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Musiktheater
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Aida

Oper in vier Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni
nach einem Handlungsentwurf von Auguste Mariette Bey
und einem Szenarium von Camille du Locle
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 26. Oktober 2008
im Großen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen
(rezensierte Aufführung: 23. November 2008)


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Musiktheater im Revier
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Der große Krieg des Dramaturgen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Pedro Malinowski


Vergrößerung in neuem Fenster Kultische Handlung, überzeitlich gedeutet: Radamés (Ricardo Tamura, verkabelt) und Chor

„Die Schreie der Gequälten weisen aus der Partitur hinaus auf Wahrheiten und Wirklichkeiten künftiger Jahrhunderte, die Verdi real nicht vorausahnen konnte und die er dennoch in aufwühlende Seelendiagramme und Massenpsychosen bannt“ Wow! Das ist markiges Dramaturgendeutsch, was Wolfgang Willaschek im Programmheft kund tut. „Jede Aufführung von ‚Aida', die sich aller Zeichen der Partitur gewissenhaft annimmt, hat aufzudecken, dass Menschen selbst nach grausamen Weltkriegen und unsagbaren Exzessen nicht ans Ende dessen gekommen sind, was immer wieder im Namen der Barbarei geschieht.“ Hat aufzudecken! Jawoll, mein Dramaturg! wird Regisseur Roland Schwab da gemurmelt und die Order an Bühnenbildner Hans Dieter Schaal weiter gegeben haben, auf das die Schreie der Gequälten aus der Partitur heraus das Gelsenkirchener Publikum erreichen. (Was wohl würde Maestro Verdi dazu sagen?)

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Tragödie in Blau: Radamés (Ricardo Tamura) und Aida (Majken Bjerno)

Hans Dieter Schaal hat eine Vorliebe für großformatige geometrische Formen. Für die Aida hat er eine halbkreisförmige Spielfläche gebaut, über die sich eine riesige Schräge mit ausgeschnittenem Halbkreis herab senkt. Zweieinhalb Akte lang sieht das ziemlich plump aus und könnte so auch in jeder anderen halbwegs tragischen Oper herumstehen, nur im dritten Akt und im ersten Teil des vierten gelingt es Schaal, daraus szenisches Kapital zu schlagen. Dann nämlich ist da zunächst eine Wasserprojektion für den Nil, während davor ein halbes Dutzend Zinkbadewannen wie Särge stehen, in denen sich die Herren des Bewegungschors geheimnisvoll räkeln – ein Bild ebenso von Poesie wie von Suggestionskraft. Im vierten Aufzug steht die Kreisscheibe senkrecht und ist geheimnisvoll blau ausgeleuchtet, was vielleicht eine szenische Notlösung ist, aber faszinierend aussieht.

Ansonsten wird eine futuristische Kriegsmaschinerie aufgefahren, in der nordkoreanische Generäle herumstolzieren und rote Fahnen geschwenkt werden. So gut, so schön und natürlich auch so richtig. Wo aber bleibt der Regisseur? Dem gelingt es überhaupt nicht, den (zugegeben: zu kleinen, auch was die nicht allzu üppige Klangpracht betrifft) Chor auch nur einigermaßen bühnenfüllend zu bewegen, weshalb alles ungewollt putzig aussieht. Und ob er mit den Solisten irgendwie gearbeitet hat? Die stehen an der Rampe und breiten pathetisch die Arme aus. Oder, im Falle des Radamés, auch nicht; der steht einfach so da. Nun ist Aida ja nur zum kleineren Teil bombastische Triumphoper und zum größeren ein Kammerspiel um einen Tenor zwischen zwei attraktiven, aber eben auch sehr unterschiedlichen Frauen mit machtpolitisch ambitionierten Vätern. Davon wird aber so gut wie nichts gezeigt.

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Ein Hauch von Ägypten im Kostüm: Amneris (Anna Agathonos)

Immerhin wird einiges hörbar. Dirigent Samuel Bächli arbeitet in den leisen Stellen sorgfältig die ungewöhnlichen Klangfarben hervor, betont den Exotismus, den diese Partitur eben auch hat, und begleitet mit der zuverlässigen Neuen Philharmonie Westfalen sensibel die Sänger. Nicht ganz so überzeugend gelingen die bombastischen Stellen, die ja einerseits „knallen“ müssen (schon um sich gegen das Bühnenbild zu behaupten), aber nicht immer die innere Spannung haben, um mehr als laut zu sein. Fast hat man den Eindruck, dass Bächli es an solchen Stellen etwas unwohl ist mit der pompösen Musik. Den Herren von Chor und Extrachor fehlt es an Klangvolumen, allerdings weniger an Lautstärke denn an Substanz im Fortissimo. Ordentlich sind die stärker zurück genommenen Passagen, sehr schön die leisen Frauenchöre.

Ausgezeichnet, und das macht die Aufführung dann doch sehens- und hörenswert, ist die Sängerbesetzung. Der eher lyrische Sopran Majken Bjerno in der Titelpartie hat eine leicht hauchige Beimischung, was der Stimme eine aparte, zerbrechlich-mädchenhafte Farbe gibt. Die Stimme ist dennoch auch im Piano voll und tragfähig und kann im Forte durchaus zupackende dramatische Züge annehmen. Damit gelingt eine anrührende Aida (auch wenn man bei hellem Kleid und langen blonden Haaren sicher eher auf die Elsa aus Lohengrin tippen würde), wobei man über ein paar mutig leise, aber deutlich zu tiefe Töne im dritten Akt hinweghören muss. Ricardo Tamura ließ sich in der Pause als indisponiert entschuldigen, bewältigte die Partie des Radamés aber stimmlich bravourös (sein Bewegungsrepertoire entsprach dabei dem einer konzertanten Aufführung). Seinem durchaus großen, sehr kultivierten Tenor mit sicherer, bruchlos angesteuerter Höhe fehlt zwar eine Spur an Glanz, aber er verbindet Kraft mit belcantistisch runder Tongebung.

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Ein Kriegsheld: Radamés (Ricardo Tamura) zwischen zwei Frauen, nämlich Amneris (Anna Agathonos, l.) und Aida (Majken Bjerno)

Nicht ganz unproblematisch ist die Besetzung der Amneris. Ein dramatischer Mezzosopran (oder gar dramatischer Alt) ist Anna Agathonos sicher nicht, und daher klingt die Amneris bei ihr ein wenig so, als habe Rossini sie komponiert: Tadellos sauber, schön ausgesungen und durchaus ausdrucksstark – nur eben nicht für diese Rolle, die doch einen klaren Kontrast zur Aida abgeben sollte, auch stilistisch. Die Sängerin macht das beste aus ihren stimmlichen Möglichkeiten, bewegt sich damit aber am Limit – gut beraten ist sie mit solchen Partien sicher nicht. Bjørn Waag ist ein Amonasro mit riesiger, sehr direkter Stimme und etwas eckiger Gestaltung, Michael Tews ein sehr akkurater Ramphis von leicht entrücktem, fast artifiziellem, dadurch nicht uninteressantem Tonfall. Betörend schön gesungen ist die Tempelsängerin von Alfia Kamalova, farblos bleibt der König von Dong-Won Seo.


FAZIT

Und was hätte Maestro Verdi nun zu alledem gesagt? Vermutlich etwas in der Art „macht mal halblang mit den ‚Schreien der Gequälten' und inszeniert mir erst einmal eine ordentliche Geschichte“. Musikalisch dürfte er zufrieden gewesen sein. Szenisch aber bleibt's beim Rampentheater in mehr großformatiger als großer Kulisse.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Roland Schwab

Bühne
Hans Dieter Schaal

Kostüme
Renée Listerdal

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Anna Melchers



Bewegungschor und
Statisterie des
Musiktheater im Revier

Herren des Ballett Schindowski

Chor und Extrachor des
Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

König
Dong-Won Seo

Amneris
Anna Agathonos

Aida
Majken Bjerno

Radamés
Ricardo Tamura

Ramphis
Michael Tews

Amonasro
Bjørn Waag

Ein Bote
E. Mark Murphy

Tempelsängerin
Alfia Kamalova



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Da capo al Fine

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