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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 Std. 45' (zwei Pause)

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen
am 29. März 2008


Logo: Städtische Bühnen Münster

Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
Unwille zur Regie

Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer


Isolde fleezt sich im Deck-chair; teurer Pelzmantel, extravagante Sonnenbrille im Retro-Design (Modell „Jackie Onassis“). Das sähe nach einer schicken Kreuzfahrt in der Luxusklasse aus, wäre der Bühnenraum nicht abgeschlossen wie ein Bunker. Im dritten Akt sind die Liegestühle ersetzt durch leere Bettgestelle: Tristan ist ein Fall fürs Sanatorium, untergebracht im Gruppenschlafsaal für Kassenpatienten. Zwischen den beiden symmetrisch arrangierten Bildern für den ersten und dritten Aufzug wird ein Bundeswehr-Tarnnetz in den bunkerartigen Bau eingezogen und deutet den Baum an, unter dem Tristan und Isolde sich in die Nacht der Liebe verlieren. Das alles ist apart ausgeleuchtet, ein bisschen zu bunt allerdings (Licht-Design: Matthias Hönig), wie überhaupt das Bühnenbild von Heinz Balthes einen etwas zu starken Hang zum Dekorativen hat. Dennoch schafft es einen, wenn auch nicht völlig neuartigen, doch wirkungsvollen und praktikablen Rahmen für die „Handlung in drei Aufzügen“, wie Wagner sein Musikdrama genannt hat. Zum Liebestod öffnet sich der klaustrophobische Raum in schöner Symbolik und wird von gelbem Licht geflutet.

Vergrößerung in neuem Fenster Feine Gesellschaft auf Kreuzfahrt: Isolde (Ursula Prem, l.) und Brangäne (Andrea Baker)

Unter „Inszenierung“ hat Intendant Wolfgang Quetes im Programmheft seinen eigenen Namen einsetzen lassen. So etwas wie Regie sucht man aber vergebens. Die Personen stehen hilflos auf der Bühne herum und wissen nicht, wohin sie schauen sollen. Tristan und Kurwenal, in feschen Uniformen, sowie der perfekt gefönte Melot scheinen peinlich berührt, dass sie sich mit den völlig unpassenden Degen gegenseitig abmurksen müssen, und sterben deshalb schnell und widerstandslos. Den Hirten hat man aus der mongolischen Steppe importiert und kurzerhand mit einer Schalmei ausgestattet, auf der er asynchron zur „alten Weise“ die Finger bewegt. Zum großen „Liebestod“-Finale sind Brangäne und Marke längst in die Kantine gegangen: Auftritt fertig, Sänger geht nach hinten ab. Man erwartet ja nun wahrlich bei Tristan und Isolde keinen action-thriller, aber irgendwas müsste sich doch mit diesen Figuren auf der Bühne anfangen lassen. So ist das beste an der Personenregie, dass sie über weite Strecken – und sei aus Belanglosigkeit – nicht auffällt.

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" Oh sink' hernieder, Nacht der Liebe": Tristan (Jon Ketilsson) und Isolde (Ursula Prem)

Das Drama, das auf der Bühne nicht stattfinden will, ist in den Orchestergraben verlagert. Chefdirigent Fabrizio Ventura hat mit dem insgesamt sehr guten Sinfonieorchester Münster sorgfältig gearbeitet. Nicht alles gelingt, etwa das Vorspiel zum zweiten Aufzug ist kräftig verwackelt. Aber Ventura geht, anders als der Regisseur, aufs Ganze und lotet die Tiefen dieses Werks aus. Der Beginn steigt im leisesten Pianissimo wie aus dem Urgrund auf (leider dröhnt die Belüftung ungerührt im Mezzopiano vor sich hin), der weiche Klang ist sehr sorgfältig abgestuft, die musikalische Entwicklung klug disponiert. Ventura gelingt eine nuancierte, weniger im Tempo als mehr im Charakter ruhige, mitunter fast melancholische Interpretation, die weniger die Schärfen als vielmehr die unendliche Melodie betont.

Vergrößerung in neuem Fenster Ende einer Liebesnacht: vorne Tristan (Jon Ketilsson) und Isolde (Ursula Prem), dahinter Melot (Jaroslaw Sielicki), von Ferne kommt Marke Plamen Hidjov), links im Halbdiunkel Brangäne (Andrea Baker)

Für die neun angesetzten Aufführungen ist der Tristan doppelt, die Isolde gleich dreifach besetzt. Jon Ketilsson und Ursula Prem hinterließen in der Premiere zwiespältige Eindrücke. Der isländische Tenor hat im Grunde zwei Stimmen, zwischen denen er hin- und her schaltet: Einen sehr leichten und ziemlich farblosen Spieltenor im Parlandoton und eine schwereren, in weiten Bögen ausschwingenden leicht dunkel gefärbten Heldentenor (dem es für den Tristan aber ein wenig an Gewicht fehlt; eher scheint der Meistersinger-Stolzing oder der Lohengrin zu passen) mit sicherer Höhe und bei allem tenoralen Glanz lyrischer Emphase. Leider singt Ketilsson den gesamten zweiten Aufzug mit der erstgenannten Färbung, und weder mischt sich die Stimme mit dem Orchester noch mit der seiner Partnerin. Sehr viel intensiver ist die Extase nach der Einnahme des Liebestranks, und auch die Fieberschübe des dritten Aufzugs gelingen im Großen und Ganzen eindrucksvoll. Ursula Prem ist eine höhen- und intonationssichere Isolde mit einem kontrollierten, aber auch etwas eintönigen Vibrato und durchaus dramatischem Gestus. Sie liefert eine eindrückliche Interpretation, nur fehlt es ihrer Stimme zum hochdramatischen Sopran ganz erheblich an Volumen. Im ersten Aufzug versucht sie dies immer wieder durch Passagen mit scharfem Sprechgesang auszugleichen – was man einer wütenden Millionärin durchaus abnimmt. Im zweiten Akt muss sie zunächst vor dem (keineswegs überlauten) Orchester kapitulieren, weil die Stimme nicht genug Kraft hergibt, und für das große Duett fehlen die lyrischen Töne. Im Finale des dritten Aufzugs ist das „mild und leise“ durchaus wörtlich für eine introvertierte Interpretation des Liebestods zu nehmen, nachdrücklich gestaltet – ein paar Buhs konnte das aber nicht abwenden.

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Ein Fall für das Sanatorium: Tristan (Jon Ketilsson), gestützt von Kurwenal (Anton Keremidtchiev)

Was dem hohen Paar an hochdramatischem Impetus fehlt, bringen Andrea Baker als Brangäne und Anton Keremidtchiev als Kurwenal ein, beide mit klangvollen, sehr präsenten und voluminösen Stimmen. Andrea Bakers dunklen, metallisch glänzenden Alt hätte man allerdings beim „habet acht“ nicht akustisch derartig ungünstig in den Dachstuhl des Hauses verbannen dürfen, dass die Sängerin zum unschönen Schreien genötigt wird (das sie von der Bühne aus überhaupt nicht nötig hat); Keremidtchiev dürfte noch entspannter singen – seine große Stimme ist mitunter unnötig forciert und dadurch fest. Plamen Hidjov singt einen unprätentiösen, klaren Marke ohne Fehl und Tadel. Jaroslaw Sielicki als Melot, Andrea Shin als Hirt und junger Seemann und Donald Rutherford als Steuermann sind mehr als solide Besetzungen.


FAZIT

Rampentheater vor nicht unattraktivem Bühnenbild, musikalisch mit viel Licht und manchem Schatten


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrizio Ventura

Inszenierung
Wolfgang Quetes

Bühne
Heinz Balthes

Kostüme
José Manuel Vázquez

Licht-Design
Matthias Hönig

Chor
Donka Miteva

Dramaturgie
Jens Ponath


Chor der Städtischen
Bühnen Münster

Statisterie der Städtischen
Bühnen Münster

Sinfonieorchester
der Stadt Münster


Solisten

* Besetzung der Premiere

Tristan
* Jon Ketilsson /
Wolfgang Schwaninger

König Marke
Plamen Hidjov

Isolde
Marion Amman /
* Ursula Prem /
Nadine Secunde

Kurwenal
Alan Cemore /
* Anton Keremidtchiev

Melot
Jaroslaw Sielicki

Brangäne
* Andrea Baker /
Suzanne McLeod

Ein Hirt / junger Seemann
Andrea Shin

Steuermann
Donald Rutherford



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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