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Shockheaded Peter

Junk-Oper nach Motiven aus "Der Struwwelpeter" von Dr. Heinrich Hoffmann
von Phelim McDermott / Julian Crouch / Martyn Jacques


in deutscher Sprache
Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Premiere im Theater Mönchengladbach am 25. Januar 2008


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Ist das Jugendstrafrecht hier angemessen? Oder: Pädagogik für 3-6-jährige

Von Peter Bilsing / Fotos von Matthias Stutte


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Erzähler / Theaterdirektor: Adrian Linke

Was ist das für eine Horror-Geschichte, wo zwei Erwachsene dem Wahnsinn verfallen und alle Minderjährigen dahingemetzelt werden. Alle Kinder und jugendlichen Helden dieses Stücks werden entweder vom Hunde zerfleischt, lebendig verbrannt, von den Eltern erschlagen, zu Tode gehungert, oder ertrinken, werden in Teile geschnitten und erstickt. Lebensgroße Hasen ballern nette Jäger über den Haufen und ein Negerkind wird brutal zusammengeprügelt. Da kommt uns doch manches aus der Tagespresse bekannt vor, oder? Aber, aber, ruhig Blut, Herr Koch! Was inhaltlich nach einem ganz üblen Splatterfilm klingt, ist kein Kettensägen-Massaker-Teil-3. Es war (natürlich in der Originalversion) einmal Deutschlands beliebtestes Lesewerk für unsere kleinen Strolche gewesen: „Der Struwwelpeter – „schaut der Struwwelpeter, ja den kennt ein jed(t)er!“, hätte Heinz Erhardt gesagt.

Genau! Es geht um jenes apokalyptische Werk, welches der Politiker und Irrenarzt Heinrich Hoffmann speziell und streng persönlich in Ermangelung angemessener Kinderliteratur Mitte des 19.Jahrhunderts für seine Kleinen geschrieben hatte. 1845 erschien das putzige Büchlein zum ersten Mal im Druck unter dem Titel „Drollige Geschichten und lustige Bilder für Kinder von 3–6 Jahren“ (Kein Scherz!). Ab 1847 hieß es kurz und prägnant: „Struwwelpeter“. Es wurde bis heute mindestens 25 Millionen Mal verkauft. Durchaus ernstzunehmende Psychologen und Pädagogen begründen das in den nächsten hundert Jahren folgende Leid und Elend des Deutschen Volkes mit genau diesem Geiste der Erziehung. Die Grimm-Brothers lassen in diesem Zusammenhang natürlich ebenfalls grüßen!

Vergrößerung in neuem Fenster Vater (Sven Seeburg) / Böser Bube (Ronny Tomiska) / Mutter (Imke Trommler)

Jener Bilderbuch-Schocker, Stammliteratur (neben der Bibel) in fast allen „teutschen“ Kinderzimmern anno dunnemal, wurde in unzählige Weltsprachen übersetzt und machte im Jahre 1997 auch vor der britischen Kultband „The Tiger Lillies“ nicht halt. Fies und schwarzhumorig, wie Engländer nun einmal sind, gab man noch einen drauf – lies aber das Basiswerk fast unberührt. Das Stück ist in eine Art Bänkelgesang, durchmischt mit Zirkusmusik, Weill'schen Anklängen, Reminiszenzen an Tom Waits und einer Prise Beggars-Opera, recht zynisch vertont. 1998 wurde es in London von Phelim McDermott & Julian Crouch herausgebracht und wurde nach der Uraufführung ein echter Welterfolg. Die Musik ist eine kuriose Mischung, mal laut und aggressiv, mal einfühlsam, immer temporeich mit viel rhythmischem und melodisch-harmonischem Witz. Der Leadsänger ist eine Art englischer Qualtinger - allerdings tönt er im Falsett, im Tenor des Kastratengesangs. (heuer als Countertenor geläufig) Zusammengehalten wird die Geschichte durch einen diabolischen Conferencier, der im Zwiegespräch mit dem Publikum und im Stile eines freigeistigen Frankenstein-Monsters durch das Stück führt.

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Böser Hase (Radovan Matijek) / Bänkelsänger (Tobias Wessler)

An den Vereinigten Bühnen Krefeld & Mönchengladbach hat nun Regisseur Reinhard Friese das Stück relativ nahe am Uraufführungsszenario wieder angesiedelt. Das Spiel im Spiel auf der kleinen überschaubaren Bühne ist ganz im Sinne des Brechtschen Vorhangtheaters eingefädelt – es dominieren weder pyrotechnische Effekte, noch sonstiger Technik-Schnickschnack, wie an anderen Bühnen – sondern die Geschichte kommt kammermusikalisch daher und lebt vom Zauber der Darsteller und der Kostüme bzw. einfacher zirzensischer Theatereffekte.

Vergrößerung in neuem Fenster Böse Buben (Sven Seeburg / Ronny Tomiska / Radovan Matijek) / Riese (Imke Trommler)

Brillant und geradezu darstellerisch artistisch mimen Sven Seeburg und Imke Trommler das brave Ehepaar, welches die Rahmenhandlung absteckt, in der Eltern zunehmend zu Opfern ihrer eigenen Erziehungsmethoden werden. Adrian Linke ist die Idealbesetzung für den bösen Erzähler. Tobias Wessler agiert nicht nur als Sänger überzeugend, sondern dominiert auch noch dazu in den diversen kleineren Partien. Ronny Tomiska als bewegliche Struwwelpeter-Marionette in seinen vielen Alteregos begeistert ebenso, wie Jennifer Anne Kornprobst als Feuerkind, Mohr und mit diversen anderen Gesichtern. Radovan Matijek erhielt für seine riesigen Tierpantomimen spontanen Szenenapplaus.


FAZIT

Künstlerisch steht ein Riesenteam hinter dieser gelungenen Produktion, die im kleinen Rahmen großes Theater bietet. Absolut empfehlenswert, auch als schön schwarzhumoriger Familienabend mit den Kindern; natürlich nichts für 3-6 Jährige, aber wer Harry Potter liest, wird auch hier nicht fürs Leben verdorben. Großartig gemacht, künstlerisch perfekt und gesanglich klasse! 90 sehr unterhaltsam kurzweilige Minuten – ohne Pause.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Willi Haselbek

Inszenierung
Reinhardt Friese

Bühne
Günther Hellweg

Kostüme
Annette Mahlendorf

Puppen
Radovan Matije

Videografie
Frank P. Huhn

Dramaturgie
Vera Ring



Musiker

Jörg Kinzius
Willi Haselbek
Christoph Kammer


Solisten

Theaterdirektor
Adrian Linke

Sänger u.a.
Tobias Wessler

Vater u.a.
Sven Seeburg

Mutter u.a.
Imke Trommler

Struwwelpeter u.a.
Ronny Tomiska

Gretchen u.a.
Jennifer Kornprobst

Wilhelm u.a.
Radovan Matijek



Weitere
Informationen

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Theater Krefeld-
Mönchengladbach

(Homepage)



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