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Siegfried

Der Ring des Nibelungen
Bühnenfestspiel für drei Tage und einem Vorabend
Zweiter Tag
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5h 15' (zwei Pausen)

Premiere im Theater Detmold am 28. März 2009


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Landestheater Detmold
(Homepage)
Herr Fafner bitte ans Telefon!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer / Landestheater Detmold

Es ist die Zeit, in der Telefonhäuschen noch gelb waren und die Telefone Wählscheiben zum Drehen besaßen. Eine solche Telefonzelle steht vor dem Anwesen des Herrn Fafner, einem gepflegten Eigenheim mit Begonien vor den Fenstern. Die Inszenierung gewährt uns dankenswerterweise Einsicht in das Innere des Hauses, und da liegt er zufrieden in seinem Bett, unter einem röhrenden Hirschen in Öl und über dem Rheingold, das unter dem Bett gestapelt ist. Ein Idyll. Man weiß, dass selbiges trügen kann. Und siehe da: Herr Fafner, aufgeweckt durch einen Telefonanruf Wotans (gut, dass es noch Telefonzellen gibt), hat als Lebensversicherung neben seinem Nachttisch noch eine veritable Panzerfaust, mit der er hemmungslos auf streunende Jugendliche schießt, die ihm – wie Siegfried – zu nahe kommen.

Foto kommt später Versunken in die Betrachtung des alten Fotoalbums: Rentner Mime (Bruno Gebauer) und Siegfried (Johannes Harten)

Der Detmolder Intendant Kay Metzger inszeniert Siegfried zwei Akte lang als rabenschwarze Komödie, die in den 60er-Jahren angesiedelt ist. Thema ist die Abrechnung der jungen Generation mit den Vätern. Da ist Pensionär Mime mit seinem Wohnwagen irgendwo am Stadtrand gestrandet, Postkarten im Inneren deuten auf manche Reise hin, und in einer Pappschachtel bewahrt er sentimental Babykleidung und Fotoalben auf – ein netter älterer Herr, möchte man meinen. Doch am Ende des ersten Aufzugs, wenn es zu Fafner gehen soll, dann packt er unvermittelt seinen alten SS-Mantel aus. Solche Regieansätze sind nicht neu, manches Detail ist sicher aus anderen Inszenierungen übernommen, und der Inszenierungsstil wirkt inzwischen schon wieder anachronistisch – so hat man vor 20 Jahren nach Neudeutungen für den Ring gesucht -, aber die Regie ist stimmig und witzig. Im kleinen, aber feinen Detmolder Theater mit seiner kurzen Distanz zur Bühne funktioniert die Komödie ausgezeichnet. Und im dritten Aufzug geht's dann auch wieder ganz seriös zu, mit einer geradezu „klassisch“ anmutenden Begegnung zwischen Erda und dem Wanderer.

Foto kommt später

Telefon für Herrn Fafner: Alberich (Gerd Vogel, rechts) und Wotan (Mark Morouse) rufen von der Telefonzelle aus bei Fafner (Vladimir Miakotine) an

Für das Landestheater Detmold ist ein Monumentalwerk wie der Ring ein gewaltiger Kraftakt. Das beginnt beim Orchester: Erich Wächter dirigiert sehr umsichtig eine auf die Größe des Hauses angepasste reduzierte Fassung (die auf den Dirigenten G. E. Lessing zurück geht) mit kleinem Streicherapparat. Patzer und Ungenauigkeiten bleiben im Verlauf des Abends nicht immer aus, aber über weite Strecken gelingt dem Orchester des Theaters eine flexible und flüssige Interpretation, in den ersten beiden Akten in einem sehr beweglichen sängerfreundlichen Konversationston, im dritten Aufzug mit dem nötigen symphonischen Gewicht in den orchestralen Entladungen. Und Wächter achtet genau darauf, die Sänger zu begleiten und nie zuzudecken.

Foto kommt später Wotan (Mark Morouse) und Erda (Evelyn Krahe)

Sängerisch schlägt sich das Ensemble insgesamt bravourös (und besticht mit guter Textverständlichkeit). Heikel ist dabei die Besetzung der wahrhaft mörderischen Titelpartie mit dem hauseigenen Tenor Johannes Harten. Der verfügt über ein lyrisch geprägtes, vibratoarmes und fast körperloses Piano auf der einen, ein etwas gepresstes heldentenorales Forte mit metallischem Glanz auf der anderen Seite, aber der Übergang ist recht brüchig. Die enormen Kraftanstrengungen der Partie merkt man ihm an, manche Töne brechen weg, andere werden mit Gewalt noch gestemmt. Am Ende rettet er sich mit mancher Mogelei irgendwie noch ins Ziel (was freilich auch an ganz großen Häusern regelmäßig zu erleben ist). Dabei ist er als tapsig-naives Riesenbaby ein durchaus sympathischer Siegfried. Aber ob die Stimme das auf längere Sicht aushält?

Foto kommt später

Liebesglück: Siegfried (Johannes Harten) und Brünnhilde (Sabine Hogrefe)

Der Brünnhilde hat es Wagner einfacher (wenn auch keineswegs leicht) gemacht; schließlich hat Siegfried bereits zweieinhalb Kräfte zehrende Akte gesungen, wenn er sie erweckt. Sabine Hogrefe singt mit metallischem Glanz und recht ausladendem Vibrato, das aber gut kontrolliert ist. Die Stimme ist groß, beinahe schon zu groß für das kleine Haus, und hat eine feine aparte Eindunklung. Die hymnische Begrüßung des Lichts („Heil dir, Sonne“) gelingt ebenso überzeugend wie die lyrischen Abschnitte. (Die Regie müsste allerdings nicht ganz so deutlich hervorheben, dass es sich hier um Siegfrieds Tante handelt.) Bruno Gebauer, langjähriges Ensemblemitglied und inzwischen eigentlich im Ruhestand, ist ein schneidend scharfer Mime mit großer stimmlicher und szenischer Präsenz, wenn auch mitunter recht frei in der Auslegung des Notentextes. Ein starkes Rollendebüt als Wanderer gibt Mark Morouse. Zwar fehlt der recht schlanken, dennoch kraftvollen und klar gefassten Stimme ein wenig der sonore Unterbau, aber mit dramatischer Attacke meistert Morouse die gefürchteten Höhen der Partie eindrucksvoll. Gerd Vogel ist ein zupackender Alberich von hoher Präsenz, die Erda von Evelyn Krahe besticht durch metallisches, leicht dunkles Timbre. Solide sind der Waldvogel von Beate von Hahn und der Fafner von Vladimir Miakotine.

Am Ende uneingeschränkter Jubel und lang anhaltender Beifall für eine durch und durch sympathische Produktion, die, den Dimensionen des Raumes angemessen, Siegfried als oft augenzwinkerndes Kammerspiel gibt, ohne die große Oper zu verleugnen. Die Zeitreise vom Rokoko-Rheingold über das Weltkriegspanorama der Walküre ist schlüssig fortgesetzt; die zunehmend kahle und eingemauerte Weltesche im Hintergrund schafft die Verknüpfung zwischen den einzelnen Teilen. Auch in dieser Hinsicht kann der Detmolder Ring sich bestens behaupten.


FAZIT

So witzig hat man den Siegfried sicher selten gesehen – und doch trifft Metzger den Kern des Stückes genau. Auch musikalisch mehr als akzeptabel, schlägt sich das Landestheater Detmold mit dieser Produktion ganz prächtig.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Erich Wächter

Inszenierung
Kay Metzger

Ausstattung
Petra Mollerus

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Statisterie des
Landestheater Detmold

Orchester des
Landestheater Detmold


Solisten

* Besetzung der Premiere Siegfried
Lawrence Bakst /
* Johannes Harten

Brünnhilde
* Sabine Hogrefe /
Ingeborg Zwitsers

Wanderer
Mark Morouse

Mime
Bruno Gebauer

Alberich
Joachim Goltz /
* Gerd Vogel

Erda
Evelyn Krahe

Fafner
Vladimir Miakotine

Waldvogel
* Beate von Hahn /
Kirsten Höner zu Siederdissen



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



Da capo al Fine

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