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Auf den Stoffelefanten gekommen
Von Joachim Lange
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Fotos von Paul Leclaire
Es ist im doppelten Sinne ein starkes Stück, was Giuseppe Verdi seinen ägyptischen Auftraggebern da 1871 abgeliefert hat. Und dass der bombastische Triumphmarsch samt der eigens entwickelten Aida-Trompeten zum nationalen Großereignis von Suezkanal- und Opernhauseinweihung im Lande der Auftraggeber so wunderbar zu passen scheint, ändert daran nichts. Immerhin kommen die paar exemplarischen historischen Ägypter auf der Bühne nicht allzu gut weg. Zumindest nicht aus der Sicht des Liebespaares Radames-Aida, das über den Graben eines offenbar von beiden Seiten ziemlich brutal geführten Krieges hinweg liebt. Er hat ihnen, versteckt hinter dem alle Register ziehenden Tamtam des Triumphmarsches, im Grunde ein Kammerspiel geschrieben über den Unsinn von Krieg und über die Utopie einer Liebe, die sich nur in einer anderen Welt eine Chance hat. So jedenfalls sieht und inszeniert es Peter Konwitschny. Ohnehin ein wahrer Meister im Aufspüren von subversiven Botschaften ist der jetzige Chefregisseur der Oper Leipzig in seinen besten Arbeiten immer im augenzwinkernden Bündnis mit dem, was die Schöpfer gemeint haben könnten und ihren Werken sozusagen (bewusst oder unbewusst) verschlüsselt mit auf den Lebensweg gegeben haben. Er liebt auch solche rezeptionsgeschichtlichen Pointen, die ihm vor allem in seinen (Grazer) Verdi-Inszenierungen und dem Hamburger Don Carlo geradezu exemplarisch gelungen sind. Es gehört zur Fama der Grazer Aida-Premiere von 1994, dass dort Tomaten in Richtung Bühne flogen, und auch in Meiningen wachte man ein Jahr später mit ziemlich lautem Buh-Gebrüll aus dem Operndämmerschlaf auf. Doch selbst in der ostdeutschen Opernprovinz wurde diese Aida damals dann alsbald der Renner.
Das könnte jetzt in Leipzig auch so werden, denn die Suggestivkraft dieses reduzierten Kammerspiels funktioniert auch nach 14 Jahren immer noch. Trotz (oder wegen) all dessen, was inzwischen als neorealistische Reizverschärfung (a la Bieito), dekonstruierendem Diskurstheater oder auch im Geiste einer historisierenden Werktreue oder puristischer Ästhetisierung so über die mitteleuropäischen Opern-Bühnen gegangen ist. Unter Axel Kober ist das Gewandhausorchester mit dem maßvollen Auftrumpfen, vor allem aber in den ruhigen, das Kammerspiel begleitenden Passagen auf der Höhe seiner Verdimöglichkeiten und bewältigt auch die Verbannung des Chores in den (nur einmal gelüfteten) unsichtbaren Hintergrund. Und da Konwitschny es in Leipzig selbst einstudiert hat, kann auch seine wirklich exzellente, genau auf die Musik gesetzte Personenregie ihre Suggestionskraft entfalten. So sieht man in Jörg Kossdorffs weißem Bühnenkasten mit dem zentralen Sofa vor allem, wie der Krieg auf die Herrschenden wirkt. Da gibt's ein Initiationsritual bei dem sich die Priesterin breitbeinig über das Sofa lehnt und für den Feldherren einen Stoffelefanten, der nach seinem Sieg ebenso lädiert ist wie seine Uniform. Beim Triumphmarsch flippen der König (James Moellendorf), Ramfis (Dianilo Rigosa) und Amneris abseits ihrer, hier konsequent ausgesparten, öffentlichen Auftritte mit ihren Papphütchen und Sektgläsern regelrecht aus, werden aber dann (zur ja allzu oft ins peinlich folkloristische Rumhopsen abgleitenden) Ballettmusik vom Erschrecken über ihr kriegerisches Tun geschüttelt. Für den Nilakt genügt eine Projektion von ägyptischem Postkartenkitsch, als Hintergrund für die ziemlich brutale Auseinandersetzung zwischen Amonasro (überzeugend: Paolo Gavanelli) und seiner Tochter. Und für die Schlussvision dann schafft ausgerechnet Amneris (mit enormer -gegen Ende auch stimmlicher - Präsenz: Natascha Petrinsky) den imaginären Raum. Wenn sie mit dem Schwert verzweifelt gegen das Todesurteil gegen Radames (immerhin in den Trompetentöne sicher: Carlo Ventre) anrennt, fallen die Wände und geben den Blick auf eine Projektion des Leipziger Bahnhofsvorplatzes mit dem fließenden Abendverkehr frei. Das ist für Konwitschny die Botschaft von Verdis so zart grandios verklingender Schlussvision: die Utopie einer Grenzen überschreitenden Liebe. Ein effektvoller Kurzschluss in die Gegenwart. Am Ende gab es dafür ein aufgeregtes Pro und Contra.
Nach dem verunglückten Fliegenden Holländer Anfang vorigen Monats (unsere Rezension), in dessen Folge der Dirigent und der Sänger der Titelpartie ausführlich öffentlich erklärten, warum sie sowieso von Anfang an dagegen waren und sich die örtlichen Wagnervereine aufschwangen nun auf ihren Wagner aufpassen zu wollen (am besten mit Cosima als Schutzpatronin!) blieb ein Teil des Publikums offenbar gleich auf Krawall gestimmt. Traf aber diesmal wirklich den Falschen. Allerdings ist in Leipzig nach Henri Maiers dilettantisch eingefädeltem Rausschmiss und dem wütenden Abgang des Gewandhauskapellmeisters Riccardo Chailly vom Pult des Opernhauses gefährlich Vieles schon gefährlich lange ungeklärt. Letzten Endes lebt ein Haus mit Anschluss an die Welt der Oper von dem Neuen, das dort produziert wird. Da mag das schon andern Orts Bewährte noch so glänzen.
In Leipzig gibt es jetzt eine wiederbelebte Aida-Inszenierung, die zu den besten Arbeiten von Peter Konwitschny aus den 90er Jahre gehört und immer noch ihre damalige, leicht verstörende Suggestionskraft bewahrt hat. Musikalisch ist die Oper Leipzig damit auf der Höhe ihrer derzeitigen Möglichkeiten.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
König
Amneris
Aida
Radamés
Ramphis
Amonasro
Ein Bote
Tempelsängerin
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