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Elektra

Tragödie in einem Aufzug
Text nach der gleichnamigen Tragödie (1903)
von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 25. Januar 2009


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Theater Bonn
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Orchestrale Untiefen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Eine Oper feiert runden Geburtstag: Auf die Stunde genau 100 Jahre alt ist die Elektra am Bonner Premierenabend geworden, und da entschied man sich sogar abweichend vom üblichen Spielplan für die genaue Uhrzeit der Dresdener Uraufführung vom 25. Januar 1908, nämlich 20 Uhr. Ein künstlerischer Mehrwert allerdings war allein dadurch jedenfalls nicht auszumachen, und die Elektra hat solchen museal anmutenden Gedenkkult eigentlich nicht nötig: Das Stück ist in den Spielplänen fest verankert, und dass es vergleichsweise selten aufgeführt wird, liegt nicht an mangelndem Interesse, sondern an den immensen musikalisch-technischen Schwierigkeiten. Die zu bewältigen ist Stefan Blunier angetreten, der damit sein Debut als Chefdirigent der Bonner Oper gibt – und unter diesem Gesichtspunkt ist sein Einstand durchaus gelungen.


Vergrößerung in neuem Fenster Unglückliche Schwestern: Chrysosthemis (Ann-Marie Backlund, links) und Elektra (Barbara Hofstetter-Schneider)

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Agamemnon! Vater! Ich will dich seh'n, lass mich heute nicht allein" - Barbara Schneider-Hofstetter (Elektra)
(MP3-Datei)


Klangbeispiel Klangbeispiel: "Was kümmert mich, wer ausser Haus ist. Ich lebe hier und bin die Herrin." - Daniela Denschlag (Klytämnestra)
(MP3-Datei)


Oper bewältigt, Beifall groß – aber wofür genau? Blunier führt Richard Strauss als den Bürgerschreck vor, der vor just 100 Jahren mit dieser Oper dem konservativen Publikum dröhnend Angst eingejagt haben mochte. Hier soll alles groß klingen, tut es mitunter auch, aber trotz ein paar gelungener Effekte bleibt die Musik oft poltrig und merkwürdig spannungslos. Zu sehr ist Blunier einem pauschalen und allzu undifferenzierten Forte verhaftet. Weder gelingen die Abstufungen zum Mezzoforte noch entsteht, allen Anfeuerungen des Dirigenten zum Trotz, ein wirklich raumgreifendes Fortissimo. Strauss' Instrumentationskunst kommt kaum zur Geltung, weil es wenig Binnenabstufung der Instrumentengruppen gibt, und im Bemühen um den richtigen „drive“ spielen Blunier und das Beethoven Orchester sorglos über die „kleinen“ Notenwerte hinweg, wodurch die rhythmische Härte verloren geht. Prominentes Opfer ist etwa das Agamamnon-Motiv, das mit seinen vier Noten der Sprachmelodie des Namens folgt – aber in dieser Aufführung sind die ersten drei Noten oft überfallartig zu einer einzigen zusammengezogen. Dadurch klingt die Musik nicht dramatischer, sondern überhastet. Auch die Stellen, an denen Strauss motivisch-thematisch arbeitet, kommen oft in der überhitzten, aber mehr lärmenden als expressiven Ausführung zu kurz. Sehr schön gelingen einige Piano-Passagen, aber für eine wirklich überzeugende Interpretation ist das zu wenig. Letztendlich wird die Partitur mehr gestemmt als ausmusiziert. Das schlimmste aber: Immer wieder werden die Sänger zugedeckt oder an den Rand ihrer stimmlichen Möglichkeiten gebracht und damit zum Forcieren genötigt.

Dabei ist Barbara Schneider-Hofstetter eine Elektra von durchaus beachtlichem Format. Nach anfänglichen Wacklern sang sie sich am Premierenabend schnell frei, ihre im Piano interessant eingedunkelte Stimme ist über alle Register kultiviert geführt und immer klangschön. Bögen sind sauber ausgesungen, die Spitzentöne „sitzen“. Allzu groß ist die Stimme nicht, letztendlich mehr jugendlich-dramatisch als hochdramatisch ausgeprägt. Mit diesem material lässt sich die Partie mehr als ordentlich gestalten (und eindrucksvoll ist diese Gesangsleistung ohne Frage) – nur müsste eben seitens des Dirigenten die Balance zum Orchester sensibler ausgelotet sein. So muss die Sängerin zu oft ans stimmliche Limit gehen, was sie immer kontrolliert tut, aber dann fehlen bei aller gesanglichen Intensität die Möglichkeiten zur musikalischen Ausgestaltung.


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Toller Brustpanzer! Klytämnestra (Daniela Denschlag)

Ann-Marie Backlund hat als Chrysosthemis die um eine Spur größere Stimme, dazu silbriger (und dadurch jugendlicher, was die stimmliche Disposition insgesamt rettet). Natürlich hat sie auch weniger zu singen und kann daher mehr riskieren, auch mehr Lautstärke. Sie findet die richtige Mischung aus lyrischer Emphase und dramatischem Zupacken. Daniela Denschlag ist eine angenehm jugendliche Klytemnästra (zu oft wird die Partie alternden Diven aus dem dramatischen Fach angedient), optisch wie stimmlich. Ein klein wenig mehr stimmliches Gewicht könnte die Rolle indes vertragen, ist aber klar und prägnant gesungen. Mark Morouse ist ein Orest mit satter tiefer Lage, sehr statisch gesungen und dadurch das Fremdartige der Figur betonend.


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Mord als Schattenspiel: Aegysth (Mark Rosenthal)

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Orest ist tot" - Ann-Marie Backlund (Chrysosthemis) und Barbara Schneider-Hofstetter (Elektra)
(MP3-Datei)


Klangbeispiel Klangbeispiel: "Wer bist denn du? - Was kümmert's dich" - Mark Morouse (Orest) und Barbara Schneider-Hofstetter (Elektra)
(MP3-Datei)


Angesichts der 100-Jahr-Attitüde mochte man vor der Premiere spotten, hier werde womöglich das Uraufführungsszenario nachgestellt – das passiert natürlich nicht. Allerdings hält sich Intendant und Regisseur Klaus Weise mit Neudeutungen des Stücks sehr zurück und überlässt seinen Ausstattern das Feld. Bühnenbildner Martin Kukulies trennt die Bühne durch eine halbtransparente Wand (die sich ab und zu öffnet) von der Rampe ab, was die Spielfläche auf Kammerspielformat reduziert, aber ein paar hübsche Beleuchtungseffekte ermöglicht. Zu Beginn wird viel Blut von dieser Wand abgewaschen; das ist nun wahrlich nicht besonders originell, aber passt natürlich immer. Viel Bühnennebel und auch Feuer gibt's zu sehen. Der Mord an Aegisth findet als etwas zu pathetisches Schattenspiel statt, und als Schreckensmoment fallen im Finale ein paar gefüllte Leichensäcke von der Decke. Für hinreichend düsteres Ambiente ist also gesorgt. Ziemlich ratlos stimmen jedoch die Kostüme. Fred Fenner hat schicke zeitlose Designerklamotten mit einem Einschlag von Science Fiction entworfen; wenn da ständig von Elektras schäbigem Aussehen gesungen wird, kann sich das kaum auf Kleidung und Frisur beziehen. Klytämnestra und Aegisth haben optisch etwas verunglückte Brustpanzer verpasst bekommen, und während sonst alles in schwarz-weiß-grau gehalten ist, tragen die Mägde farbenfrohe Sommerkleider und abstruse Haartrachten. Das alles scheint weitgehend sinnfrei zu sein. Eine greifbare Deutung über das Atmosphärische hinaus ist da nicht zu erkennen.


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Auch Muttermord macht nicht glücklich: Elektra (Barbara Schneider-Hofstetter)

Die Darsteller agieren vorne an der Rampe. Der Regisseur hat ihnen dankenswerterweise allzu pathetisches Gehabe untersagt. Die Personenführung wirkt teilweise angenehm unaufgeregt, phasenweise aber auch recht spannungslos. Dies alles fügt sich zu einer weitgehend stimmigen, allerdings auch wenig ambitionierten Regie zusammen. Den Sängern mag das entgegen kommen, weil sie sich, akustisch günstig aufgestellt, auf die Musik konzentrieren können. Eine Spur mehr Regie hätte es für das Publikum dennoch sein dürfen.


FAZIT

Ein Strauss-Festtag ist die Produktion zum 100. Geburtstag der Oper nicht geworden, für's Repertoire wird's allemal reichen: Angesichts der guten Sänger bleibt es aber mehr als ein Wermutstropfen, dass die schlechte Abstimmung mit dem Orchester eine musikalisch bessere Aufführung verhindert. Die Inszenierung liefert einen einigermaßen stimmigen Rahmen, nicht mehr und nicht weniger.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Blunier

Inszenierung
Klaus Weise

Bühne
Martin Kukulies

Kostüme
Fred Fenner

Licht
Thomas Roscher

Chorleitung
Sibylle Wagner

Dramaturgie
Ulrike Schumann


Chor des Theater Bonn


Beethoven Orchester Bonn


Solisten


* Besetzung der Premiere

Elektra
Barbara Schneider-Hofstetter

Chrysothemis
Ann-Marie Backlund

Klytämnestra
Daniela Denschlag

Orest
Mark Morouse

Aegisth
Mark Rosenthal

Vertraute
Erika Detmer

Schleppträgerin
Vardeni Davidian

Junger Diener
Johannes Mertens

Alter Diener
Johannes Flögl

Pfleger des Orest
Egbert Herold

Aufseherin
Sigrún Pálmadóttir

Erste Magd
Elisabeth Hornung

Zweite Magd
Susanne Blattert /
* Ramune Slizauskiene

Dritte Magd
Anjara I. Bartz

Vierte Magd
* Julia Kamenik /
Asta Zubaite

Fünfte Magd
Anna Virovlansky



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