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Maria Stuarda

Tragedia lirica in zwei Akten
Text von Giuseppe Badari
nach dem Trauerspiel von Friedrich Schiller
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2'45 (eine Pause)

Premiere der Konzertanten Aufführung am 10. Januar 2009
im Nationaltheater Mannheim



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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Auch der zweite Teil der Königinnentrilogie war ein Triumph

Von Thomas Tillmann / Fotos von Hans Jörg Michel


Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass mit einer großartigen Aufführung von Anna Bolena die Trilogie der Tudor-Königinnen-Opern Donizettis am Nationaltheater Mannheim begonnen wurde, und die Premiere von Maria Stuarda stand dem ersten Teil in keiner Weise nach. Zum Zuge kam diesmal die Alternativbesetzung (von Zweitbesetzung kann angesichts der umwerfenden Leistungen kaum die Rede sein!): Ludmila Slepneva gab in schwarzer Spitzenrobe mit hohem Kragen, rotem Unterkleid und Stuart-inspirierter Lockenhochsteckfrisur die schottische Königin (in der Pause mutmaßten die Spötter, ob sie unter der opulenten Robe wohl auch den kleinen Hund versteckt hatte, den Mary Stuart dem Vernehmen nach zur Hinrichtung mitgebracht hat), Marie-Belle Sandis interpretierte die Konkurrentin aus England, und Streit möchte man auch mit der Französin mit dem ungemein ausdrucksstarken Gesicht nicht haben, die über keine riesige, aber eine sehr individuelle Stimme mit reichen Farben und exzellenter Mezzohöhe verfügt, die Tücke, Gefährlichkeit und Majestät der Königin ebenso wie verletzten Stolz und Eifersucht sehr präsent auszudrücken versteht und die über genügend Geläufigkeit verfügt, um die zum Teil aberwitzigen, aber immer geschmackvollen und nie dem vordergründigen Effekt dienenden Verzierungen souverän auszuführen. Wie eigentlich alle Mitwirkenden bemühte sie sich zudem permanent um eine intelligente Textausdeutung - ein nicht hoch genug zu lobendes Verdienst der Einstudierung von Studienleiter Dr. Stephen Marinaro (auf dessen Anregung hin das Großprojekt überhaupt gestartet wurde und der es seitdem mit größter Sorgfalt betreut) und unabdingbare Voraussetzung, um Belcantooper spannend aufzuführen.

Es gibt wenig Sängerinnen, die ein so weit gespanntes Repertoire singen wie Ludmila Slepneva (neben den vielen italienischen Partien erinnert man sich dankbar an ihre bemerkenswerte Kaiserin in Mannheims Die Frau ohne Schatten und hört, dass sie auch eine tolle Salome desselben Komponisten singt!), und zudem hat sie echte Divenqualitäten, zu denen ich nicht zuletzt den enormen "Peng" in der kraftvollen, durchdringenden, aber nie schrillen Höhe rechne, den saftig-sinnlichen, dunklen Spintoton, der der Figur so viel mehr Persönlichkeit verleiht als das artifizielle Gesäusel manch prominenter Stuarda-Interpretin, bei der beispielsweise Pianoeffekte eher Überlebensstrategie oder aber Manierismus waren als wirkliche Ausdrucksnuancen wie bei der Russin, das unangestrengte Legato, das Feuer der Attacke und des Ausdrucks. Es ist ihr nicht zuletzt sehr hoch anzurechnen, dass sie bei allem Einsatz vokal stets kontrolliert bleibt und den vielen Möglichkeiten zu Übertreibung nicht nachgibt: Natürlich rührt sie den sensiblen Hörer mitunter zu Tränen (etwa in der wundervollen Preghiera, die wahrlich Weltklasse hatte!), aber ihr Ton wird dabei nicht larmoyant.

Eine Entdeckung war für mich Juhan Tralla, der trotz voller, warmer Stimme kaum Probleme mit der sehr hohen, ohne die bekannten Striche auch gar nicht mehr kurzen Partie des Leicester hatte (wie kämpft da manch prominenterer Kollege in den Aufnahmen!), der sich trotz einiger ins schwerere Fach weisenden Rollen größtmögliche Geschmeidigkeit bewahrt hat, der mühelos Diminuendi und Piani ausführen kann und der somit zurecht ebenso heftigen Beifall erntete wie die beiden Damen (man hörte auf der Premierenfeier, das sich die Mannheimer Intendanz um ein Festengagement bemüht).

Radu Cojocariu gab einen Talbot voller Autorität, Souveränität und beinahe heiligem Ernst, zu dem auch einige grimmige Töne der ansonsten wunderbar balsamischen, die elegante Gesangslinie nie aufgebende Stimme gut passten. Markus Butter hinterließ keinen schlechten Eindruck als zorniger Cecil, auch wenn er es mit der Konsonantenspuckerei und dem Ringen um Ausdruck vielleicht ein wenig zu ernst nahm und im deutschen Fach sicher eher zuhause ist; erwähnenswert sind dennoch einige schöne Pianotöne, allerdings auch die harte Arbeit, die einige hohe Töne für ihn bedeuteten. Welche Besetzungssorgfalt die Verantwortlichen am Nationaltheater an den Tag legen, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass man mit Anne-Theresa Albrecht eben keine abgesungene Comprimaria als Anna Kennedy aufbietet, sondern eine vielversprechende junge Sängerin, die im Mezzofach sicher Karriere machen wird. Nur wiederholen kann ich das Kompliment, das ich bereits vor Jahresfrist dem von Tilman Michael einmal mehr glänzend vorbereiteten Chor gemacht habe, der wiederum "bewies, wie viel beeindruckender als überrumpelnde Lautstärke und verzerrte Mienen dynamische Differenzierung und Feilen an Kleinigkeiten" sind.

Auch die musikalische Leitung ließ keinen Wunsch offen: Anstatt der aus Estland stammenden Anu Tali hatte man nun Tito Ceccherini verpflichtet, der mit dem glänzend disponierten, herrlich warm und voll klingenden Orchester genug Innenspannung und Dichte zu erzeugen verstand, um sich den ganzen Abend lang sehr ruhige Tempi leisten zu können, was anfangs ein wenig irritierte, nach und nach aber immer mehr Sinn machte und manches Detail zu Tage förderte, dass man sonst überhören würde - kein Takt klang hier banal, aber es wurde andererseits auch nicht demonstrativ "Kunst" gemacht, um Skeptiker zu überzeugen, was ähnlich nervig ist. Den Solisten war er ein mehr als aufmerksamer, uneitler Begleiter, und nicht zuletzt die blitzsauberen Concertati belegten, welche Autorität der junge Italiener bereits ausstrahlt, der sich bisher eher mit Alter Musik und Werken der Moderne einen Namen gemacht hat.

Erfreulich überdies, dass die Anfang der siebziger Jahre von Patric Schmid in Bologna entdeckte, von Donizetti für Aufführungen in Mailand nachkomponierte Ouvertüre mit ihrem langsamen Beginn und einem Allegroteil, der Marias Auftrittscabaletta aufnimmt, zu Gehör gebracht wurde, die man von der Maria Stuarda-Aufnahme mit Beverly Sills und einem Donizetti-Album der rührigen englischen Firma Opera Rara mit Nelly Miricioiu kennt, die aber merkwürdigerweise im Klavierauszug bis heute nicht auftaucht. Eine gute Entscheidung (nämlich durchaus im Sinne des Komponisten) war es, das Duett Maria - Leicester zu streichen, das Donizetti wohl für die Vorstellungen des Jahres 1835 und damit für die Malibran eingefügt hat, um die Partie für sie interessanter zu machen, das aber eigentlich nur den ersten Teil unnötig in die Länge zieht. Ansonsten aber hört man das Werk endlich einmal ungestrichen mit den vollständigen Stretti und Piu mosso (beim Lesen des Klavierauszuges mit den alten Aufnahmen kommt man aus dem Blättern nicht heraus!) und bemerkt, wie großartig die Strukturen und die Architektur dieses oft als schwach bewerteten Werkes doch sind. Wie sorgfältig man in Mannheim über das Werk nachgedacht hat, zeigte auch die Ausführung der Schlüsselstelle des ersten Finale, des berühmten "Figlia impura di Bolena", das schon vor der Uraufführung für so großen Wirbel gesorgt hat und den Belcantodiven der Vergangenheit reichlich Gelegenheit für outrierte Ausfälle und erratisches Abweichen vom Notentext lieferte: Ludmila Slepneva singt die Passage, wie sie notiert ist, sie keift nicht exaltiert und effektheischend, sie ringt sich in der tiefen Lage kein brustiges Forte ab, sondern kostet ihren Triumph eher innerlich aus, und nach dem vorher Gesagten muss sie auch das berüchtigte "vil bastarda" nicht mehr herausspucken - es ist bereits alles gesagt. Und auch der Umstand, dass es keine endlos gehaltenen Schlusstöne bei Arienschlüssen gab (immer Zeichen schlechten musikalischen Geschmacks und manchmal auch harmonisch eine Pein für geschulte Ohren!), zeigte, wie ernst man das Genre in Mannheim nimmt.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Figlia impura di Bolena" (Auszug aus dem ersten Finale) - Ludmila Slepneva (Maria Stuarda)
(MP3-Datei)



FAZIT

Keine Frage: Auch der zweite Abend der Donizetti-Trilogie zeigt, wie hervorragend Belcantoopern doch sind und beim Publikum ankommen, wenn sie richtig aufgeführt werden, nämlich wirklich ernst genommen werden vom Erstellen der Aufführungsfassung an bis zur Auswahl und Einstudierung der Solistinnen und Solisten - ein uneingeschränktes Kompliment an alle Beteiligten! Schön, dass schon in der nächsten Saison mit Roberto Devereux die Fortsetzung folgt (und ein festlicher Opernabend am 7. März, bei dem Lucia Aliberti und Alexandrina Pendatchanska die königlichen Rivalinnen sind), und wer weiß, vielleicht gibt es ja dann auch noch einige zyklische Aufführungen der Trilogie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tino Ceccherini

Musikalische Einstudierung
Stephen Marinaro

Chor
Tilman Michael



Chor und Orchester
des Nationaltheaters
Mannheim


Solisten

* Premierenbesetzung

Maria Stuarda,
Königin von Schottland,
Gefangene in England

Marina Ivanova
/* Ludmila Slepneva

Elisabetta,
Königin von England
* Marie-Belle Sandis/
Andrea Szántó

Roberto,
Graf von Leicester
Luciano Botelho/
* Juhan Tralla

Giorgio Talbot,
Earl von Shrewsbury
* Radu Cojocariu

Lord Guglielmo Cecil,
Lord High Treasurer
Thomas Berau/
* Markus Butter

Anna Kennedy,
Marias Amme
* Anne-Theresa Albrecht



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



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