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Macbeth

Opera in quattro atti von Giuseppe Verdi
Text von Francesco Maria Piave nach
The Tragedy of Macbeth von William Shakespeare


Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit französischen, flämischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Théâtre Royal de Liège am 12. September 2008
Produktion der Fondazione Teatro Comunale di Bologna,
der Fondazione Teatro Giuseppe Verdi di Trieste
und der Fondazione Ravenna Manifestazione di Ravenna

Homepage

Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Macbeth in Japan

Von Thomas Tillmann / Fotos von Jacky Croisier


Die Meinungen über die Qualität der am japanischen Kabuki-Theater orientierten, seit 2004 bereits in Ravenna, Triest und Bologna (der alten Wirkungsstätte des Lütticher Intendanten Stefano Mazzonis di Pralafera) gezeigten Macbeth-Inszenierung waren unterschiedlich und hingen nicht zuletzt davon ab, ob man Ballett mag oder nicht, denn dass Macbeth nicht unbedingt im mittelalterlichen Schottland spielen muss, sondern letztlich in jedem Ambiente "funktioniert", darüber kann man kaum streiten (wobei ich trotzdem die Verlegung in den japanischen Kulturkreis etwas gesucht finde, denn Zuschauer dieser Produktion sind doch Europäer, und da hätte sich zweifellos ein Milieu finden lassen, in das man sich eher hätte eindenken und -fühlen können).

Vergrößerung Micha Van Hoeckes Macbeth-Inszenierung spielt im Kabuki-Ambiente (Chor und Statisterie der Opéra Royal de Wallonie, Ensemble Micha Van Hoecke; in der Mitte: Marianne Cornetti und Mark Rucker als die Macbeths).

Regisseur Micha Van Hoecke ist von Haus aus Choreograph, bereits 1981 gründete er sein eigenes Ensemble, das er nun auch nach Liège mitgebracht hatte und das in dieser Produktion letztlich die Hauptrolle spielt, indem es das gesungene Wort mitunter skurill-hektisch und unter kräftigem Schütteln des Haupthaares kommentiert, als Double der Chöre fungiert, die an die Seite oder ins Off gedrängt werden oder sonstwie pantomisch-tänzerisch das Bühnengeschehen "aufwertet". Der Preis für diese nicht uninteressante Bereicherung des Werkes war freilich, dass nicht viel Aufmerksamkeit für die vom Komponisten vorgesehenen Protagonisten übrig blieb: Ganz praktisch hätte man mit den Darstellern intensiver arbeiten oder darstellerisch begabtere finden müssen, die trotz kurzer Probenzeit zu einem eigenen Konzept im vorgegebenen Rahmen hätten finden können (all das ist etwa von einer Rollendebütantin kaum zu erwarten), man hätte überkommene Standardgesten und Rampentheater mit festem Blick auf den Dirigenten verhindern müssen, hätte Personenführung und -zeichnung vor Choreografie und Organisation der vielen Nebenhandlungen stellen müssen. Vielleicht ist die Produktion aber auch insgesamt zu kompliziert, um sie ohne größeren Aufwand an anderen Opernhäusern herauszubringen, zumal das ausdrückliche Erwähnen der Namen der Assistentinnen den Verdacht aufkommen lässt, dass das Regieteam die Einstudierung gar nicht selber überwacht hat.

Vergrößerung

Macbeth (Mark Rucker, links) und Banquo (Alexander Tsymbalyuk, rechts) versuchen zu verstehen, was die Hexen ihnen Ungeheuerliches verkündet haben.

Und so empfand ich diesen Abend als ziemlich blutarm und spannungslos, was zweifellos daran liegen kann, dass ich in den vergangenen zwanzig Jahren manch gelungenere Aufführung des Werkes gesehen habe. Immerhin, es gibt auch überzeugende Momente, Ideen und Details, die in Erinnerung bleiben, etwa der Einfall, Macbeth am Ende des zweiten Aufzugs mit Fächer auftreten zu lassen und damit seine beinahe weibliche Schwäche zu illustrieren, das "Fangen" der Titelfigur in einem roten Schicksalsfaden oder der Lady in weißen Stoffbahnen in ihrer letzten Szene; den Abend mit dem Auftritt Hecates beginnen zu lassen, die in der griechischen (und nicht in der japanischen!) Mythologie Göttin der Zauberkunst, der Nekromantie, des Spuks, der Wegkreuzungen und nicht zuletzt Wächterin der Tore zwischen den Welten ist, zähle ich nicht dazu. Und auch die ziemlich leere, atmosphärisch düstere, nach oben und hinten durch eine bewegliche schwarze Wand, an den Seiten durch Lamellen begrenzte Bühne von Edoardo Sanchi, in der man auch manch anderes Werk hätte spielen können, und die zwar aufwändigen, aber nicht immer wirklich schönen und im Falle der Lady auch alles andere als vorteilhaften Kostüme von Marella Ferrera bleiben Geschmackssache.

Vergrößerung Lady Macbeth (Marianne Cornetti) versucht ihren Mann (Mark Rucker) nach der Ermordung von König Duncan zu beruhigen.

Grundsätzlich hatte man nicht gegeizt beim Engagieren der Interpreten der Hauptpartien, die allesamt an den großen Häusern dieser Welt ihre Partien singen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand das Rollendebüt der Amerikanerin Marianne Cornetti, die sich in dieser Saison auch noch an Santuzza und Ortrud heranwagen will. Zweifellos hatte sie eine grundsätzliche Eignung für die vertrackte Partie (dass das Des der Nachtwandelszene ein bisschen zitterte, fällt da wenig ins Gewicht, viele Kolleginnen, zumal aus dem Mezzofach, hätten es sicher nicht einmal versucht), auch die verzierten Passagen bewältigte sie auf ordentlichem Niveau, allerdings ohne die Brillanz, die man sich vorstellen könnte. Bei mancher Passage dachte ich persönlich freilich eher an Sport als an Kunst, denn über weite Strecken blieb es beim Abliefern mehr oder weniger imponierender Töne, von denen manch hoher allerdings unschön tremolierte, scharf, barsch, steif und nicht sehr farbig klang, und reichte nicht zu einer wirklich vielschichtigen, über Pauschales hinausgehenden Interpretation, zumal die Künstlerin sich auch als wenig intensive Schauspielerin erwies, der man weder das Königliche noch das Dämonisch-Böse abnehmen wollte. Am besten lagen ihr das "La luce langue", in dem schöne Piani und gebieterisches Forte sich abwechselten, und das kurze Duett mit Macbeth im dritten Akt, das sie natürlich auch entspannter angehen konnte, weil die großen Schwierigkeiten des ersten Teils bereits hinter ihr lagen. Trotz aller Einschränkungen möchte ich die Sängerin noch einmal hören, wenn sie die Partie mit einem versierten Coach wirklich erarbeitet und in mehr Vorstellungen gesungen hat.

Vergrößerung

Lady Macbeth (Marianne Cornetti) fordert ihren von schlechtem Gewissen geplagten Gatten (Mark Rucker) auf, sich vor den Gästen des Banketts zusammenzureißen.

Mark Rucker, der in Liège schon als Nabucco reüssierte und den Macbeth bereits in Bologna portraite, präsentierte auch vokal von Beginn einen schizophrenen, gebrochenen, mitunter gar die Larmoyanz streifenden Charakter, was nicht jedem gefiel - sicher hat man da wuchtigere, frischere, schwärzere Stimmen gehört, aber auch brutalere, weniger Nuancen und subtilere Farben bemühende, weniger sensible Sänger, die Piano und Legato für Schwächen halten und keinen so guten Ausgleich zwischen effektvoller Deklamation und seriösem Gesang hinbekommen. Ruckers "Pietà, rispetto, amore" war einer der Höhepunkte des Abends für mich.

Einen exzellenten Eindruck hinterließ der häufig in Hamburg zu erlebende Alexander Tsymbalyuk als Banco, und dies sowohl auf Grund einer bemerkenswerten darstellerischen Leistung als auch auf Grund seiner reichen, klangvoll-markanten, vital vibrierenden, sehr geschmackvoll und flexibel geführten Bassstimme und seinem Bemühen, sich wirklich auf den italienischen Text und seine Bedeutung einzulassen. Sebastian Na sang die Arie des Macduff mit viel Herzblut, aber nicht nur in schmetternd-metallischem Forte und übertönte dankenswerterweise in den gemeinsam gesungenen Passagen auch Pietro Picone, der als Malcolm das Niveau der Aufführung senkte, Tineke Van Ingelgem hatte für die Dama nicht nur dezente, sondern auch wenig charmante Töne und Trippelschritte, Léonard Graus bot in den übrigen kleinen Partien ebenso Verlässliches wie die Solisten des Lütticher Kinderchores. Die Damen und Herren des Chores, inzwischen betreut vom neuen Direktor Marcel Seminara, profitierten natürlich von dem Umstand, dass sie sich in vielen Szenen ganz auf das Musikalische konzentrieren konnten, besonders der differenziert-sensible Gesang der Herren vor der Ermordung Bancos und das klug gesteigerte "Patria oppressa" bleiben in angenehmer Erinnerung.

Vergrößerung Das geschundene Volk (Chor und Statisterie der Opéra Royal de Wallonie, Ensemble Micha Van Hoecke) beklagt die "Patria oppressa".

Als nicht einheitlich empfand ich die Leistung des Lütticher Orchesters unter ihrem neuen Chef Paolo Arrivabeni, dessen zunächst arg gehetzte Tempi nichts weiter als eine unnötige Fehlerquelle waren und der den Solisten leider nicht im gewünschten Umfang durch interessanter musizierte Begleitfiguren zuarbeitete, die etwa den Cabelette erst den richtigen Schwung geben. Und so wechselten sich Momente von großer innerer Spannung mit solchen großer Belanglosigkeit ab, die dem Stillstand auf der Bühne entsprachen, erst nach der Pause taute das Kollektiv wirklich richtig auf. Besonders gelungen fand ich die Einleitung zur Gran Scena del Sonnambulismo, sehr gut einstudiert und mit viel Verve präsentiert war auch die Ballettmusik, die für mein Empfinden allerdings nicht durchgängig inspiriert wirkt, wohl nicht zu dem Inspiriertesten zu zählen ist, was Verdi geschrieben hat und größere Liebhaber hat als den Rezensenten, der die langen Einlagen reichlich ermüdend und die Handlung aufhaltend fand - wir sind ja nun nicht mehr im Paris des 19. Jahrhunderts, als solche Zugeständnisse obligatorisch waren. Der begeisterte Applaus des Premierenpublikums indes gab den Verantwortlichen Recht.



FAZIT

Ich habe spannendere Inszenierungen von Verdis Macbeth gesehen, pardon.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung
Micha Van Hoecke

Assistenz Inszenierung
Grazia Martelli

Bühnenbild
Edoardo Sanchi

Assistenz Bühnenbild
Simona Ferrari

Kostüme
Marella Ferrera

Assistenz Kostüme
Viviana Ballivo

Licht
Daniele Naldi

Chöre
Marcel Seminara

Ensemble Micha Van Hoecke
Chor der Opéra de Namur
Chor, Kinderchor und Orchester
der Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Macbeth
Mark Rucker

Lady Macbeth
Marianne Cornetti

Macduff
Sebastian Na

Banco
Alexander Tsymbalyuk

Malcolm
Pietro Picone

Kammerfrau der Lady
Tineke Van Ingelgem

Arzt/Diener der Lady/
Mörder/Herold
Léonard Graus

Erscheinungen
Claire Renard
Alice Burton
Charlotte Louis

Hécate
Marzia Falcon



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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