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Manege frei
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Jung
Wir wollen dem Publikum beste Unterhaltung bieten. So prangt es dem Besucher aus dem Programmheft entgegen, und das Regie-Duo James de Groot und Paul Kribbe bringt damit auf den Punkt, worum es in der Essener Neuinszenierung von Paul Burkhards Operette Das Feuerwerk geht. Gute, ja: beste Unterhaltung ist im Theater natürlich mehr als legitim, zumal das Werk respektive sein Komponist nicht viel anderes im Sinn hat. Holzschnittartig und ohne lange Umschweife läuft die Handlung ab: Da kommt eine oberflächlich zerstrittene, aber im Grunde liebenswerte Großfamilie zusammen, und als unerwartet noch ein verschollener Onkel auftaucht und sich als erfolgreicher Zirkusdirektor entpuppt, träumt Töchterchen Anna ein paar Minuten lang vom aufregenden Leben in der Manege, um sich nach kurzer Besinnung natürlich für das bürgerliche Leben und die Verlobung mit dem braven Gärtner zu entscheiden. Das ist in seinen klischeebeladenen Konflikten derart beschaulich, dass dem Publikum im Uraufführungsjahr 1950 die Entstehungsgeschichte reicht noch um einige Jahre zurück inmitten der zerbombten Städte ganz schummrig gewesen sein muss vor so viel heiler Welt. Der schlichte Plot wird veredelt von einer beschwingten, gut gemachten Musik mit einer klugen Mischung aus Komik und Sentiment. Doch wäre das Feuerwerk sicher längst vergessen, gäbe es darinnen nicht ein Lied, das dem Komponisten zu Weltruhm verholfen hätte: Oh mein Papa war eine wunderbare Clown. Der große Moment: Iduna (Astrid Kropp) singt "Oh mein Papa". Onkel Fritz (Albrecht Kludszuweit), Onkel Heinrich (Günter Kiefer) und Onkel Gustav (Michael Haag) singen verzückt mit.
Klangbeispiel:
"Oh mein Papa", 2. Strophe - Astrid Kropp (Iduna)
Natürlich hat das Stück mehr schöne Musik zu bieten als nur diese eine Erfolgsnummer und verdient aufgeführt zu werden (gerade an kleineren Bühnen hat es in den letzten Jahren eine Reihe von Produktionen gegeben). Allerdings fehlt (auch das ist eine Erkenntnis der Essener Neuinszenierung) oft auch das entscheidende Moment, dass aus ordentlicher Gebrauchsmusik wirklich etwas Unverwechselbares macht wie eben bei Oh mein Papa. Trotzdem dürfte man von einem ambitionierten Haus wie dem Essener Aalto-Theater mit seinem breit gefächerten Repertoire eine musikalisch solide Umsetzung erwarten, aber genau daran hapert es: An der Musik ist man in Essen offenbar am allerwenigsten interessiert. Anders ist es nicht zu erklären, warum durchgängig mit Microports verstärkt und plärrend über Lautsprecher übertragen gesungen wird. Natürlich hilft das im Punkte Textverständlichkeit, aber Mozart, Händel und Wagner funktionieren schließlich auch ohne Lautsprecher ganz davon abgesehen, dass in der Glanzzeit der Operette an solche technischen Spielereien nicht zu denken war. Und ausgerechnet in Essen soll ohne Technik keine Operette möglich sein? Wenn man diese Technik denn wenigstens besser im Griff hätte. Das Orchester, aus Gründen der Inszenierung auf die Hinterbühne versetzt, klingt viel zu weit entfernt und mischt sich kaum mit den Sängern, die zu grell klingen und bei denen jeder Patzer und jede Unebenheit der Stimme gnadenlos hörbar wird. Von einem räumlichen Klangbild, wie es Standard bei jeder CD ist, keine Spur. Leider nur ein Traum: Zirkusdirektor Alexander Oblonski (Peter Bording) bändigt als Raubtierdompteur die Tanten
Klangbeispiel:
Zirkuslied des Obolski - Peter Bording (Obolski)
Das hat natürlich mit der Sängerbesetzung und letztendlich mit dem Regiekonzept zu tun. Das Bühnenbild von Manfred Gruber zeigt ganz konventionell einen großbürgerlichen Salon, der sich kurzerhand in eine Manege umbauen lässt eben das, was im Libretto vorgegeben ist. Die Kulisse muss ordentlich aussehen (das tut sie), wichtiger aber sind die Personen darinnen. Zunächst sind die beiden großen Frauenrollen attraktiv zu besetzen (auch das ist gut gelungen): Eva Aasgaard, mit langem blonden Haar und Unschuldsmiene eine idealtypische Verkörperung der braven Bürgerstochter, hat von Partien in Miss Saigon über Ludwig II. bis zu Cats etliche Musicalrollen bestritten, aber noch fast keine Opernerfahrung dafür schlägt sie sich mit perlend-leichtem, glockenreinem Soubrettensopran wacker. Astrid Kropp aus dem hauseigenen Opernensemble ist eine sehr charmante und verführerische Zirkusdirektorengattin Iduna mit großer Bühnenpräsenz und schöner, leuchtender Stimme, die sie aber (trotz - oder wegen? - der Technik) unnötig forciert. Für das besagte Oh mein Papa dürfte der Stimmklang noch wärmer, nachdrücklicher sein. Auch könnte beim Singen die Textverständlichkeit gesteigert werden. Gutbürgerliches Happy End: Anna (Eva Aasgaard) darf Robert (Andreas Bieber) heiraten
Klangbeispiel:
Roberts Auftrittslied - Andreas Bieber (Robert)
Attraktiv müssen natürlich auch die beiden Männer sein, die mit unterschiedlicher Interessenlage um Anna buhlen. Da ist zunächst ihr Liebhaber, der Gärtner Robert mit Andreas Bieber hat man einen veritablen Musical-Star engagiert, Typus Schwiegermutters Liebling mit blondem Haar und drolligem Blick, in diesem Fall schauspielerisch versiert, aber musikalisch ein Leichtgewicht Oper oder Operette sind hörbar nicht die Sache des Andreas Bieber. Den Zirkusdirektor Oblonski, der Anna in seinen Zirkus aufnehmen möchte, singt mit Peter Bording wiederum ein hauseigener Solist elegant im Auftreten, etwas vernuschelt im Text und uneinheitlich im Gesang. Margarita Turner, stimmlich nicht ganz taufrisch, verabschiedet sich mit einem mehr komödiantisch als gesanglich geglückten Auftritt in der Rolle der Köchin Kati aus dem Essener Ensemble. Mit Spielfreude agieren die Onkel, Tanten und Eltern der Großfamilie Oberholzer auf ordentlichem Operettenstandard. Was man vom sehr fernen Orchester, geleitet von Florian Ziemen, hört, klingt nach einer unprätentiosen, weitgehend unpathetischen und nuancenreichen Interpretation. Wer immer noch nicht kapiert hat, warum diese Operette so gerne gespielt wird, dem wird geholfen: Bitte laut rufen, was auf den Schildern steht, dann spielt das Orchester auch prompt den genannten Musikwunsch.
Klangbeispiel:
"Die Welt ist groß und weit" - Ensemble
Die Sänger sind also nicht zuletzt nach Bühnenwirksamkeit ausgewählt, was der Inszenierung natürlich gut bekommt da hätten die Regisseure de Groot und Kribbe dann ruhig etwas mehr wagen und frecher zu Werke gehen dürfen. Sie erzählen das Stück kreuzsolide (also ziemlich brav) nach. Man ahnt, dass der Text anno 1950 frivole Spitzen hatte, die sich inzwischen längst abgeschliffen haben. Zur Unterhaltung trägt maßgeblich die Zirkusfamilie Caselly bei, die ein paar Kunststückchen abliefert (die besseren hat man sich sicher für die eigenen Vorstellungen aufgespart) und dabei frenetisch bejubelt wird der Applaus für die Musiker bleibt da vergleichsweise spärlich. Es gibt einen Hund auf der Bühne und sogar ein echtes Pferd (und ein unechtes, das weitaus unterhaltsamer ist). Ob man diese Art von Opernzirkus mag, ist sicher Geschmackssache, ebenso wie die Publikumsanimationen. Dazu wird, das ist wohl unvermeidlich, Oh mein Papa breitgetreten. Vieles atmet den Geist der kommerziellen Musicals, und so ist's denn wohl auch gemeint mit der besten Unterhaltung. Das hat unbestreitbare Vorzüge: Von ein paar Längen im dritten Akt abgesehen taugt die Produktion ausgezeichnet als Familienstück mit netter Musik im Hintergrund. Bleibt aber ein kleines Bedauern darüber, dass in Essen dadurch die Chance auf eine richtige Operettenproduktion, ganz altmodisch ohne Verstärkung und technischen Firlefanz, verschenkt worden ist.
Viel Zirkus, dafür nur eingeschränkt Operette die Show stimmt, leider oft auf Kosten der Musik. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Choreographie
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten
Adalbert Oberholzer
Karline Oberholzer
Anna, ihre Tochter
Kati, die Köchin
Robert, der Gärtner
Tante Berta
Onkel Fritz
Tante Paula
Onkel Gustav
Tante Lisa
Onkel Heinrich
Alexander Oblonski
Iduna, seine Frau
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