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Eine etwas andere Aida
Von Thomas Tillmann
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Fotos von der Opéra Royal de Wallonie
Dieter Kaegi und sein Ausstatter Bruno Schwengl verweigern in ihrer bereits am Theater Erfurt und in Monte Carlo gezeigten Produktion von Verdis Aida dem Zuschauer weitgehend den Blick auf ein zweifelhaftes Bilderbuch-Ägypten: Die Handlung ist in einem europäisierten Ägypten der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts angesiedelt. Radamès findet sich im Kostüm eines Archäologen wieder, Amneris ist eine typische Figur der Salons der goldenen Zwanziger mit Garconne-Perücke, die mit eindeutigen Annäherungsversuchen bereits bei ihrem ersten Auftreten ihre Ansprüche auf Radamès geltend macht und ihren eifersüchtigen Hass auf die äthiopische Konkurrentin im zu einem Gymnastikraum mutierten Boudoir kaum verhehlt. Ein riesiger Feldherrntisch macht indes deutlich, dass es nicht nur um Liebesgeschichten geht, sondern um Krieg, für ein distanzierendes Moment sorgen Filmkameras. Das alles stört nicht, sondern zeigt, dass hier jemand durchaus ernsthaft versucht hat, das häufig in kitschiger Sandalenfilmoptik erstickte Stück ernst zu nehmen und die Geschichte mit klaren, eindringlichen Bildern zu erzählen, ohne dabei gehässig-oberlehrerhaft an Publikumserwartungen vorbei zu inszenieren. Aida (Amarilli Nizza) ist hin- und hergerissen zwischen Solidarität mit ihrer bedrohten äthiopischen Heimat und ihrer Familie einerseits und der Sorge um ihren Geliebten, den ägyptischen Feldherrn Radamès andererseits.
Und auch musikalisch war dies ein überzeugender Abend: Amarilli Nizza hat zwar nicht die üppigste Stimme und das einschmeichelndste Timbre für die Titelpartie, aber sie bewältigte ohne Mühe sowohl die dramatischen Herausforderungen in den Ensembleszenen oder den Duetten des dritten Aktes als auch die lyrischen Momente mit viel Geschmack, und auch in darstellerischer Hinsicht war sie ein Gewinn. Das Gegenteil gilt für Lidia Tirendi, die doch alle Möglichkeiten gehabt hätte in einer Inszenierung, die sich sehr für die Figur der Amneris interessiert, die aber wie als Laura Adorno in La Gioconda eher behäbig ein paar Gesten ausführte und auch gesanglich keine Freude war: Schon im Juni mochte ich "das starke Flackern und die strengen, uncharmanten Töne des in die Jahre gekommenen, matten Mezzos" nicht. Aida (Amarilli Nizza) und Radamès (Jean-Pierre Furlan) sehen sich am Ufer des Nils wieder.
Jean-Pierre Furlan war vielleicht auch keine Traumbesetzung für den Radamès, aber danach musste und muss man immer lange suchen (das Mailänder Publikum etwa mochte im Dezember ja auch Roberto Alagna nicht). Der Franzose jedenfalls hatte keine hörbaren Probleme mit der gar nicht leichten Partie, sang an diesem Nachmittag auch die schwere Auftrittsarie sehr souverän und hatte etwa für das Schlussduett auch einige feinere Töne zu bieten. Marcel Vanaud empfahl sich als Amonasro noch einmal als großer Verdiinterpret, der eben nicht nur auf wuchtige Heldenbaritonausbrüche setzt, sondern die ganze dynamische Palette ausschöpft und sich auch größte Mühe bei der Textpräsentation und im Spiel gab. Ein Eindruck aus der Triumphszene: Amonasro (Marcel Vanaud), Aida (Amarilli Nizza), Amneris (Lidia Tirendi), Radamès (Jean-Pierre Furlan), der König (Léonard Graus) und Ramfis (Mikhail Kasakov).
Der Oberpriester und der König waren bei Mikhail Kasakov und Léonard Graus in guten Händen, Maria-Paule Dotti war eine gute Sacerdotessa, von der man gern mehr hören möchte, Guy Gabelle ein Bote, der den Zuschauer daran erinnerte, wie lang dieser Krieg schon dauern muss. Ich mochte auch die nicht aufdringliche Choreografie von Barry Collins. Ein Pfund, mit dem die Lütticher Oper stets wuchern kann, ist natürlich der von Edouard Rasquin einmal mehr hervorragend einstudierte Chor. Amneris (Lidia Tirendi, rechts) kann Radamès (Jean-Pierre Furlan, links sitzend) nicht zum Reden bringen, die Priester (Herrenchor der Opéra Royal de Wallonie) werden ihn verurteilen.
Alain Guingal ist als Verdidirigent kein unbekannter in Liège: Schon bei Aufführungen von Attila und Simon Boccanegra hatte er sich nicht nur als aufmerksamer Sängerdirigent mit großem Überblick empfohlen, sondern auch als Organisator eines dynamisch fein abgestuften Spiels, der für stets vorwärtsdrängende, mitunter auch angemessen martialische Tempi einerseits stand, andererseits aber auch die nötige Ruhe für intimere Passagen parat hatte, ohne dass dabei das Spiel des gut vorbereiteten Orchesters an innerer Spannung verloren hätte.
Eine etwas andere Aida, die optisch wie akustisch im Wesentlichen überzeugt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Assistenz
Bühne und Kostüme
Licht
Chöre
Choreografie
Chor und Orchester der Solisten* Besetzung der besuchten Aufführung
Aida
Amneris
Gran Sacerdotessa
Radamès
Amonasro
Ramfis
Il Re
Un messaggero
Tänzerinnen und
Zauberer
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