin die Lyrismen der Leonoren-Arie gut liegen, weiß man von dem DVD-Dokument ihrer Auftritte in Zürich, dass sie mit Enthusiasmus und beseeltem Gesang geschickt kaschiert, was der Stimme an Gewicht und Farbe in Mittellage und Tiefe fehlt, auch - hier singt eine Marzelline eine Nummer zu groß, ich bleibe dabei. Meine Bedenken über die heiklen Momente ihrer Elsa habe ich bei meiner Besprechung des Kölner Lohengrin geschrieben, die natürlich bei der Szene des zweiten Aufzugs nicht zum Tragen kamen, im Gegenteil, denn der liegt ihr glänzend.

Ausrine Stundyte, die für ihre Arbeit seit der Spielzeit 2003/2004 mit dem jungen Ensemblemitgliedern vorbehaltenen Offenbachpreises der Freunde der Kölner Oper e. V. ausgezeichnet wurde, hat sich sicherlich weiter entwickelt - in meiner Besprechung der Dialogues des Carmélites hatte ich einen "unangenehm flackernden, reifen Sopran als Madame Lidoine" gehört -, aber ich finde die Stimme immer noch sehr behäbig und schwer und zu wenig geschmeidig, auch wenn die Farbe durchaus interessant ist. Insgesamt aber fehlte es dem Gebet der Tosca an wirklicher Durchdringung, die Textgestaltung blieb sehr pauschal und vordergründig (und an ihrem Italienisch muss die junge Sängerin unbedingt weiter arbeiten), das Singen selbst noch immer eher ein Versprechen als dessen Erfüllung. Angenehm klingt der eher herbe, einiges Metall aufweisende Sopran vor allem im Piano, und dies schlug die aus Vilnius stammende Künstlerin in Mimìs erster Arie überwiegend an.

Star des Abends war aber natürlich die große, vielseitige Doris Soffel, die seit vielen Jahren eine bemerkenswerte Karriere in der ganzen Welt macht und sich nach den Anfängen im lyrischen Fach über Erfolge in Partien des Belcanto inzwischen die dramatischen Rollen erarbeitet hat und namentlich als Ortrud, Fricka und Kundry sowie als Amme in Die Frau ohne Schatten weltweit gefragt ist (demnächst singt sie sie in Berlin und Amsterdam, dazu Herodias an mehreren bedeutenden Bühnen und Klytämnestra in Brüssel). Keinen sonderlich überzeugenden Beginn machte sie indes mit Azucenas "Stride la vampa", zumal es eine Weile dauerte, bis sie sich auf das vom Dirigenten angeschlagene Tempo einließ. Bei aller Bewunderung für die große Erfahrung und die Intensität des Vortrags konnte ich hier über den sehr charaktervollen wobble und das Nebeneinander von sehr verschieden klingenden Registern schlecht hinweghören. Bei "Schmerzen" aus den Wesendonck-Liedern fehlte es mir bei aller Expressivität an Resonanz in der Tiefe und insgesamt an tonlicher Fülle, nicht aber an aufregenden Tönen in der hohen Lage. Das Kölner Publikum liebt die Künstlerin, die in der Domstadt auch 1985 als Sesto in La clemenza di Tito und 1987 als Isabella in Rossinis Italiana in Algeri aufgetreten ist, vor allem für ihre eindrucksvolle Gestaltung der Mezzopartien in Wagners Ring - über ihre Fricka, aus deren Monolog sie am Ende des ersten Programmteils einen Ausschnitt sang, habe ich mich angesichts der Premiere der Walküre durchaus differenziert, aber doch insgesamt wohlwollend geäußert: "Doris Soffel war eine reife, resolute Fricka; ich persönlich bevorzuge in dieser Partie wohl eine etwas üppigere, weniger drahtige Stimme, deren Register etwas organischer miteinander verbunden sind, aber was die Mezzosopranistin aus dem Text und der mitunter doch recht eindimensional gegebenen Rolle macht, das ist schon große Klasse."

Und dann kam einer dieser Momente, die ich nur alle paar Jahre im Opernhaus oder Konzertsaal erlebe, Momente, in denen man sich instinktiv vorbeugt, um noch näher am Geschehen zu sein, in denen man den Notizblock Notizblock sein lässt und einem das Blut in Wallung gerät und man realisiert, dass man Zeuge von etwas wirklich Großem, Bedeutenden wird. Wie Doris Soffel bereits in ihrer schwarzen Robe mit transparentem roten Mantel die Bühne betrat, was sie schon in den ersten "Elsa!"-Ruf an Ausdruck, an Charakterisierungskunst und Gestaltungskraft hineinlegte, ließ erahnen, wie überragend sie als Ortrud ist. Man geriet in den Bann einer zutiefst bösen, verschlagenen Frau, die mit allen Wassern gewaschen ist, eine Meisterin der Verstellung, des Trugs und der Heuchelei. Es lässt sich nicht in Worte fassen, was sich im Gesicht der Künstlerin abspielt, wie sie ein Heben der Brauen, eine kleine Bewegung der Hand in ihr unglaublich packendes, vielschichtiges Portrait der Friesenfürstin einzubringen versteht, wie sie in jedes Wort des Textes geradezu hineinbeißt und sich Wagners Vorgaben hochindividuell aneignet und diese dem Zuhörer und Zuschauer nahebringt. Ich kann mich nicht erinnern, je live ein so souveränes, aufregendes "Entweihte Götter!" gehört zu haben - auch rein vokal kam sie in manchen Momenten beinahe an die für mich in dieser Partie unerreichte Christa Ludwig heran. Dieser Ausnahmekünstlerin ist wahrlich die Kraft gegeben, ein Publikum zu faszinieren und zu fesseln und einen Notentext wirklich packend zum Leben zu erwecken, und über wen kann man das heute schon sagen?

Umso peinlicher war es da, wie unkonzentriert und fehlerhaft Oberbürgermeister Fritz Schramma bei der Ernennung der Mezzosopranistin zur ersten Kammersängerin der Oper der Stadt Köln seinen Text herunterstammelte, der im Wesentlichen der Presseverlautbarung nach dem entsprechenden Ratsbeschluss aus dem Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vom April 2006 entsprach, nicht einmal den Namen der Geehrten ("Doris Stoffel!") und das Wort "Kultur" richtig herausbrachte und offenbar nicht weiß, dass das Verb "gratulieren" nicht mit Akkusativ, sondern mit Dativ steht! Dass ihm die hinter den Kulissen von der Künstlerin zugeflüsterte Bemerkung, Oper sei geil, so gut gefallen hat und er dies den Zuschauern meinte weitergeben zu müssen, spricht Bände, dass er uncharmant erwähnte, dass die Karriere der Marianne-Schech-Schülerin schon Jahrzehnte andauere, auch. Um ihm Wartezeit zu ersparen, hatten die Verantwortlichen dem Vernehmen nach übrigens eine Signierstunde mit den beiden prominenten Gästen abgesagt, die zwischen Konzertende und Empfangsbeginn im CD-Shop für das interessierte Publikum anberaumt worden war, das aber mit dem Kaufen von Eintrittskarten und Applaudieren seine Schuldigkeit offenbar getan hatte. Immerhin, Schramma befand sich in ebenbürtiger Gesellschaft: Auch Dr. Heinrich Kemper, der Vertreter der Freunde der Kölner Oper e. V., und Dr. Dammann, der mit hausbackenen, mäßig witzigen und begrenzt geistreichen, gar nicht souverän von vorbereiteten Zetteln abgelesenen, vor allem aber angesichts des Programmheftes gänzlich überflüssigen Moderationsversuchen Langeweile verbreitete, sind offenkundig keine Meister des vor Publikum gesprochenen Wortes.

Doris Soffel bedankte sich nach der wenig feierlich und erschreckend improvisiert wirkenden Ehrung mit einer sehr intensiven "Zueignung". Eine zurecht umjubelte Zugabe war dann das von allen drei Künstlerinnen angestimmte Vilja-Lied, auch wenn man hier noch einmal bemerkte, dass es Ausrine Stundytes Singen an Eleganz fehlt. Camilla Nylund hatte hier zweifellos die Nase vorn, sie wird 2009 in Hamburg sicher großen Erfolg als Hanna Glawari haben und hinreißend aussehen (anders als in dem unvorteilhaften Kleid an diesem Abend), aber auch hier war die Kammersängerin natürlich das Hauptereignis, weil sie den tiefen Gehalt des Operettentextes erneut in Ortrud-Manier- und Pose auslotete und damit eben auch großes komisches Talent und große Qualitäten als Entertainerin bewies.

Keinen schlechten Eindruck hinterließ insgesamt das Gürzenich-Orchester, wobei Enrico Delamboye die Forza-Ouvertüre freilich einfach zu schnell anging - da muss man sich nicht über unsaubere Streicherläufe wundern - und für mein Empfinden auch zu plakativ, zu sehr auf vordergründige Effekte und knallige Akzente setzend und dabei viele Details übergehend (gleiches gilt auch für die rubatoselige Einleitung zur Hallenarie). Ärgerlich waren die Bläserpatzer in der Fidelio--Arie, aber darüber muss man sich ja häufig und auch andernorts echauffieren. Sehr ausgewogen und betörend schön gelangen dagegen das Desdemona-Gebet und das Intermezzo sinfonico aus Cavalleria rusticana, wobei man sich doch fragte, ob ein solches Orchester nicht doch etwas weniger oft bemühte, besser zum an sich schon nicht sehr überzeugenden, sondern reichlich willkürlich und wenig kreativ dem aktuellen Repertoire und den Wünschen der Mitwirkenden entgegenkommenden Programm passendere Beiträge hätte einstudieren können.


FAZIT

Dank der Mitwirkung von Camilla Nylund, besonders aber von Doris Soffel wurde man Zeuge eines großen Abends, den man länger im Gedächtnis behält als viele Vorstellungen in der Kölner Oper.



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Mitwirkende

Musikalische Leitung
Enrico Delamboye

Moderation
Dr. Christoph Dammann


Gürzenich-Orchester Köln


Solistinnen

Camilla Nylund, Sopran
Ausrine Stundyte, Sopran
Doris Soffel, Mezzosopran


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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