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Ein kühl strahlendes Märchen
Von Ursula Decker-Bönniger
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Fotos von Michael Hörnschemeyer Geblendet von den Fortissimo-Akkorden des großen Orchester und der Sterilität der ästhetischen Bühnenhalle in Weiß und Blau vernimmt man das Gesetz der unnahbaren, kalten, ihrem Wesen nach unbegreiflichen chinesischen Prinzessin Turandot. Für die Einen ist sie die männermordende, verführerische femme fatale der 1920er Jahre. Andere sehen in ihr eine tief verletzte Frau, die ihren königlichen Bewerbern unlösbare Rätsel stellt, um dem Schicksal und der Demütigung der vergewaltigten Ahnin zu entgehen, bzw. diese zu rächen. Wieder andere deuten die Tatsache, dass die Liebe Lius als eine mit niederer Klassenzugehörigkeit behaftete Heldin mit dem Tode bestraft wird, als Vorwegnahme einer faschistischen Faszination angesichts der Leiden Anderer. Volk und Palastwächter
Entgegen aller spektakulären, historisch-politisch oder biographisch-psychologisch motivierten Neudeutungen ruft Regisseur Wolfgang Quetes die Oper als verfremdetes, zeitloses Märchen in Erinnerung, in die chinesische Prinzessin Turandot mit überlangen, spitzen Fingernägeln ihre Unnahbarkeit aufrecht erhält. Aus dem Kaiserreich Puccinis ist ein Einheitsstaat in Weiß geworden. Seine Bewohner tragen schwarze Zöpfe, weiße, lange Gewänder und den typisch asiatischen Reispflückerhut. Ihre Gesichter sind weiß geschminkt. Mal begehren sie als vorwärtsdrängende Masse auf, während sich ihnen die Palastwächter, mit stahlglänzenden Beilen und verhüllten Gesichtern ausgestattete Männer in Schwarz entgegenstellen. Mal halten sie fordernd dem Zuschauer Kärtchen hin, auf denen in chinesischen Schriftzeichen das Wort Blut zu lesen ist. Szenisch plakative Bilder, deren veristische Akzente wie Schreie, Proteste, Wutausbrüche von der Musik ergänzt werden. Besonders beeindruckend ist das Erscheinen des Kaisers hervorragend dargestellt von Mario Brell - im zweiten Bild des zweiten Aktes. Wie ein Deus ex machina wird aus der Mitte der Bühnendecke eine riesige, ebenfalls weiße Treppe heruntergelassen. Zu den pathetisch feierlichen Chören der Kaiserhymne erscheint ein kranker, gebeugter Altoum, der sich verschreckt an das Geländer klammert, innehält, verängstigt aufblickt, abwinkt, um die nächsten Stufen weiterzustolpern. Pong (Andrea Shin) Ping (Ivan Dimitrov) Kalaf (Mario Zhang) und Pang (Thomas Stückemann)
Neben diesen heroischen Musikparts gibt es exotisches Lokalkolorit, lyrisch-sentimentale oder grotesk-komische Klänge z.B. im Terzett der drei, vor einem transparenten Vorhang spielenden, der Commedia dell'arte entlehnten, lustigen Minister-Figuren. Dass sie anschließend als Henkersknechte fungieren, bleibt in dieser Inszenierung als ungelöste Frage bestehen ebenso wie die Frage, wie ein Mensch, der sich von Turandot angezogen fühlt, ein Held sein kann. Macht- und Standesinteressen werden als Motive im symbolträchtigen Farbwechsel der Kleidung Kalafs angedeutet, ebenso das der Liebe, wenn Turandot am Ende mit gelöstem Haar, ohne edles Gewand und reich verzierter standesgemäßer Hochsteckfrisur die Stufen der Macht gemeinsam mit ihrem Gemahl emporsteigt. Ein Happy-End? Turandot (Elisabeth Whitehouse) und Kalaf (Mario Zhang)
Puccinis letzte unvollendete Opernkomposition lebt bis auf die in Münster gespielte Fassung der Schlussbilder des dritten Aktes von Franco Alfano von farbenreicher Harmonik, Rhythmik und Instrumentation, wobei die verschiedenen Kolorits abwechslungsreich und vergleichbar mit der harten Schnitttechnik beim Film aufeinanderprallen. Die gut aufgestellten Chöre und das Orchester unter der Leitung Fabrizio Venturas unterstreichen durch differenzierte, spannungsreiche Gestaltung die Modernität und Lebendigkeit dieser Komposition.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Lichtdesign
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Turandot
Altoum
Timur
Kalaf
Liù
Ping
Pang
Pong
Mandarin
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- Fine -