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Musiktheater
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Spiel mal Oper - Aida

Workshop für Eltern und Kinder
an der Staatsoper Unter den Linden, Berlin (Konditorei)
am 1. Dezember 2007



Veranstaltungsdauer: ca. 3 Std. (eine Pause)


Homepage

Staatsoper Berlin
(Homepage)
"Spiel mal Aida"
Operndidaktik in der Staatsoper Unter den Linden

Von Uschi Decker / Fotos: Marion Schöne

Wie informieren Sie sich, wenn Sie in die Oper gehen? Googeln Sie, lesen Sie die Informationen über Handlung, Personenkonstellation, Entstehungsgeschichte, stilistische Einordnung etc. im Programmheft oder Opernführer, studieren Sie Libretto oder Klavierauszug oder sollten Sie etwa einen guten Musikunterricht gehabt haben? "Spiel mal Aida" heißt eine etwa dreistündige Einführungsveranstaltung der Staatsoper Unter den Linden für Erwachsene, Kinder, Eltern und Opernliebhaber.

Der musikdidaktische Ansatz der szenischen Interpretation ist nicht neu. Entwickelt von Brinkmann, Nebhuth und Stroh in den 1980er Jahren an der Universität Oldenburg gibt es mittlerweile verschiedene Einrichtungen, Institute und nicht zuletzt vorbildliche Opernhäuser wie die Staatsoper unter den Linden, um in Fortbildungen diese ganzheitliche Operndidaktik kennen zu lernen. Ziel ist es, Oper als "zeit- und sozialgeschichtliches Dokument" zu erfahren, Oper multimedial zu erleben, die "spezifische Art des Ineinanderwirkens von Wort, Ton, Bild, Bewegung, Szene" erfahrbar zu machen, die eigene Kommunikationsfähigkeit zu steigern, indem man sich mit Möglichkeiten von Sprache und Sprechen auseinandersetzt.

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Ballettszene aus dem Finale des 2. Aktes

Keine Angst, Sie stehen nicht auf einer Bühne, müssen nicht Arien singen, fremde, unsinnige Regieanweisungen oder dramatische Texte auswendig lernen. Es geht vielmehr darum, sich in Improvisation und szenischem Spiel auf eine Fantasie-, Zeitreise zu begeben, z.B. zunächst zu verstehen, warum die Ägypter Krieg gegen die Nubier, die damaligen Bewohner des oberen Niltales führten, wie das Alltagsleben im alten Ägypten gestaltet war oder welche soziale und politische Bedeutung die Religion innehatte. Alle Opernfiguren sind mehrfach besetzt. Rollenkarten, aus Libretto, Musik und historischen Zusatzinformationen entwickelt geben anschließend eine erste, kurze Einführung in die Biographie der zu verkörpernden Opernrolle. Verschiedene methodische Schritte wie verfremdetes Lesen, Lesen dieser Karten in der ersten Person, oder das Entwickeln einer Gehhaltung, charakteristischen Geste zur Ouvertüre ermöglichen ein erstes Sich-Einfühlen.

Bei einigen Teilnehmern meldeten sich erste Rollenkonflikte. Wie soll man als Oberpriester Ramphis, mächtigster Mann im alten Ägypten, zu diesen zarten, Liebe symbolisierenden Klängen gehen? Ist Ramphis ein stattlicher, die Hände zum Himmel ausgebreiteter Mann mittleren Alters oder ein von Last und Verantwortung gebeutelter, krummer Alter? Wie klingt ein Verzweiflungsschrei, ein Befehl, ein verliebtes Flüstern?

Eine spannende Vermischung von darzustellender und eigener Lebenswirklichkeit nimmt ihren Lauf. Kernszenen der Oper werden in verschiedenen Gruppen improvisiert, gestaltet, den anderen vorgespielt, sodass Handlungsverlauf und Personenkonstellationen deutlich werden. Manchmal ergeben sich neue, für die eigentliche Opernhandlung unkonventionelle Entwicklungen. Unser Radamès schwieg nicht, sondern rechtfertigte sich in der Gerichtsszene des dritten Aktes glaubwürdig und diplomatisch geschickt. Er habe Friedensverhandlungen einleiten wollen, das Gespräch gesucht, Krieg vermeiden wollen... Er wurde freigesprochen!

Zum eingefrorenen Bühnenstandbild folgte dann die jeweilige Originalszene als Hörbeispiel. Interpretation bedeutet hier, die inszenierte einerseits und von Verdi dargestellte Wirklichkeit, den Gestus mit all seinen musikalischen Gefühlswelten andererseits, aufeinander wirken zu lassen, letztlich die Vielschichtigkeit der Interpretationsprozesse in der Gattung Oper wahrzunehmen. Und das Alles ohne ein Wort zu verlieren!
Ich hätte nicht gedacht, wie viel Spaß es machen, wie anregend, beeindruckend einfach es sein kann, Aida bzw. Verdis Musik zu verstehen.

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Aus der Triumphszene des 2. Aktes

Wenn man außerdem noch die historische Atmosphäre der wunderschönen, kleinen Staatsoper Unter den Linden kennen lernen und der runden, ästhetischen, mittlerweile über 12 Jahre alten, nach wie vor sehenswerten Inszenierung von Pet Halmen beiwohnen darf, ist das Kulturgenusspaket komplett.

Ob als Fieberphantasie eines schwer verletzten Soldaten der Kolonialzeit, ob als Traum Verdis oder Phantasiegebilde der die Exponate betrachtenden Besucher - zu ihnen zählen Europäer in Tropenkleidung ebenso wie reiche Araber mit ihren verschleierten Haremsdamen oder Bettler - , die Idee Pet Halmens, "Aida" im ägyptischen Museum mit Säulen, großer Ptah-Statue, Schaukästen und Glasvitrinen spielen zu lassen, Amneris und den König als zum Leben erwachende Statuen darzustellen, stellt Operninszenierung als mehrdimensionale historische, klischeehafte Wirklichkeit dar, ist einfach und überzeugend zugleich. Selbst wenn im zweiten Akt zu den Klängen des populären Triumphmarsches symbolisch Kulturgegenstände geplündert werden, die musikalische Vielschichtigkeit des großen Finales, die Wirkung der fantastisch einstudierten Chöre, die Balletteinlagen mit Schaukämpfen und akrobatischen Kunststückchen bleiben erhalten.

Es wird nicht gegen die Musik inszeniert! Die Gerichtsstätte im 4. Akt z.B. bleibt unsichtbar. Das Publikum betrachtet den furchtbaren, unabänderlichen Todesurteilsspruch aus der Perspektive der ihren Leidenschaften ausgelieferten, verzweifelten Pharaonentochter, die mit brustig kraftvoller, dramatischer Stimme überzeugend von Anna Smirnova interpretiert wurde. Amneris ist auch diejenige, die schließlich dem Liebespaar Aida und Radamès die Ptah-Statue öffnet, sie in den sternenfunkelnden Sarkophag eintreten lässt, während eine Figur mit Schakalkopf, der altägyptische Totengott Anubis die Statue schließt und Amneris selbst sich in ihr Vitrinengrab begibt.

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Das ägyptische Museum, hier:
Szene aus dem 4. Akt

Frank Porretta war in der Vorstellung vom 30. November ein klangschöner Radamès, Norma Fantini eine stimmgewaltige, mit großem Vibrato ausgestattete Aida, Andrzej Dobber ein überzeugender, klangvariantenreicher Amonasro.
Ob in kammermusikalischen Passagen oder orchestralem Pomp die musikalische Leitung von Dan Ettinger zeigte viel Spürsinn für präzise dramatische Effekte, für differenzierte Lautstärke- und Tempogestaltung. Ebenso traumhaft homogen und sinnlich war die Sprachgestaltung des Staatsopernchores; vor allem die Ausgestaltung der Tempelszene des 1. Aktes mit dem Aussingen der klingenden Vokale und labialen Konsonanten des "Noi'invochiam" wird mir in Erinnerung bleiben!


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Aida

Oper in vier Akten
von Giuseppe Verdi

rezensierte Aufführung:
Staatsoper Berlin, 30.11.2007

(Premiere dieser Inszenierung:
27.05.1995 an der
Deutschen Oper am Rhein,
Düsseldorf)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Dan Ettinger

Inszenierung, Bühnenbild,
Kostüme, Licht
Pet Halmen

Chorleiter
Eberhard Friedrich


Chöre der Staatsoper
Unter den Linden

Staatskapelle Berlin


Solisten

Der König von Ägypten
Zdenek Plech

Amneris, seine Tochter
Anna Smirnova

Aida, äthiopische Sklavin
Norma Fantini

Radamès, Feldherr
Frank Porretta

Ramfis, Oberpriester
Dmitri Ageew

Amonasro, König von Äthiopien,
Aidas Vater
Andrzej Dobber

Priesterin
Carola Höhn

Ein Bote
Peter-Jürgen Schmidt






Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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