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Nur defizitäre RegieeinfälleVon Christoph Wurzel / Fotos von Saskia HornAuf die Frage, ob er sein Land liebe, soll der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann mit kühler demokratischer Vernunft geantwortet haben: "Ich liebe meine Frau". Auf die Bemerkung seiner Schwester, er habe nie geliebt, entgegnet Cola Rienzi in Wagners Oper pathetisch und sich selbst überschätzend: "Roma heißt meine Braut!". Diktatoren lieben eben keine Menschen, sondern die Macht. Vielleicht sind deren erotische Anziehungskraft und der Sublimationscharakter von Politik, denen der römische Tribun Rienzi verfallen ist, auch das Moment, welches Adolf Hitler an dieser Oper so fasziniert hat. Ein Jugendfreund von ihm berichtete, dass Hitler das Erlebnis einer "Rienzi" - Aufführung, die er noch als Jugendlicher in Linz gesehen hatte, als den Beginn seiner politischen Mission angesehen habe. Mag diese Kausalität auch fraglich sein, gewisse Parallelen zwischen den beiden selbsternannten Volkstribunen sind nicht ganz von der Hand zu weisen, jedenfalls ist "Rienzi" nachweislich eine der Lieblingsopern Hitlers gewesen. Roma: die Macht als GeliebteEnsemble, vordere Reihe: Tamara Klivadenko (Adriano), Mark Duffin (Rienzi) und Patricia Andress (Irene) Katharina Wagner hat sich nun bei ihrer Auseinandersetzung mit diesem Frühwerk ihres Urgroßvaters, seines ersten großen Opernerfolges von 1842, allerdings gehütet, irgendwelche direkten Bezüge zu dem in Wagner und Bayreuth vernarrten Führer herzustellen. Nazi-Embleme oder eindimensionale Parallelen bleiben dem Publikum erspart. Der Gedanke "Macht als Erotikon" allerdings zieht sich als Leitmotiv durch ihre Inszenierung. Diese Macht steht allen die ganze Zeit über mitten auf der Bühne zentral vor Augen: Roma, die allegorische weibliche Gestalt der Staatsgewalt, die zwecks Restaurationsarbeiten mit einer immer wieder neuen Situationen angepassten Bauplane verhüllt ist. Im Laufe der Handlung verändert sich allerdings ihr Wesen: durch den einleitenden Putschversuch der Nobili ist die ehemals würdevoll thronende Staatsgöttin etwas lädiert, wandelt sich dann nach Rienzis rettendem Eingreifen zu einer leger lockenden Femme fatale, erscheint danach als frivoles Pistolenweib, bis sie schließlich zur lasziven Hure verkommt. Ihr Aussehen mutiert in demselben Maße, wie Rienzi seine Macht braucht und missbraucht. Das ist noch die eindrücklichste, schlagendste Pointe einer ansonsten eher plakativen, mit Effekten überfrachteten Regie. Katharina Wagner hat in dieser Inszenierung zwar oberflächliche Aktualisierungen umgangen, dafür greift sie aber in der Wahl der Mittel zu tief in die Kisten von Parodie und Horror, Klamauk und Banalität. Der durchaus überzeugende dramaturgische Hintersinn dieser Inszenierung, "Politik als Vulgärdrama" zu zeigen, bleibt dabei leider im Anspruch stecken. Durch eine konsequent entwickelte Bühnensprache wird er kaum überzeugend erfüllt.
Theaterblut als ganz gewöhnlicher Saft Richard Wagner erzählt die Geschichte des historischen Cola da Rienzo, des letzten Verfechters eines republikanischen Rom aus dem 14. Jahrhundert, bevor sich Adel und Kirche endgültig der Heiligen Stadt bemächtigten, als die Geschichte einer Machtergreifung in drei Teilen: Aufstieg, Zenit und Verfall eines Volks(ver)führers. Das wäre Gelegenheit für große machtvolle Bilder und Szenen. Diese Inszenierung aber verliert sich im Kleinteiligen, oft Läppischen. Statt psychologisch geführt sind die Personen auf das Format von Kasperlpuppen geschrumpft. Wenn sich die römische Volksgemeinschaft und ihr Führer mit erhobenem Arm und ausgestrecktem Zeigefinger begrüßen, so mag diese eindeutig zweideutige Anspielung noch hingehen, wenn die Vertreter der Kirche sich auf der weiten Bühnentreppe stets von einer Stufe zur anderen humpelnd bewegen, so erschöpft sich dies als Symbol der Wankelmütigkeit dieser Institution mit der Zeit. Wenn Rienzi als eine Art republikanischer Terminator mit dem Laubbläser im Staat mit den Feinden aufräumt, dann ist dieses Bild nur noch banal, zumal wenn der Darsteller auch noch mit dem Kabel zu kämpfen hat. Warum gerade das Organisationszentrum der Macht ein Friseursalon sein muss, in dem ein tuntiger Figaro herumschwänzelt, bleibt unerfindlich. Und die Geister der Gefallenen des Bürgerkrieges, die als Zombies aus dem Bühnenhintergrund vordringen, können nur noch wie lächerliche Pappfiguren aus der Geisterbahn wirken. Da nützt das aus sichtbaren Löchern strömende Theaterblut auch nichts mehr. Merkwürdig bemüht wirkt die Pantomime im 2. Akt, welche den Sieg Rienzis über die feindliche Adelspartei nachstellt. Lediglich ein müdes Lächeln ringt der Einfall ab, den Sieger in einer zum Triumphwagen umgebauten Mülltonne vorfahren zu lassen, während unbeholfen römisch gewandete Eleven über die Treppenlandschaft robben. Die spinnen, die Römer! Am Schluss ist Rienzi total in den Wahn verfallen, die Inkarnation der Staatsmacht zu sein. Als Travestie eines BdM-Blondchens erklimmt er Romas Gerüst und baut sich an deren Stelle auf, fest den Endsieg im Blick. Die Friedensengeln von Rom:das Alsfelder Vokalensemble Bremen Bis zur ersten Pause vermag der ironisierende Zugang durchaus noch Interesse zu wecken, das Parodistische nutzt sich aber bald ab, die Ideen tragen bei weitem nicht über den langen Opernabend von 4 Stunden und für den tragischen Schluss reicht es nur noch zum Schmierentheater. Das Bühnenbild, eine Einheitstreppe, die aufdringlich bedeutungsvollen Kostüme und Accessoires bis hin zum literweise fließenden Blut können über den szenischen Ideenmangel nicht wirklich hinweg helfen. Schnell ist der faule Zauber durchschaut und man ist ziemlich verstimmt. Dabei konnte die musikalische Seite auch nicht wesentlich entschädigen. Schon in der Ouvertüre kündigte sich an, dass die Bremer Philharmoniker an Inspiration an diesem Abend kaum zu unterbieten waren. Christoph Ulrich Meier, seines Zeichens Studienleiter in Bayreuth, konnte aus dem Orchester kaum Funken schlagen. Die Einsätze wackelten, die Bläser patzten kräftig, Melodien, die hätten zünden könnten, tröpfelten dahin. Im Verlauf des Abends fand das Orchester allmählich zwar zu passablem Spiel, aber dünn und farblos blieb der Orchesterklang bis zum Schluss. Die Chöre fanden nach anfänglich recht kräftigem Lärmen zu runderem Klang, schön gelang der Chor des Friedensfestes im 2. Akt.
Verheddert im Schlussbild Beachtlich schlug sich Mark Duffin in der enorm fordernden Titelpartie. Seine Kraft reichte bis zum Gebet im 5. Akt, wofür er neben all dem heldischen Pathos der Akte zuvor auch noch den nötigen lyrischen Schmelz aufbringen konnte. Als Irene nahm Patricia Andress mit abgerundetem, strahlendem Sopran sehr für sich ein. Etwas zur Schärfe neigte Tamara Klivadenko in der Hosenrolle des Adriano. Einen schönen Eindruck hinterließ Nadja Stefanoff in der kleinen Rolle als Friedensbote. Die übrigen Solisten lieferten solide Leistungen.
Fern ab vom Focus Bayreuth hat sich Katharina Wagner an ein Werk begeben, das immer wieder auch für die Festspiele tauglich gehalten wird. Mit dieser Inszenierung ist sie diesen Beweis allerdings schuldig geblieben. Dabei geht die Idee dieser Inszenierung nicht fehl, untauglich sind aber die Mittel. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Licht
Chöre
SolistenCola RienziMark Duffin
Irene, seine Schwester
Steffano Colonna
Adriano, Colonnas Sohn
Paolo Orsini
Kardinal Raimondo
Baroncelli
Cecco del Vecchio
Ein Friedensbote
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- Fine -