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Die tote Stadt

Text von Julius Korngold und Erich Wolfgang Korngold
(unter dem Pseudonym "Paul Schott")
frei nach dem Roman Bruges la mortes von Georges Rodenbach
Musik von Erich Wolfgang Korngold

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere am 30. Mai 2009 im Opernhaus Nürnberg

Kooperation mit dem Stadttheater Bern


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Staatstheater Nürnberg
(Homepage)
(K)ein Wunderwerk

Von Sina Baumgart / Fotos von Staatstheater Nürnberg / Jörg Landsberg

Ein wahrer Sinnesgenuss ist Erich Wolfgang Korngolds Tote Stadt: Rauschhaft, von hoher Theatralität, schillernd in der Instrumentation und geprägt von ergreifender Melodik. Kaum zu glauben, dass ein gerade mal 22jähriger dieses Wunderwerk der Oper schuf, welches zugleich sein bekanntestes Werk werden sollte. Giacomo Puccini erkannte die außerordentliche Begabung des Komponisten, der sich filmkompositorisch sogar Hollywood zuwandte. Er äußerte nach einem Höreindruck der Toten Stadt, sein junger Kollege sei „die stärkste Hoffnung der neuen deutschen Musik“. Auch heute noch ist Korngold ein Begriff, wenngleich er seine größten Erfolge in den 1920ern feierte. Im Gegensatz zur direkten Wagnernachfolge vermied er philosophische Überbelastungen, die Ausreizung deklamierender Stimmen und einen motivgebeutelten Orchesterapparat. Ebenso wenig schloss er sich der atonalen Freigiebigkeit Schönbergs an und setzte stattdessen auf bewährte Traditionen, die der Musik und den Theatereffekten wieder mehr Raum zumaßen. Zu denken ist da nur an die Lieder oder tableauartigen Szenen der Toten Stadt, die bereits andeuten, dass Korngold die Oper wieder zu einer „Stätte sinnlicher Fassbarkeiten“ machen wollte.

Foto kommt später

Paul (Norbert Schmittberg) und Marietta (Mardi Byers)

Seine „Tote Stadt“, die auf Georges Rodenbachs Roman „Bruges-la-Morte“ fußt, stellt das Leben selbst und letztendlich auch die desperate Stimmung der Nachkriegszeit in den Mittelpunkt. Umkreist wird die Frage, inwieweit Trauer das Leben beeinflusst, beeinflussen darf. Macht es Sinn sich dem Vergangenen derart hinzugeben, dass die Gegenwart geradezu daran erstickt? Und gibt es einen Ausweg aus der Trauer?

Dargestellt werden diese Fragen an dem Protagonisten Paul, der ganz in Erinnerung an seine verstorbene Frau – Marie – lebt. Ihr altes Zimmer gleicht einem Totentempel, in dem Paul die Vergangenheit so sehr am Leben erhält, dass ihm Visionen erscheinen, die sich von der Realität nicht mehr abgrenzen lassen: Eine geladene Tänzerin – Marietta – erscheint, die – zumindest optisch – große Ähnlichkeit mit Marie aufweist und die der Protagonist nur als Schatten Maries lieben kann. Diese Tänzerin, die trotz ihrer zahlreichen Liebschaften für Paul die Einzige sein will, nimmt schließlich den Kampf mit der Toten auf und wird zum Lohn dafür von Paul erdrosselt. Zum Glück erweist sich aber alles als tragischer Traum, durch den der Protagonist von seiner Vergangenheitsliebe geheilt wird: Paul beschließt, Marie und Marietta mitsamt der toten Stadt Brügge hinter sich zu lassen.

Foto kommt später Marietta (Mardi Byers)

Morbide und dennoch stark, depressiv und trotzdem optimistisch ist Korngolds Tote Stadt und ein Werk, das zweifelsohne von emotionalem Tiefgang ist. Ernüchternd ist es da, wie unberührt einen die Oper am Staatstheater Nürnberg lässt. Die Inszenierung Gabriele Rechs ist modern, zeichenhaft aufgeladen, aber allzu steril: Zwei weiße Wände, die mit ihren rückwärtig düsteren Seiten auch zur toten Stadt umfunktioniert werden, zeigen über verschlossene Fenster die Isolation Pauls vom wirklichen Leben. Ein verschöntes Baugerüst als Tempel der Reliquien Maries ist zwischen die Wände gesetzt und deutet nicht nur die „Baufälligkeit“ von Pauls Leben, sondern die psychische Verwandlung des Protagonisten an. Wenig einfallsreich ist der Einsatz eines Diaprojektors mit einem Bild Maries, das die dauerhafte Präsenz der Toten anzeigt. In der düsteren Stadt agieren exhibitionistische Nonnen und gespenstische Kinderzüge, während Mariettas Theatertruppe als Theater auf dem Theater im Gothic-Comedia-dell'-arte-Look mit buntem Riesenschirm und Kinderlaternen erscheint. Visuelle Kultivierung des Toten, Morbiden sozusagen. Die Prozession im dritten Bild wird - abgesehen vom orange flackernden Licht – nicht inszeniert.

Foto kommt später

Kalle Kanttila (Victorin), Leah Gordon (Juliette), Jochen Kupfer (Fritz), Mardi Byers (Marietta), Sybille Witkowski (Lucienne) und Richard Kindley (Graf Albert)

Wirken Bühnenbild (Stefanie Pasterkamp) und Kostüme (Gabriele Heimann) trotz aller Unterkühlung durchdacht, so scheitert die Inszenierung letztendlich an der Personenregie. Oftmals erscheinen die Sänger ungestellt und hilflos, spielen gar aneinander vorbei oder zeigen unpassende Aktionen. Ärgerlich ist vor allem, dass nahezu konsequent an der Musik vorbei inszeniert wurde. So tätschelt Marietta ihrem Paul den Kopf, während im Orchester ein orgiastischer Tanz erklingt und Paul wendet sich im Augenblick höchster Spannung von Marietta ab, um gemütlich in einem Büchlein herumzublättern. Merkwürdig auch, dass Marietta nicht als verführerische Tänzerin, sondern eher bäuerlich rustikal in babyblauem oder weißem Kleid erscheint, während Paul in modernem schwarzen Anzug auftritt. Manche Augenblicke, wie die einer entblößten Brust oder angedeuteten Vergewaltigung, wirken geradezu peinlich. Aggressiv und konsequent inszeniert wären sie wirkungsreich gewesen, doch so: Ein gescheitertes Skandälchen, mehr gewollt als gekonnt.

Foto kommt später Paul (Norbert Schmittberg) und Marietta (Mardi Byers)

Auch musikalisch wird Korngolds „Toter Stadt“ in Nürnberg kein Glanz beschert. Das Orchester unter Philipp Pointner agiert etwas schwunglos, an etlichen Stellen zu laut und wenig differenziert. Als geradezu böse Überraschung stellt sich die Rolle des Paul heraus, die an einen Sänger höchste Ansprüche stellt und eklatant zum Gelingen oder Scheitern der Oper beiträgt. Der Tenor Norbert Schmittberg, der ganz offensichtlich mit der Partie überfordert ist, quält sich mit nicht zu überhörender und -sehender Anstrengung durch den Abend. Mit kehliger und raumloser Stimme hat er vor allem mit der Höhe zu kämpfen und vernachlässigt im Kräfte zehrenden Stimmakt das Spiel. Mardi Byers (Marietta und Marie) zeigt sich sängerisch wie schauspielerisch durchaus souverän, aber für die Rolle der Marietta etwas zu derb und mit ihrem überbordenden Vibrato stimmlich bisweilen grell. Ihr „Glück, das mir verblieb“, vermag nicht zu berühren. Positiv trat – neben Teresa Erbe als Brigitta – Jochen Kupfer (Frank und Fritz) in Erscheinung. Mit volltönendem Bariton war er das stimmliche Highlight des Abends und gab eine einfühlsame Interpretation des Liedes „Mein Sehnen, mein Wähnen“.


FAZIT

Mit Korngolds Oper Die toter Stadt bringt das Staatstheater Nürnberg ein wunderbares Werk des 20. Jahrhunderts auf die Bühne. Leider bleibt die Realisation hinter den inszenatorischen und musikalischen Möglichkeiten zurück.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Pointner

Inszenierung
Gabriele Rech

Choreographie
Christiane Milenko

Bühne
Stefanie Pasterkamp

Kostüme
Gabriele Heimann

Licht
Thomas Schlegel

Chor
Edgar Hykeln

Dramaturgie
Judith Debbeler
Norbert Klein



Chor des Staatstheaters Nürnberg

Nürnberger Jugendchor des
Lehrergesangsvereins
(Einstudierung Barbara Labudde)

Tanzensemble des
Staatstheaters Nürnberg

Statisterie des
Staatstheaters Nürnberg

Die Nürnberger Philharmoniker


Solisten

Paul
Norbert Schmittberg

Marietta / Marie
Mardi Byers

Frank / Fritz
Jochen Kupfer

Brigitta
Teresa Erbe

Juliette
Leah Gordon

Lucienne
Sybille Witkowski

Victorin
Kalle Kanttila

Graf Albert
Richard Kindley






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



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