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Musiktheater
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L'Italiana in Algeri

Dramma giocoso per musica in zwei Akten
Libretto von Angelo Anelli
Musik von Gioacchino Rossini


Aufführungsdauer: ca 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 17. November 2007

Besuchte Aufführung: 22. November 2007

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Besuch im Opernmuseum

Von Thomas Tillmann / Fotos von Klaus Lefebvre

Seit Mitte November ist die für die Wiener Staatsoper neu erarbeitete und bereits in München gezeigte Jean-Pierre-Ponnelle-Inszenierung von Rossinis erstem komischen Meisterwerk L'Italiana in Algeri auch an der Kölner Oper zu sehen. Grischa Asagaroff, Hausregisseur des Züricher Opernhauses und ehemaliger enger Mitarbeiter Ponnelles, der in der Domstadt wegen seiner bedeutenden Mozart-Zyklus noch immer in bester Erinnerung ist, hat die Produktion neu einstudiert. Noch immer bewundert man den beispielhaften Umgang mit Musik und Wort, das Durchchoreografierte, Durchdachte bis in einzelne Bewegungen und Schritte hinein, das eben immense Werkkenntnisse über den Besitz des Reclam-Librettos hinaus erkennen lässt, die profunde, differenzierte Personenzeichnung, den geschmackvollen Witz und die leise Ironie, den tiefen Respekt vor dem Werk und dem Genre. Natürlich könnte man das heute so nicht mehr machen - moderne Maler malen ja auch nicht wie Leonardo da Vinci -, aber als Ausflug ins Opernmuseum ist die Wiederaufnahme dieser Produktion keine schlechte Idee (zumal die Neuproduktionen des Hauses ja kein bischen frischer daherkommen, wenn ich etwa an den unsäglichen Lohengrin der letzten Saison denke oder den Bericht meines Kollegen über den neuen Freischütz), nicht zuletzt wegen der hinreißenden, mit enormer Liebe zum Detail gestalteten Bühne im maurisch-orientalischen Stil, den exquisiten, traditionellen Kostümen und dem beides glänzend unterstreichenden, stimmungsvollen Licht von Wolfgang Schünemann. Und da man die Ausstattung von der Bayerischen Staatsoper übernommen hat, dürften sich auch die Kosten in Grenzen gehalten haben.


Vergrößerung in neuem Fenster Isabella (Katharina Wahlin) führt unter den erstaunten Blicken ihres Geliebten Lindoro (hinten: Javier Camarena) den liebestollen Mustafà (Reinhard Dorn) vor.

Hätte man da das gesparte Geld nicht für bessere Gäste ausgeben können, wenn man es in den letzten Jahren schon versäumt hat, ein kompetentes Ensemble wenigstens für einige Bereiche des Repertoires heranzuziehen? Damit meine ich gar nicht Stargäste wie Juan Diego Florez, der am 7. Dezember als Lindoro die Produktion adeln wird, sondern einfach Sängerinnen und Sänger, die mit dem Stil vertraut sind und sich nicht durch ihre Partien mogeln müssen. Immerhin wird das Werk zur Zeit an vielen Häusern der Gegend gespielt, die Rheinoper und das Aaltotheater haben eine Italiana im aktuellen Spielplan (unsere Berichte aus Düsseldorf und Essen), die Bonner Oper zieht im Laufe der Spielzeit nach (was nicht zwingend ist, denn Rossini ist ja nun wahrlich kein Ein-Werk-Komponist, aber das ist ein anderes Thema).

Vergrößerung in neuem Fenster Zulma (Adriana Bastidas Gamboa, links) und ihre Herrin Elvira (Katharina Leyhe, rechts) versuchen in Erfahrung zu bringen, was Mustafà (Reinhard Dorn, hinten links) und Haly (David Pichlmaier, hinten rechts) aushecken (mit dabei: der Chor der Oper Köln).

Letztlich ein Totalausfall war für mich Kristina Wahlin in der Titelpartie: Die Sängerin verfügt über einen wahrlich winzigen Mezzosopran von sehr sopraniger Farbe in der Höhe (ohne aber wirklich fulminante, nicht ertrotzte Acuti etwa in der letzten Arie anbieten zu können) und leicht vulgärer Bruststimmentiefe in der Baltsa-Nachfolge und war in den meisten Szenen schlichtweg nicht zu hören (sieht man von dünn begleiteten Rezitativen und Passagen ab, die sie direkt an der Rampe angehen konnte), jedenfalls nicht auf dem mir zugewiesenen Mittelplatz im Parkett. Eine gewisse Geläufigkeit brachte sie zwar mit, aber auch nicht den Hauch von Ausstrahlung, von Charisma, mit dem sie Mittelpunkt des quirligen Bühnengeschehens hätte sein können und müssen. Eine gewisse komische Wirkung ist dagegen Reinhard Dorn als drallem Mustafà nicht abzusprechen, der von 1987 bis 1994 Ensemblemitglied der Kölner Oper war, in seiner Karriere bereits Haly und Taddeo gesungen hat und sich mit der letzten Fachpartie des Werkes wohl einen Wunsch erfüllen wollte. Dass er die Vorlage - und ich habe den Klavierauszug zur Vorbereitung studiert - stellenweise nur als groben Rahmen nahm und sich die Partie dann ganz den eigenen Vorstellungen und Möglichkeiten anpasste und dabei mitunter unerträglich schleppte, brüllte oder auf Sprechgesang setzte, ist nichts anderes als eine Frechheit und machte die Buhs beim Schlussapplaus nachvollziehbar, ganz egal wie man zu solchen Missfallensbekundungen grundsätzlich stehen mag. Ähnlich ging es Musa Nkuna, der für die gewiss nicht leichte Partie des Lindoro weder die flexible Stimme und angemessenes Stilgefühl noch die Nerven für die hohe Tessitura hat, bereits nach seiner Auftrittsarie, ein hartes, aber erneut gerechtfertigtes Urteil, wir wohnen ja hier nicht der Weihnachtsfeier eines regionalen Seniorenheims bei, sondern einer Vorstellung eines hoch subventionierten und ehemals bedeutenden Opernhauses mit bezahlten Profisängern (die Premiere hatte bereits Javier Camarena gesungen). Katharina Leyhe gab die Elvira mit nicht immer liebenswürdigem, dafür aber auch nicht enervierend soubrettigen Ton, Opernstudiomitglied Adriana Bastidas Gamboa unterstützte sie als Zulima gewinnbringend, und auch die Herren David Pichlmaier und Johannes Beck ergänzten das Ensemble als Haly und Taddeo auf durchaus akzeptablem Niveau.


Vergrößerung in neuem Fenster Mustafa (Reinhard Dorn) ist kein Kostverächter, aber momentan reizen ihn italienische Frauen noch mehr als das "Inventar" seines Harems (Mitglied der Statisterie der Oper Köln).

Der von Irina Benkowski betreute Chor fühlte sich dann am wohlsten, wenn er freien Blick auf den Dirigenten hatte. Enrico Delamboye hatte im Graben genug damit zu tun, die individuellen Tempovorstellungen mancher Solisten mit denen der auch nicht durchgehend fehlerfrei musizierenden Orchestermitglieder in Einklang zu bringen und letztere zu möglichst dezentem Spiel anzuhalten, damit die Bemühungen des Bühnenpersonals nicht gänzlich untergingen - einen spritzigen, moussierenden, in die Beine der Zuschauer fahrenden Rossini voller Esprit im Stile eines Alberto Zedda zu dirigieren war ihm freilich nicht im Ansatz gegeben.


FAZIT

Leider wird dieser durchaus unterhaltsame, willkommene Besuch im Opernmuseum arg durch die unzureichende musikalische Ausführung getrübt, die noch unter dem lag, was Stefan Schmöe beim Freischütz auf mittelprächtigem Stadttheaterniveau ansiedelte.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Delamboye

Inszenierung, Bühne
und Kostüme
Jean-Pierre Ponnelle

Regie
Grischa Asagaroff

Licht
Wolfgang Schünemann

Chor
Irina Benkowski


Herrenchor und Statisterie
der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Mustafà, Bey von Algier
Reinhard Dorn

Elvira, seine Gattin
Katharina Leyhe

Zulma, ihre Dienerin
Adriana Bastidas Gamboa

Haly, Oberster der Wachen
David Pichlmaier

Lindoro, Sklave Mustafàs
Musa Nkuna

Isabella, seine Geliebte
Kristina Wahlin

Taddeo, ihr Verehrer
Johannes Beck


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





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