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Projektionen eines Versagers
Von Ursula Decker-Bönniger
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Fotos von Hickmann / Stage Picture Gmbh Max kann seine Agathe nur heiraten, wenn ihm der Probeschuss gelingt. „Finstere Mächte“ umgarnen ihn, Ängste zu versagen, vor einer männerbündischen Gesellschaft der Jäger entblößt dazustehen, allein gelassen zu werden von Gott. Wenn Regisseur G. H. Seebach die Geschichte des „Freischütz“ in der Dortmunder Neuinszenierung psychologisch interpretiert und sie aus der Perspektive des aus dem Gleichgewicht geratenen, die Welt mit allen Sinnen wahrnehmenden, sensiblen Romantikers Max erzählt, sind Spott- und Hohngelächter schon in der Introduktion in Bildern von Kastrationsängsten grotesk verzerrt. Auch zu den stimmungsvollen Terzen und schwungvoll federnden Chorklängen des „Lasst lustig die Hörner erschallen“ zeigt Seebach statische Bilder einer zu ritualisierten Gewohnheiten erstarrten, hierarchischen Gesellschaft. Die Frauen begrüßen ihre von der Jagd, dem Krieg heimkehrenden Männer mit wedelnden, weißen Tüchern, für die Männer gehört das Schießen zum männlichen Imponiergehabe, auch wenn sie dabei auf die Frauen zielen, mit denen sie sich anschließend – das Gewehr zwischen ihnen - freudeschreiend im Walzer drehen. Zugleich unterstreichen die fein gearbeiteten Kostüme von Renate Schmitzer die zeitlose, stereotype Formung der Charaktere und kontrastierende Lichtsymbolik des „Freischütz“.
Agathe (Erika Roos),
Entzauberte, verletzte Naturromantik prägt auch das beeindruckende Bühnenbild von Hartmut Schörghofer. Zunächst wird ein mit Koordinaten versehener Kreis gezeigt. Parallel zu Ouvertüre und vorbeiziehenden Opernfiguren stellt er die Welt Maxens dar, ein Gebilde aus Nase, Mund, Ohren, Augen, Schusslöchern, Finger am Abzug des Gewehrs und mannigfaltigen Jäger-Lebensweisheiten wie „Sieht er nix, trifft er nix“. Diese Albtraum-Landschaft zieht sich später als Raumtapete wie ein roter Faden durch die Oper, wird in der Wolfschluchtszene symbolisch geöffnet, um Nacht und Vollmondzauber anzudeuten, mutiert im Finale, als Max seinen verhängnisvollen Schuss tätigt, zur Zielscheibe mit Agathe bzw. zum Ausstellungsort des sterbenden Kaspar, um schließlich nach der reinigenden Psychoanalyse des Eremiten im strahlenden Schlussjubel von Max und Agathe befreiend verlassen zu werden. Agathe (Erika Roos)
Wie die schwankende, schemenhaft gezeichnete Figur des Max zu dieser Persönlichkeitsentwicklung gelangt, lassen Regie und Personendramaturgie des Librettisten Friedrich Kind offen.
Finale 3. Akt
Der Chor des Dortmunder Theaters und die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung Ekhart Wyciks gestalteten Webers Klangsprache zu einer überwiegend ruhigen, spannungsvollen, kontrastreichen Ausdrucksdramaturgie von Handlung, Stimmung und Bewegung. Wenn z.B. in der Ouvertüre die poetische Momentaufnahme sich mit tiefen Steichertremoli, tiefen Klarinetten, dem 1.Fagott in höherer Lage als die Klarinetten, Paukenschlägen mit Pizzicati der Kontrabässe schlagartig verdunkelt, ein rhythmischer Wechsel hinzukommt und die Pauken auf die Zählzeiten zwei und vier schlagen, schien nach dem metrischen Gleichmaß des Hörnerchorals die Zeit stillzustehen, um der Fantasie „zerklüfteter Seelenlandschaften“ freien Lauf zu lassen. Hinzu kam ein passend zusammengestelltes Solistenensemble. Die kraftvolle Expressivität des Tenors Michael Baba, der kurzfristig für den erkrankten Marco Jentzsch eingesprungen war, entsprach dem Bild eines reifen Max. Julia Giebels schillernder Sopran überzeugte als munter, fröhliche Ännchen. Bart Driessen war ein textverständlicher, klang- und kraftvoller Kaspar, der brillant zwischen geheimnisvoll dämonischem Ausdruck und kritischem Hohngelächter variierte. Besonders tiefgründig und anrührend gestaltete Erika Roos die Figur der Agathe. Wie sie den Wechsel von Jubel und Zweifel modulationsreich mit zurückgehaltener Stimme und leichtem Vibrato auf den hohen Tönen gestaltete, beeindruckte ebenso wie die langen Phrasierungsbögen und dynamische Steigerungen. FAZITEine zeitlose, psychologische Inszenierung mit etwas statischen Bildern, die Musik, Kontraste und Brüche der Oper nicht zudecken. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Ottokar
Kuno
Agathe
Ännchen
Kaspar
Max
Ein Eremit
Kilian
Brautjungfern
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