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Draußen vor der Tür
Von Joachim Lange
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Fotos von A.T. Schaefer/DNO
Vielleicht haben, weil den Holländern das Meer und Schiffe aller Arten ohnehin ständig im Sinn und vor Augen sind, Martin Kuej und sein Bühnenbildner Martin Zehetgruber ihnen beides auf der Bühne der Amsterdamer Oper erspart. Das heißt nicht so ganz. Am Ende nämlich erschießt Erik erst den Holländer und dann Senta am Strand eines ziemlich wolkenverhangenen Meerpanoramabildes. Was auf den ersten Blick wie die gewaltsame Auflösung eines simplen Eifersuchtsdramas wirken mag, ist auf den Zweiten der Höhepunkt eines Diskurses über verschiedene Arten, den Abgründen und Bedrohungen der Welt zu begegnen. Kuej erzählt weniger die Geschichte des Fliegenden Holländer klassisch nach, sondern er bietet vielmehr deren diverse Innen- und Außenkonstellationen der Assoziationsbereitschaft seiner Zuschauer an. Der Holländer (Juha Uusitalo)
Der Raum, in dem das geschieht, wird von einer Front doppelter Glastüren beherrscht. Dahinter gibt es einen schmalen Swimmingpool und eine Spiegelwand. In diesem ansonsten sterilen Eingangsbereich nach Irgendwo ist es meist ziemlich hell, obwohl bei Kuej vieles in einem Deutungshalbdunkel bleibt. Was ja nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Noch während der Ouvertüre jedenfalls sieht man einen Fisch auf dem Trocknen sein Leben verzappeln. Während hinter der Glastürfront der Regen peitscht, stürmt eine bunt zusammengewürfelte Truppe von vergnügungswilligen Gegenwartsmenschen auf die Bühne. Dem scheinbar glimpflich abgegangenen Schiffbruch einer Amüsiergesellschaft stellt der Holländer, aus ihrer Mitte heraus, seine düsteren Visionen entgegen. Draußen vor der Tür: Die Leute des fliegenden Holländers Dieser Gegensatz von oberflächenfixierter Buntheit des Lebens und grüblerisch warnender, ahnender Dunkelheit wiederholt sich im zweiten Aufzug. Dort verweigert sich Senta an einem echten Spinnrad als einzige und demonstrativ den Wellness- und Körperkult-Exzessen der Frauen, die in ihrer Selbstverliebtheit kaum registrieren, dass draußen vor der Glastür gesichtslose Menschen offenbar umkommen. Vielleicht von Leuten wie Erik erschossen werden. Ein Coup ist die Perspektivumkehrung beim Steuermann, lass die Wacht. Diesen eskalierenden musikalischen Gewaltausbruch erleben wir aus der Sicht der Ausgeschlossenen. Die Glastürfront ist jetzt durch ein Gitter gesichert, die Leute des Holländers sitzen wie eine eingeschüchterte Straßengang, die sich verstecken will, im Dunkel und werden von der Mehrheitsgesellschaft am Ende sogar mit Baseballschlägern bedroht. Mit einer latenten Aggressionsbereitschaft, die unheimlich ist, ohne dass dieses Bild gleich allzu plakativ auf die ungelösten Überforderungen unserer migrationsverunsicherten Zivilgesellschaft zielt. Die Taschen voller Geld: Daland, Holländer, Steuermann
Weniger überzeugend hingegen gelingen Kuej erstaunlicherweise die individuellen Porträts. Das berühmte, im Rahmen, das vom Holländer, das gibt es gleich gar nicht. Dafür nur einen menschenlosen Meeresblick. Die Begegnung zwischen Daland (etwas brüchig: Robert Lloyd) und dem Holländer etwa bleibt so unterspielt wie die Reisetasche voller Geldscheine ein billiges Requisit. Senta und dem Holländer ist die Anziehungskraft, die sie einander in die Arme treibt, unheimlich in der Detailzeichnung ihrer Figur überzeugt freilich nur Catherine Naglestad mit ihrer zunehmenden inneren Souveränität und Unabhängigkeit. Auch wenn sie die ersten Töne fast unterschlägt, sind es dann vor allem mutig ausgesponnene Piani, mit denen sie die leuchtenden Ausbrüche ihrer Senta immer wieder erdet. Dagegen driftet der Holländer von Juha Uusitalo, auf zum Teil eigenwilligen Wegen, in ein für einen Holländer seines Formates seltsam diffuses Dauerforte ab. Als Mary trägt Marina Prudenskaja dunkle Leuchtkraft zum hell auftakelnden Mini-Fummel zur Schau, während der junge Tenor Marco Jentzsch seinem Erik stimmlich die souveräne Normalität verpasst, die sein Handeln erst so beunruhigend macht. Im Wellness-Bereich hier spinnt nur Senta Für Hartmut Haenchen am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest war dieser Holländer (gespielt wird die Fassung von 1860) ein Heimspiel. Er prägte mehr als ein Jahrzehnt das Orchester und die Amsterdamer Oper als Dirigent. Wenngleich er diesmal mehr auf einen eher atmosphärisch mitziehenden Sound als eine aufklarendes Ausloten setzte, bewies der in Deutschland immer etwas unter Wert behandelte Haenchen, nach dem hiesigen Ring, trotz einiger Einschränkungen, auch diesmal Wagnerkompetenz.
Die Oper in Amsterdam hält auch bei Wagner mit. Die Inszenierung bietet Stoff zum Nachdenken, das Orchester überzeugt und auch die Besatzung ist alles in allem in guter Form. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten
Daland
Senta
Erik
Mary
Der Steuermann
Der Holländer
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