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Musiktheater
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Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten
von Giacomo Puccini

Dichtung von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
nach David Belascos Schauspiel »Madame Butterfly«

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 40 Minuten  (eine Pause)

Premiere auf dem Burgplatz in Braunschweig am 15. August 2009



Staatstheater Braunschweig
(Homepage)

Starke Aussagen in ästhetischen Bildern

Von Bernd Stopka / Fotos Christian Bort

Seit 2001 zieht das Staatstheater Braunschweig alljährlich im Sommer auf den Burgplatz und zeigt eine Opernproduktion unter freiem Himmel. Doch ist das nicht eine jener inzwischen fast schon ebenso inflationären wie beliebigen Open-Air-Veranstaltungen, sondern auch in diesem Jahr wieder ein Beweis, dass man unter freiem Himmel die Ansprüche nicht herunterschrauben muss. Die ganz exzellente Beschallungsanlage, die transparente wie üppige, räumliche und ausgewogene Klänge ebenso zulässt wie eine angemessene Präsenz der Singstimmen, ist dabei ein verlässlicher technischer Trumpf in der Hand des Produktionsteams.

In diesem Jahr steht Puccinis „Madama Butterfly“ auf dem Programm – und machte vorweg neugierig darauf, wie der mittelalterliche Burgplatz mit fernöstlichem Kolorit zu vereinen sei. Die staunende Begeisterung beim ersten Anblick verjagt alle Zweifel: Ausstatter Harald B. Thor hat einen traumhaft schönen Zen-Garten mit Teich und Brücke, Bambuswald und Buddha-Altar, Papierlaternen und Miniaturhaus in die Mitte der arenarunden Zuschauertribüne gebaut, sehr detailliert, sehr naturalistisch, sehr üppig. Die Kostüme von Alfred Mayerhofer setzen zuweilen extrem farbige Akzente und verweisen auf das Nebeneinander von Tradition und Moderne.

Vergrößerung in neuem Fenster Trauungszeremonie

In diesem Rahmen erzählt Regisseur Andreas Baesler die Geschichte der Cio-Cio-San voller Spannung und Emotionalität mit dezenten und unaufdringlichen, aber doch deutlichen Mitteln. Er erzählt sie nicht neu, aber so eindringlich, dass sie tief unter die Haut geht ohne – und das ist zu unterstreichen – ins Kitschige abzugleiten. Damit erweist er nicht nur dem dankbaren Zuschauer einen Dienst, sondern auch dem Werk, das sich immer wieder gegen den Vorwurf der Rührseligkeit und des Kitsches behaupten muss – obwohl davon bei genauem Hinsehen wirklich nicht die Rede sein kann.

Die ästhetische Harmonie des Gartens wird durch den Einzug des amerikanischen Marineleutnants Pinkertons zerstört, Gepäck hier, Whisky-Kartons dort – ein Bild, das schon alles sagt. So ist es für diese Geschichte angemessen, um dieses Eindringen zu verdeutlichen braucht man keine Kriegbilder. Ebenso wie mit seinem Gepäck stört Pinkerton mit seinem Benehmen die Idylle. Ein eher unkultivierter Ami mit schmierigem Lächeln und lüsternem Blick. Er filmt alles – aber er sieht es nicht wirklich an. Den traditionell servierten Tee schüttet er despektierlich fort, um sich dem mitgebrachten Whisky zu widmen.

Hinter seinem „Vieni, vieni!“ im Liebesduett stehen eindeutige Absichten – unverkennbar, da er schon anfängt sich auszuziehen. Dabei spricht dann doch für ihn, dass er in der Hochzeitsnacht wenigstens nicht die Socken anbehält. Die zuvor installierten Vorhänge zieht er eigenhändig zu. So kann man sich lebhaft vorstellen, dass dahinter zu den leidenschaftlichsten Klängen Liebe stattfindet.

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Cio-Cio-San (Yunah Lee)

Ganz im Gegensatz zu Pinkerton erscheint Konsul Sharpless als leicht tüddeliger, greiser, aber weiser Herr, der zu schwach ist, um seinen Warnungen Nachdruck zu verleihen. Ein Kabinettstückchen spannendster Schauspielkunst erlebt man, wenn Sharpless Cio-Cio-Sans Kind begegnet. Er ist verängstigt (der Konsul, nicht der Junge), fühlt sich geradezu bedroht und weicht rückwärtsgehend vor ihm zurück. Doch der Verfolger will nur spielen und wirft dem alten Herrn seinen Rugby-Ball zu.
Einen Beweis seiner Musikalität erbringt der Regisseur im zweiten Akt, wenn Suzuki den lauschenden Goro entdeckt, der als schleimig-widerlicher Heiratsvermittler sein Unwesen treibt. Gleichzeitig spricht Cio-Cio-San mit ihrem Sohn. Die wütenden Tiraden Suzukis und die liebevollen Worte Butterflys sind musikalisch deutlich auskomponiert – und dementsprechend szenisch umgesetzt.
Ein rotes japanisches Holztor oben auf der Tribüne steht mit einem Fernrohr für die Sehnsucht Cio-Cio-Sans. Während sie die Treppe hinaufsteigt singt sie ihr „Un bel di, vedremo“ – ganz ruhig und bestimmt, so eindrucksvoll, wie man es selten hört. Einer von vielen ganz intimen Momenten.

<>Viele liebevolle Details unterstützen die Aussagen und lassen auch nicht vergessen, dass es Theater ist, was wir erleben: Funkenregen, schwimmende Papierlaternen, lebendige Schmetterlinge, die freigelassen werden, das Hochzeitsvideo, das sich Cio-Cio-San immer wieder anschaut, der Roller mit US-Flagge, der Kühlschrank eines amerikanischen Erfrischungsgetränkes, der Auftritt bzw. Aufritt des Fürsten Yamadori in seinem kolossalen Kostüm aus Pferdeschwanzhaaren und vieles mehr.
Bei soviel Detailtreue wundert es, dass Cio-Cio-San ihre „kleinen Sachen“ in einem Koffer aufbewahrt und nicht, wie im Libretto vorgesehen, in den Ärmeln ihres Kimonos (obwohl die groß genug dafür wären), aber es ärgert nicht.
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Suzuki (Sarah Ferede), Goro (Tom Martinsen),
Kate Pinkerton (Annegret Glaser),
Sharpless (Henryk Böhm), Pinkerton (Luis Chapa)

Während des Vorspiels zum dritten Akt erscheinen in der Dunkelheit blaugrün beleuchtet die für Cio-Cio-Sans Schicksal wichtigen Personen in den Eingängen. Ein dämonisches Bild, eine ganz starke, hochemotionale Szene.

Eine kleine technische Panne könnte man als Wink des Schicksals deuten: Ein riesiges Sternenbanner umhüllt den Sockel des Braunschweiger Löwen. Es soll ganz am Schluss über die Szene gezogen werden und die gesamte Spielfläche bedecken. Doch in der Premiere hakte irgendetwas und die Fahne reichte nur etwas unordentlich bis zur guten Hälfte. Eigentlich hätte sie optisch an die überdimensionale japanische Fahne anschließen sollen, die als Wetterschutz den Orchesterraum bedeckt. Aber so kamen Japan und die USA nicht zusammen. Wie hier, so dort.


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Sharpless (Hendryk Böhm), Pinkerton (Luis Chapa),
Cio-Cio-San (Yunah Lee)

Yunah Lee ist als Cio-Cio-San eine Offenbarung. Die Stimme vereint sowohl das mädchenhaft Unschuldige, wie das sehnsuchtsvoll Sinnliche. Wundervolle Höhen und bruchlose Registerwechsel zeugen von hoher Gesangskunst. In Kombination mit der natürlichen, seidigen Schönheit der Stimme erreicht die Sopranistin eine eindringliche Ausdruckskraft, mit der sie das sensible Mädchen vielseitig charakterisiert ohne sentimental zu werden.
Luis Chapa verkörpert den unbedachten, fast kindlich respektlosen jungen Pinkerton ausgesprochen überzeugend. Sein höhensicherer, sehr direkter Tenor unterstreicht die Aufdringlichkeit und das Draufgängerische dieser Figur.


Vergrößerung in neuem FensterSuzuki (Sarah Ferede) und
Cio-Cio-San (Yunah Lee)

Henryk Böhm ist nicht nur ein exzellenter Schauspieler, sein nobler und wohltönender Bariton ist geradezu ideal für die Figur des Konsuls. Sarah Ferede lässt als Suzuki einen so samtweichen Alt hören, dass man in dieser Stimme baden möchte. Tom Martinsen ist als Goro eingesprungen, fügt sich aber mit angemessen eindringlichem Gesang nahtlos in die Produktion ein. Dae-Bum-Lee erscheint als Onkel Bonze wie ein Dämon, wenn er hinter der Zuschauertribüne in schwindelnde Höhen hinaufgefahren wird und kann auch stimmlich der verstoßenen Nichte ordentlich Angst machen. Auch in den weiteren kleinen Partien bleiben keine Wünsche offen und so erscheint nicht nur die Szene sondern auch das Sängerensemble wie aus einem Guß.

 
Braunschweigs GMD Alexander Joel gelingt es, mit seinem leidenschaftlichen dynamischen Dirigat die vielfältigen Emotionen der Partitur zu beleben, ohne je ins Kitschige abzugleiten. Das Staatsorchester geht hochkonzentriert mit und auch der Chor meistert seine Aufgaben mit Bravour.

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FAZIT

Eine Inszenierung, die mit fein gearbeiteter Personenregie beweist, dass starke Aussagen und ästhetisch-naturalistische Bilder sehr wohl vereinbar sind. Auch musikalisch geizt der Abend nicht mit Glücksmomenten, so dass man sagen darf: Einfach nur schön.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Joel

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühnenbild
Harald B. Thor

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Chor
Georg Menskes

Dramaturgie
Daniela Brendel


Staatsorchester Braunschweig

Chor des Staatstheaters
Braunschweig

Komparserie des
Staatstheaters Braunschweig


Solisten

*  Besetzung der hier
besprochenen Premiere

Cio-Cio-San
Yunah Lee*
Mina Yamazaki

Suzuki
Sarah Ferede*
Julia Rutigliano

Kate Pinkerton
Annegret Glaser

Benjamin Pinkerton
Luis Chapa*
Ray M. Wade jr.

Konsul Sharpless
Henryk Böhm*
Malte Roesner

Goro
Tom Martinsen*
Tobias Haaks


Fürst Yamadori
Kenneth Bannon

Onkel Bonzo
Dae-Bum Lee

Yakusidé
Tadeusz Nowakowski
Leszek Wos*

Der kaiserliche Kommisar
Leszek Wos

Tadeusz Nowakowski*


Der Standesbeamte
Franz Reichetseder

Mutter Cio-Cio-Sans
Cornelia Butz

Tante
Sabine Brandt*
Marina Funke


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Braunschweig
(Homepage)




Da capo al Fine

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