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Chess - Das Musical

Musical von Benny Andersson,
Tim Rice und Björn Ulvaeus
Orchestrierung und Arrangements:
Benny Andersson und Anders Eljas

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Songs in entglischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 13. September 2008


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Chess is back

Von Thomas Tillmann / Fotos von Harald Reusmann

Vergrößerung in neuem Fenster US-Schachprofi Frederick Trumper (Henrik Wager) benimmt sich bei den Weltmeisterschaften in Meran gründlich daneben.

Hatte man sich am Aaltotheater in der Vergangenheit doch eher an den unverwüstlichen Klassikern der Musicalgenres orientiert (man erinnert sich etwa an Kiss Me Kate, Jesus Christ Superstar und Das Feuerwerk), so freute man sich umso mehr, dass mit Chess ein eher selten gespieltes Werk seinen Weg auf die Essener Bühne fand. Die szenische Uraufführung hatte am 14. Mai 1986 stattgefunden (das Album mit dem musikalischen Material war bereits 1984 auf den Markt gekommen), drei Jahre lang wurde die Produktion danach en suite am Londoner West End gespielt, während die inhaltlich wie musikalisch für die Broadwayproduktion 1988 veränderte Version bereits nach acht Wochen abgesetzt werden musste. Seit 2000 gab es immerhin weitere Aufführungen in Baden-Baden, Stockholm, Kassel, Kaiserslautern, Ettlingen, Nordhausen und Dresden.

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Der Russe Anatoly Sergievsky (Serkan Kaya, links) ist der Gegner von Frederick Trumper (Henrik Wager, rechts) bei den vom Schiedsrichter (Romeo Salazra, Mitte) mit Argusaugen überwachten Titelkämpfen.

Schlüssel zu James de Groots und Paul Kribbes Sicht auf das von den Schachlegenden Kortschnoi und Fischer inspirierte Werk ist der von Florence gesungene Satz "Everybody's playing the game, but nobody's rules are the same, nobody's on nobody's side" - eine Botschaft, die an Aktualität nichts eingebüßt hat, ja vielleicht 2008 noch deutlicher das Handeln vieler Menschen bestimmt: Jeder ist für sich selbst verantwortlich, man sollte sich nicht von anderen abhängig machen, alle sind letztlich nur Spielbälle größerer Mächte. Der ziemlich überholt wirkende politische Hintergrund des Kalten Krieges interessiert das Regieteam dabei allerdings nur am Rand, hier hätte man sich schon eine intelligente Aktualisierung vorstellen können (der Satz "Und irgendwann sind es die Moslems" etwa fiel doch im Laufe des Abends, hätte man da nicht noch ein wenig weiterdenken können?). Die beiden Choreografen konzentrieren sich darauf, die Gefühle und Situationen zu zeigen, in denen sich die Charaktere des Stücks befinden, was angesichts einer Story einleuchtet, die nicht immer ganz schlüssig und mitunter unübersichtlich ist und auch ein sehr offenes Ende hat: Nicht wirklich aufgelöst wird etwa die Geschichte um Florences Vater - die gebürtige Ungarin hatte während des Ungarnaufstandes 1956, der geschickt oberhalb der zentralen Spielfläche gezeigt wird, mit ihrer Mutter fliehen müssen, ohne je zu erfahren, was aus ihrem Vater geworden ist. Bemerkenswert ist, wie durch geschickte Beleuchtungsideen auf der ja nicht kleinen Bühne die Intimität für viele Szenen hergestellt wird, bemerkenswert sind die viele klugen, amüsanten Details der Inszenierung (sehr witzig etwa die von den Beamten selber bewegten Schreibtische in der Botschaftsszene!), bemerkenswert auch, dass sich szenischer Kitsch in vertretbaren Grenzen hält (etwa in "Merano" oder der "Anthem"), bemerkenswert nicht zuletzt die Sorgfalt bei der Besetzung.

Vergrößerung in neuem Fenster Florence Vassy, Mitarbeiterin und Noch-Freundin von Trumper (Femke Soetenga), lernt seinen Gegner Sergievsky (Serkan Kaya) bei ihrem Vermittlungsversuch näher kennen und verliebt sich in ihn.

Einen starken Eindruck hinterlässt das auf das Wesentliche reduzierte, enorm wandlungsfähige, zwischen Realität und Surrealem changierende Bühnenbild von Dirk Becker. Prägnant sind etwa die drei weißen Spielfelder oberhalb des Orchestergrabens, die als zusätzliche Spiel- wie Projektionsflächen dienen (etwa für die Direktübertragung der Sensationsberichte von Global TV-Reporterin Jane Richardson, mit der Choristin Marie-Helen Joel ihre vielleicht beste Rolle am Haus gefunden hat), die riesigen geometrischen Gebilde, die wie von Geisterhand auf der Bühne bewegt werden - die technischen Möglichkeiten des Hauses werden einmal mehr voll ausgeschöpft, dem kann sich wohl kein Produktionsteam entziehen, was in dieser Aufführung aber deutlich weniger stört als in anderen.

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"One Night in Bangkog" (Ensemble)

Manches "Weißt du noch?" provizierten die den achtziger Jahren verpflichteten Kostüme von Martina Feldmann, die daneben aber auch für putzige Trachten im Merano-Bild und asiatische Roben für Bangkok gesorgt und die Damen und Herren des Chores zu Schachfiguren in Lebensgröße ausstaffiert hat.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Where I Want to Be" - Serkan Kaya (Anatoly Sergievsky)
(MP3-Datei)


Serkan Kaya war in Essen bereits als Judas in Jesus Christ Superstar zu erleben - hier überzeugte er zunächst als sehr ruhiger, sensibler Interpret des russischen Schachstars Sergievsky, aber im Laufe des Abends hatte er auch seine kraftvoll-zupackenden Momente. Der Engländer Henrik Wager (der noch ein wenig Hilfe bei den Dialogen hätte brauchen können) war bereits in der Titelrolle der Webber-Rockoper sein Partner, und wie dieser bot auch er ein breite Palette von Farben und Nuancen und wertete damit die ziemlich eindimensionale Rolle des amerikanischen Kontrahenten auf.

Vergrößerung in neuem Fenster Im Song "Pity The Child" erzählt Frederick Trumper (Henrik Wager) von seiner schwierigen Kindheit.

Femke Soetenga, die die Rolle der Florence bereits am Theater Nordhausen und an der Staatsoperette Dresden übernommen hat, gestaltete ihren Part mit großer Routine und ebensolcher szenischen Präsenz, die interessantere, charaktervollere Stimme hatte meines Erachtens allerdings Claudia Dilay Hauf, die als Svetlana aber auch erheblich weniger zu singen hatte.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "I Know Him So Well" - Femke Soetenga (Florence Vassy) und Claudia Dilay Hauf (Svetlana Sergievsky)
(MP3-Datei)


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"I Know Him So Well" - Sergievskys Frau Svetlana (Claudia Dilay Hauf, rechts) und seine neue Freundin Florence Vassy (Femke Soetenga, links) raisonnieren über ihre Beziehung zu dem Schachprofi.

Große Entertainerqualitäten zeichnen Romeo Salazar aus, der als Arbiter im Opening Entstehung und Herkunft des Schachspiels erläutert. Dagegen war Michael Haag nicht nur reichlich hölzern in den Dialogen, sondern klang auch ziemlich reif und müde als Alexander Molokov, und auch Günter Kiefer hat man präsenter und leistungsstärker in Erinnerung (er gab den Walther De Courcey). Sehr gefeiert wurde der Chor des Aaltotheaters, was im Wesentlichen berechtigt war, sieht man von anfänglichen Schwierigkeiten mit dem englischen Text und leicht klappernden Einsätzen der Herren im "Embassy Lament" ab.

Heribert Feckler leitet seit einigen Jahren die Musicalproduktionen am Aalto und auch das United Rock Orchestra, das sich aus Rock- und Jazzmusikern Nordrhein-Westfalens zusammensetzt (nebenbei sei bemerkt, dass das Engagement eines Gastorchesters natürlich die Essener Philharmoniker erheblich entlastet, die sich damit ganz auf den überschaubaren Repertoirebetrieb, besonders aber auf die Einstudierung des Ring durch ihren Chef Stefan Soltesz konzentrieren können, der in dieser Saison nicht zufällig keine Premieren außer Das Rheingold und Die Walküre dirigieren wird). Man hätte sich gewünscht, dass er bei aller Bewunderung für das Werk mit seiner großen musikalischen Vielfalt die Originalarrangements von Benny Andersson und Anders Eljas ein bisschen aufgepeppt hätte, besonders in dem vielleicht bekanntesten Titel "One Night in Bangkok", den man angesichts der Leistungsfähigkeit der zehn Tänzer der hauseigenen Ballettcompagnie (zu bewundern etwa in der Opening Ceremony) zu einer packenden Tanzszene hätte aufwerten können (dafür hätte man hier den Ausstattungsaufwand erheblich einschränken können, der in einer riesigen Buddhastatue seinen Höhepunkt fand), aber dem standen womöglich rechtliche Gründe im Weg. Dem Bühnenpersonal war er den ganzen Abend lang ein verlässlicher, hilfreicher Partner.


FAZIT

Eine perfekte Show, für Musicalfans sicher ein Muss, denn allzuoft ist dieses interessante Werk des Genres nicht zu erleben, und die ABBA-Fans kommen natürlich auch auf ihre Kosten, auch wenn die Komponisten nicht müde wurden zu zeigen, dass sie mehr können als perfekte Popmusik schreiben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Heribert Feckler

Choreinstudierung
Alexander Eberle/
Inna Batyuk

Inszenierung/
Choreografie
James de Groot
Paul Kribbe

Bühnenbild
Dirk Becker

Kostüme
Martina Feldmann

Dramaturgie
Ina Wragge



Opernchor des Aalto-Theaters

Ensemble des AALTO BALLETT
THEATER ESSEN

Statisterie des Aalto-Theaters


United Rock Orchestra


Solisten

Frederick Trumper
Henrik Wager

Florence Vassy
Femke Soetenga

Anatoly Sergievsky
Serkan Kaya

Svetlana Sergievsky
Claudia Dilay Hauf

Arbiter
Romeo Salazar

Alexander Molokov
Michael Haag

Walther De Courcey
Günter Kiefer

Jane Richardson
Marie-Helen Joel






Weitere Informationen
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Da capo al Fine

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