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Musiktheater
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Der Freischütz

Oper in drei Akten
Libretto: Friedrich Kind
Dialogfassung von G.H. Seebach
Musik: Carl Maria von Weber

in deutscher Sprache

Premiere im Opernhaus Dortmund am 12. April 2009

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden (eine Pause)


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Theater Dortmund
(Homepage)
Projektionen eines Versagers

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Hickmann / Stage Picture Gmbh

Max kann seine Agathe nur heiraten, wenn ihm der Probeschuss gelingt. „Finstere Mächte“ umgarnen ihn, Ängste zu versagen, vor einer männerbündischen Gesellschaft der Jäger entblößt dazustehen, allein gelassen zu werden von Gott. Wenn Regisseur G. H. Seebach die Geschichte des „Freischütz“ in der Dortmunder Neuinszenierung psychologisch interpretiert und sie aus der Perspektive des aus dem Gleichgewicht geratenen, die Welt mit allen Sinnen wahrnehmenden, sensiblen Romantikers Max erzählt, sind Spott- und Hohngelächter schon in der Introduktion in Bildern von Kastrationsängsten grotesk verzerrt.

Auch zu den stimmungsvollen Terzen und schwungvoll federnden Chorklängen des „Lasst lustig die Hörner erschallen“ zeigt Seebach statische Bilder einer zu ritualisierten Gewohnheiten erstarrten, hierarchischen Gesellschaft. Die Frauen begrüßen ihre von der Jagd, dem Krieg heimkehrenden Männer mit wedelnden, weißen Tüchern, für die Männer gehört das Schießen zum männlichen Imponiergehabe, auch wenn sie dabei auf die Frauen zielen, mit denen sie sich anschließend – das Gewehr zwischen ihnen - freudeschreiend im Walzer drehen. Zugleich unterstreichen die fein gearbeiteten Kostüme von Renate Schmitzer die zeitlose, stereotype Formung der Charaktere und kontrastierende Lichtsymbolik des „Freischütz“.

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Agathe (Erika Roos),
Brautjungfern und Damenchor

Entzauberte, verletzte Naturromantik prägt auch das beeindruckende Bühnenbild von Hartmut Schörghofer. Zunächst wird ein mit Koordinaten versehener Kreis gezeigt. Parallel zu Ouvertüre und vorbeiziehenden Opernfiguren stellt er die Welt Maxens dar, ein Gebilde aus Nase, Mund, Ohren, Augen, Schusslöchern, Finger am Abzug des Gewehrs und mannigfaltigen Jäger-Lebensweisheiten wie „Sieht er nix, trifft er nix“. Diese Albtraum-Landschaft zieht sich später als Raumtapete wie ein roter Faden durch die Oper, wird in der Wolfschluchtszene symbolisch geöffnet, um Nacht und Vollmondzauber anzudeuten, mutiert im Finale, als Max seinen verhängnisvollen Schuss tätigt, zur Zielscheibe mit Agathe bzw. zum Ausstellungsort des sterbenden Kaspar, um schließlich nach der reinigenden Psychoanalyse des Eremiten im strahlenden Schlussjubel von Max und Agathe befreiend verlassen zu werden.

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Agathe (Erika Roos)

Wie die schwankende, schemenhaft gezeichnete Figur des Max zu dieser Persönlichkeitsentwicklung gelangt, lassen Regie und Personendramaturgie des Librettisten Friedrich Kind offen.
Seebach kürzte zwar die gesprochenen Dialoge auf ein Minimum und modernisierte die Sprache ebenso wie Weber, vorbildhaft für seine romantischen Zeitgenossen, die Orchester-Klangsprache verfeinerte und und den „Freischütz“ mit einem vielfältigen Netz von Erinnerungsmotiven durchzog, trotz dieser Veränderungen bleibt auch diese Inszenierung ganz dem Muster des deutschen Singspiels verhaftet. Die 1820 im Wesentlichen vollendete und 1821 in Berlin uraufgeführte Oper lebt vom Wechsel kontrastierender Musiknummern, die durch gesprochene Dialoge miteinander verbunden sind.

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Finale 3. Akt
Caspar, hinten (Bart Driessen) und Chor

Der Chor des Dortmunder Theaters und die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung Ekhart Wyciks gestalteten Webers Klangsprache zu einer überwiegend ruhigen, spannungsvollen, kontrastreichen Ausdrucksdramaturgie von Handlung, Stimmung und Bewegung. Wenn z.B. in der Ouvertüre die poetische Momentaufnahme sich mit tiefen Steichertremoli, tiefen Klarinetten, dem 1.Fagott in höherer Lage als die Klarinetten, Paukenschlägen mit Pizzicati der Kontrabässe schlagartig verdunkelt, ein rhythmischer Wechsel hinzukommt und die Pauken auf die Zählzeiten zwei und vier schlagen, schien nach dem metrischen Gleichmaß des Hörnerchorals die Zeit stillzustehen, um der Fantasie „zerklüfteter Seelenlandschaften“ freien Lauf zu lassen.

Hinzu kam ein passend zusammengestelltes Solistenensemble. Die kraftvolle Expressivität des Tenors Michael Baba, der kurzfristig für den erkrankten Marco Jentzsch eingesprungen war, entsprach dem Bild eines reifen Max. Julia Giebels schillernder Sopran überzeugte als munter, fröhliche Ännchen. Bart Driessen war ein textverständlicher, klang- und kraftvoller Kaspar, der brillant zwischen geheimnisvoll dämonischem Ausdruck und kritischem Hohngelächter variierte. Besonders tiefgründig und anrührend gestaltete Erika Roos die Figur der Agathe. Wie sie den Wechsel von Jubel und Zweifel modulationsreich mit zurückgehaltener Stimme und leichtem Vibrato auf den hohen Tönen gestaltete, beeindruckte ebenso wie die langen Phrasierungsbögen und dynamische Steigerungen.

FAZIT

Eine zeitlose, psychologische Inszenierung mit etwas statischen Bildern, die Musik, Kontraste und Brüche der Oper nicht zudecken.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ekhart Wycik

Inszenierung
G.H. Seebach

Bühnenbild
Hartmut Schörghofer

Kostüme
Renate Schmitzer

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Helene Sommer


Chor und Statisterie
des Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker


Solisten


Ottokar
Brian Dore

Kuno
Vidar Gunnarsson

Agathe
Erika Roos

Ännchen
Julia Giebel

Kaspar
Bart Driessen

Max
Michael Baba

Ein Eremit
Harold Wilson

Kilian
Thomas Günzler

Brautjungfern
Vera Fischer
Andrea Rieche
Brigitte Schirlinger
Barbara Vorbeck



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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