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Das Pariser Leben
(La vie parisienne)

Operette in fünf Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Deutsch von Bernd Wilms
Musik von Jacques Offenbach


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 16. November 2008
(rezensierte Aufführung: 27. Dezember 2008)


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Theater Bonn
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Moderne Zeiten

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Da kommt ein schwedischer Baron mit Gattin in das großbürgerliche Paris des second empire unter Napoléon III. und möchte das mondäne Leben der Metropole genießen – und bekommt selbiges in Form eines Schmierentheaters vorgespielt. Alles nur Fassade, reichlich schäbig sogar, aber trotzdem zum Genießen schön. Der Operettenstaat ist diesmal kein exotisches Fürstentum, sondern die Grand Nation selbst, die sich mit gehöriger Ironie feiert. Waren in Orpheus in der Unterwelt (1858) und der Schönen Helena Offenbachs gesellschaftskritisch-satirischen Spitzen noch in das vordergründig antikisierende Gewand der Mythos-Parodie eingekleidet, so schöpften der Komponist und seine Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy in La Vie Parisienne ganz unverstellt aus ihrer Gegenwart, eben aus dem Pariser Leben.


Vergrößerung in neuem Fenster Charlie Chaplin lässt grüßen: Das Bühnenbild zitiert dessen modern times. Hier gerät der Baron de Gondremarck ins Getriebe der modernen Welt.

Eigentlich genug Stoff für eine Inszenierung, sollte man denken. In Bonn allerdings interessiert sich Regisseurin Andrea Schwalbach kaum dafür. Was da reichlich zäh auf der Bühne abläuft, hat mit dem Pariser Leben kaum noch etwas zu tun. Die Inszenierung tendiert zur knallbunten Revue, was thematisch ja nahe liegen mag, aber darüber geht der Regisseurin die zu erzählende Geschichte weitgehend verloren. Das wäre ja vertretbar, wenn denn dafür die Revue entsprechende Unterhaltungsqualitäten hätte – aber das Tempo stimmt nicht, die ermüdenden Dialoge sind viel zu langsam, die Pointen verpuffen matt. Und mit ein paar Tänzern, die ein wenig herumhüpfen („Choreographie“ ist das, auch wenn es auf dem Besetzungszettel so ausgewiesen ist, eigentlich nicht zu nennen; so viel Arrangement sollte jeder Regieassistent in der Kaffepause hinbekommen), ist auch kein Operettenstaat zu machen.

Nicht, dass die Regisseurin keine Einfälle hätte, im Gegenteil: Hier jagt eine Idee die andere. Aber jede steht für sich. Kaum einmal wird ein Gedanke fortgesponnen, alles dient nur dem Moment. Zunächst wird die Reise des schwedischen Ehepaars mit allerlei Verkehrsmitteln, die Kinderzeichnungen nachempfunden sind, vorgespielt, was später aber nicht weiter aufgegriffen wird. Danach sieht man ein gewaltiges Zahnrad, reichlich überstrapaziertes Zitat aus Charlie Chaplins (70 Jahre später entstandenem) Film Modern Times - Anspielung auf das Industriezeitalter, die aber weiter keine Konsequenz für die Inszenierung hat. Später schneiden sich die Partygäste Kleider aus der Seidentapete, wohl um der szenischen Botschaft „alles ist nur Fassade“ wegen. Und das Finale findet auf einer Eisbahn statt, weil es manche Leute möglicherweise lustig finden, wenn da jemand ausrutscht (was aber immer noch zu den besseren Momenten des Abends gehört). Aber zwischen all diesen Einfällen fehlt jeglicher rote Faden - und eben auch die Geschichte dahinter. Noch dazu findet die Inszenierung auch im Ästhetischen keine Handschrift, auch unter dem Aspekt der „schönen Bilder“ geht es allzu uneinheitlich zu.


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Wetterfeste Kleidung in den Landesfarben blau und gelb kennzeichnen ihn als Schweden: Der Baron tanzt.

Wird dem Libretto szenisch der Esprit ausgetrieben, so sorgt die Unart, alle Sänger elektronisch zu verstärken, für musikalische Trostlosigkeit: Zwar tut die Bonner Tontechnik ihr bestes, aber das überdimensionierte Klangbild ist dennoch ebenso unnatürlich wie unpersönlich. Dabei stehen vorzügliche Sänger auf der Bühne, die solche Art der technischen Unterstützung sicher nicht nötig gehabt hätten: Da ist vor allem die durch und durch souveräne, mit samtener und bis in die leuchtenden Höhen tragfähiger Stimme ausgestattete Julia Kamenik als Pauline, da besticht Sigrun Pálmadóttir als quirlige, stimmlich bewegliche Gabriele, und Anjara I. Bartz zeichnet (mit leichten Schwächen in der Höhe) eine divenhafte und leicht zickige, dabei musikalisch grundsolide Metella. Tansel Akzeybek erinnert als jugendlich charmanter Gardefeu äußerlich und mit mancher Geste an Superstar Rolando Villazón, und auch sein geschmeidiger lyrischer Tenor kann sich hören lassen, auch wenn die Spitzentöne nicht ganz frei ausschwingen.


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Aus der Seidentapete werden kurzerhand Bekleidungsutensilien ausgeschnitten.

Nina V. Vodop'yanova ist eine schauspielerisch wie sängerisch solide Baronin, ihr Gatte mit dem singenden Schauspieler Roland Silbernagel besetzt, der die Partie ganz ordentlich bewältigt. Blass bleibt Paul Brady als matter Bobinet, und Klaus Brantzen bringt sein zweifellos vorhandenes komödiantisches Talent als Frick ziemlich wirkungslos ein. Alles in allem überzeugt diese Mischung aus „richtigen“ Opernsängern und singenden Schauspielern kaum, weil es der Inszenierung nicht gelingt, die jeweiligen Stärken hervorzuheben – so neutralisieren sich die individuellen Vorzüge mehr, als dass sie sich verstärken. Allein Günter Alt gelingt es als Madame de Quimper-Karadec (eigentlich eine Rolle für Mezzo-Sopran), einer Figur komödiantisches Format zu verleihen.


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"Jetzt, geht's los, hemmungslos": So schön ist das Pariser Leben.

Das Beethoven-Orchester spielt unter der Leitung von Wolfgang Lischke zuverlässig, im ersten Teil ein wenig mechanisch, nach und nach dann mit zunehmend mehr Esprit. Sehr problematisch ist, woran die Musiker freilich nichts ändern können, die Klangbalance mit den verstärkten Sängern – da klingt das Orchester doch sehr weit im Hintergrund. Ein paar Wackler gab's in der hier besprochenen Aufführung im ansonsten soliden Chor.


FAZIT

Aus vielen Einfällen erwächst keine tragfähige Idee – vieles in diesem Pariser Leben bleibt Stückwerk. Und die guten musikalischen Einzelleistungen werden per Lautsprecher ebenso unnötig wie übertrieben aufgemotzt: Keine Produktion, die Offenbach-Liebhaber glücklich macht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfgang Lischke

Inszenierung
Andrea Schwalbach

Choreografie
Rafaële Giovanola

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Stephan von Wedel

Licht
Max Karbe

Chorleitung
Ulrich Zippelius

Dramaturgie
Ulrike Schumann


Statisterie des Theater Bonn

Chor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten




Baron de Gondremarck
Roland Silbernagl

Baronin de Gondremarck
Nina V. Vodop’yanova

Gardefeu
Tansel Akzeybek

Bobinet
Paul Brady a.G.

Metella
* Anjara I. Bartz /
Susanne Blattert

Frick / Prosper
Klaus Brantzen a.G.

Gabrielle
* Sigrún Pálmadóttir /
Julia Novikova

Pauline
* Julia Kamenik /
Anna Virovlansky

Madame de Quimper-Karadec
* Günter Alt /
Wolfgang Rüter

Der Brasilianer
Mark Rosenthal /
* Johannes Mertes

Léonie
Marianne Freiburg

Louise
Ulrike Gmeiner

Clara
Brigitte Jung

Josephine
Jeanette Katzer

Caroline
Maria Michala

Augustine
Katrin Schyns

Albertine
Annabel Cuny

Charlotte
Bärbel Stenzenberger a.G.

Henri
Ladislav Rajn a.G.

Pierre
Olaf Reinecke a.G..



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