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Musiktheater
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Rusalka

Lyrisches Märchen in drei Akten
Text von Jaroslav Kvapil
Musik von Antonin Dvorak


In tschechischer Sprache mit flämischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 5. Dezember 2008 im Theater La Monnaie, Brüssel


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La Monnaie
(Homepage)
Siehst du den Mond über Brüssel…

Von Joachim Lange / Fotos von La Monnaie / (c) Forster


Antonín Dvoraks Rusalka erlebt so etwas wie eine Konjunktur. Wohl auch, weil sie die Sehnsucht nach Zauber in nüchternen Zeiten auf besondere Weise bedient. Dass diese Sehnsucht nach einem anderen Leben unerfüllt bleibt, ist dabei kein Nachteil, ja erlaubt sogar vielschichtige Projektionen. Jossi Wieler reüssierte mit seiner analytischen Sicht im letzten Salzburger Festspielsommer. Auch Stefan Herheim verhandelt jetzt in Brüssel, auf ganz andere Art, Projektionen. Wer allerdings erwartete, dass da jenes traurig schöne Bühnenmärchen, mit dem Dvoøák Anfang des vorigen Jahrhunderts der Musikgeschichte einen seiner bedeutenden, tschechischen Erbanteile hinzufügte, getreulich nacherzählt wird, der wird in Brüssel möglicherweise enttäuscht von dannen ziehen. Dass sich ausgerechnet der Norweger, der seit letztem Sommer (ganz zu Recht, aber doch etwas zu kurz gegriffen) mit seinem historisch psychologischen Parforce-Parsifal in Bayreuth zusammengedacht wird, an den Buchstaben des Märchens über den tragisch scheiternden Versuch einer Nixe, zu einer Menschenfrau zu werden, halten würde, konnte man im Ernst nicht erwarten. Wer sich aber auf das Abenteuer einlässt, hinter der nüchternen Oberflächenwirklichkeit, die lauernden Abgründe der Fantasie, die märchenhaften Möglichkeiten von Sehnsucht nach Verwandlung und die tödlichen Gefahren der Täuschung und Enttäuschung wahrzunehmen, wer also offen ist für das Wunder des Theaters und der Oper, der ist in Brüssel genau richtig.

Vergrößerung in neuem Fenster

Denn hier bestehen Stefan Herheim und seine wunderbare Bühnenbildnerin Heike Scheele auf dem Recht der Oper mit allen ihren phantastischen Möglichkeiten die Assoziationsräume der Musik (im Zweifel auch im Gegensatz zum Buchstaben des Librettos) auf der Bühne zu öffnen, damit zu verzaubern, zu verblüffen oder auch zu irritieren. Und ein Staunen in die Augen und das Gemüt der Zuschauer zu zaubern, wie man es sonst vielleicht noch bei Kindern vor dem Weihnachtsbaum findet. Diesem hemmungslos entfesselten Theater wird dabei zu Zeiten nicht nur die Bühne zu eng. Es greift gleich zu Beginn sogar über die Musik hinaus. Mitten hinein ins (auch tatsächlich am Premierentag) verregnete, anheimelnd vor sich hin verfallende Brüssel. Die Bühne zeigt eine opulent ausgemalte Straßenecke mit einem Metroeingang. Aus ihm strömen immer wieder Leuten, die auf ihrem Heimweg mit nichts als dem „normalen Leben“ beschäftigt sind. Da verliert jemand seine Einkaufstüte. Da fragt ein Mädchen nach dem Weg. Da quengeln Kindern an der Hand der Mutter. Da versucht eine alte Frau Blumen zu verkaufen. Doch hier ist natürlich nichts nur so, wie es im Straßenlärm und in der ständigen Wiederholung scheint.

Vergrößerung in neuem Fenster

Mit der Musik beginnt der Zauber der Verwandlung, da öffnen sich die Tore ins Reich der Fantasie und Bühnenwunder. Hier sieht man einerseits, wie ein leichtes Mädchen einem Mann, der mit der Aktentasche unterm Arm von der Arbeit kommt, seine Dienste anbietet. Vom Fenster aus beobachtet das die Ehefrau und reagiert wütend darauf, setzt ihn vor die Tür. Der unter dieser Wohnung liegende Eckladen wird zum Sexshop. Aus der Kneipe gegenüber (über der mal Lunatic, mal Solaris Neonschrift blinkt) fährt ein Tresen auf die Straße und die Barhocker davor fangen an zu tanzen. Aus dem Boden wächst eine (mit Wasser gefüllte) Litfaßsäule, die zuerst für die Marke Poseidon, dann aber auch für die Vorstellung Reklame macht, in der gerade alle sitzen. Es ist betörend schön, wenn Rusalka oben auf dieser Litfaßsäule den Mond ansingt und die Satellitenschüsseln an den Fenstern mit einem Leuchten darauf antworten.

In dieser Atmosphäre des Sehnens werden dann ein heimkommender Matrose zum Traumprinzen für Rusalka und der Sexshop, in dem gerade noch die Puppen tanzten, zum Hochzeitsausstatter mit lauter Brautkleidern im Fenster. Rusalka wagt den Schritt ins andere Leben. Sie wirft ihre Perücke weg und tauscht ihre „Berufskleidung“ gegen ein Brautkleid ein. Zu Hilfe kommt ihr Ježibaba, die sich im Dampf einer Explosionswolke eines aus dem Fenster geworfenen Fernsehers von der unauffälligen Blumenverkäuferin in die Zauberin verwandelt, die ihr dabei hilft. Dass mit dieser Rusalka auf dem Weg in ein anderes Leben, dennoch etwas nicht stimmt, merkt der Mann schon als er beim Tanz am Ende doch nur eine Puppe im Arm hält. Sexshop oder Hochzeitsausstatter liegen hier metaphorisch dicht beieinander. Wie das Frischfleisch (halbe Schweinehälften) im Schaufenster des Metzgers, während das, was Rusalka als Braut mitmacht, hier durchaus einer Fleischbeschau ähnelt. Ihr Matrosenprinz fühlt sich ohnehin wohler mit jener anderen, weniger rätselhaften Frau, wenn er an ihrer Seite als König eines grotesken, surrealen Karnevals aus der richtigen Königsloge grüßt, während das Lametta über den Zuschauern herniederregnet und selbst die Saalbeleuchtung vor lauter Freude zwinkert und blinkt. Bis dann Rusalka aus dem Schnürboden herniederfährt. Eine Königin der Nacht wie eine Madonna auf der Mondsichel, die zu einer tödlich verletzten und verletzenden Frau wird.

Wenn hier gemordet wird, dann sind es innere Kämpfe, wenn hier gestorben wird, dann stirbt etwas in den Menschen. So wird der Prinz vom ständig durch die Szene geisternden Alten (dem Wassermann) niedergestochen, doch hindert ihn das nicht daran, Rusalka im nächsten Akt noch einmal zu begegnen. In einem Unterwasseralptraum, für den die hängenden Zweige in den gewaltigen Flutprojektionen auf einem Gazevorhang endlich zu den Unterwasserpflanzen werden, die man schon immer in ihnen vermutet hatte. Zur gleichen Zeit bringt hinter den sich aufklappenden, blätternden Fassaden der Bürgerlichkeit ein Mann seine Frau um. Dieser Drahtseilakt über den Abgründen der Geschichte, endet wie jede noch so surreale, wunderreiche Nacht mit einem Morgen danach. Da ist die Wohnung über jenem so wandlungsfähigen Eckladen ein Tatort. Ein alter Mann (der Wassermann) wird als Mörder abgeführt. Die Spurensicherung ist bei der Arbeit und Rusalka wieder mit ihrer Perücke und im weißen Lack in ihrem alten Job. Sie legt aber eine Rose auf die tote Frau, bevor sie sich einen neuen Verehrer sucht. Mitten in einer Großstadt von heute.

Die Brüsseler Oper La Monnaie hat dafür ein Ensemble, das sich mehr als nur hören und sehen lassen kann. Das gilt nicht nur für die überzeugende Olga Guryakova als Rusalka und den höhensicheren Burkhard Fritz als Prinz, sondern gleichermaßen für Doris Soffels eindrucksvoll finstere Ježibaba, für Stefanie Friedes präsente fremde Fürstin, für Willard Whites deutlich ausgeweiteten Wassermann und auch das übrige Ensemble. Herheims exzessive Bilderflut und Fantasie ist nicht ohne offene Fragen zu haben. Sie verlässt sich auf die eigene Logik des Bühnenzaubers, immer aber zugleich auf die Musik. Adam Fischer wollte die aus dem Geiste Schuberts ausloten gerät aber natürlich dramatisch inspiriert in den Bann der Szene, wird Teil eines Gesamtkunstwerkes, das sich robust über Ungereimtheiten im Detail hinwegsetzt.


FAZIT

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Adam Fischer

Inszenierung
Stefan Herheim

Bühne
Heike Scheele

Kostüme
Gesine Völlm

Chor
Piers Maxim

Video
fettFilm
(Torge Møller&
Momme Hinrichs)



Chor des
Theater La Monnaie

Orchester des
Theater La Monnaie


Solisten

Der Prinz
Burkhard Fritz

Die fremde Fürstin
Stephanie Friede

Rusalka
Olga Guryakova

Der Wassermann
Willard White

Ježibaba
Doris Soffel

Der Küchenjunge
Katarzyna Kuncio

1. Waldnymphe
Olesya Golovneva

2. Waldnymphe
YountHee Kim

3. Waldnymphe
Nona Javakhidze

Ein Jäger
Julian Hubbard

Metzger
André Grégoire

Polizist
Marc Coulon





Weitere
Informationen

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La Monnaie
(Homepage)



Da capo al Fine

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