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Musiktheater
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Der fliegende Holländer

Musikdrama in einem Aufzug
Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (keine Pause)

Premiere im Muziektheater Amsterdam am 10. November 2009
Besuchte Aufführung: 1. Februar 2010


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Draußen vor der Tür

Von Joachim Lange / Fotos von A.T. Schaefer/DNO


Vielleicht haben, weil den Holländern das Meer und Schiffe aller Arten ohnehin ständig im Sinn und vor Augen sind, Martin Kušej und sein Bühnenbildner Martin Zehetgruber ihnen beides auf der Bühne der Amsterdamer Oper erspart. Das heißt nicht so ganz. Am Ende nämlich erschießt Erik erst den Holländer und dann Senta am Strand eines ziemlich wolkenverhangenen Meerpanoramabildes. Was auf den ersten Blick wie die gewaltsame Auflösung eines simplen Eifersuchtsdramas wirken mag, ist auf den Zweiten der Höhepunkt eines Diskurses über verschiedene Arten, den Abgründen und Bedrohungen der Welt zu begegnen. Kušej erzählt weniger die Geschichte des Fliegenden Holländer klassisch nach, sondern er bietet vielmehr deren diverse Innen- und Außenkonstellationen der Assoziationsbereitschaft seiner Zuschauer an.


Vergrößerung Der Holländer (Juha Uusitalo)

Der Raum, in dem das geschieht, wird von einer Front doppelter Glastüren beherrscht. Dahinter gibt es einen schmalen Swimmingpool und eine Spiegelwand. In diesem ansonsten sterilen Eingangsbereich nach Irgendwo ist es meist ziemlich hell, obwohl bei Kušej vieles in einem Deutungshalbdunkel bleibt. Was ja nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Noch während der Ouvertüre jedenfalls sieht man einen Fisch auf dem Trocknen sein Leben verzappeln. Während hinter der Glastürfront der Regen peitscht, stürmt eine bunt zusammengewürfelte Truppe von vergnügungswilligen Gegenwartsmenschen auf die Bühne. Dem scheinbar glimpflich abgegangenen Schiffbruch einer Amüsiergesellschaft stellt der Holländer, aus ihrer Mitte heraus, seine düsteren Visionen entgegen.


Vergrößerung

Draußen vor der Tür: Die Leute des fliegenden Holländers

Dieser Gegensatz von oberflächenfixierter Buntheit des Lebens und grüblerisch warnender, ahnender Dunkelheit wiederholt sich im zweiten Aufzug. Dort verweigert sich Senta an einem echten Spinnrad als einzige und demonstrativ den Wellness- und Körperkult-Exzessen der Frauen, die in ihrer Selbstverliebtheit kaum registrieren, dass draußen vor der Glastür gesichtslose Menschen offenbar umkommen. Vielleicht von Leuten wie Erik erschossen werden.

Ein Coup ist die Perspektivumkehrung beim „Steuermann, lass die Wacht“. Diesen eskalierenden musikalischen Gewaltausbruch erleben wir aus der Sicht der Ausgeschlossenen. Die Glastürfront ist jetzt durch ein Gitter gesichert, die Leute des Holländers sitzen wie eine eingeschüchterte Straßengang, die sich verstecken will, im Dunkel und werden von der Mehrheitsgesellschaft am Ende sogar mit Baseballschlägern bedroht. Mit einer latenten Aggressionsbereitschaft, die unheimlich ist, ohne dass dieses Bild gleich allzu plakativ auf die ungelösten Überforderungen unserer migrationsverunsicherten Zivilgesellschaft zielt.


Vergrößerung Die Taschen voller Geld: Daland, Holländer, Steuermann

Weniger überzeugend hingegen gelingen Kušej erstaunlicherweise die individuellen Porträts. Das berühmte, im Rahmen, das vom Holländer, das gibt es gleich gar nicht. Dafür nur einen menschenlosen Meeresblick. Die Begegnung zwischen Daland (etwas brüchig: Robert Lloyd) und dem Holländer etwa bleibt so unterspielt wie die Reisetasche voller Geldscheine ein billiges Requisit. Senta und dem Holländer ist die Anziehungskraft, die sie einander in die Arme treibt, unheimlich – in der Detailzeichnung ihrer Figur überzeugt freilich nur Catherine Naglestad mit ihrer zunehmenden inneren Souveränität und Unabhängigkeit. Auch wenn sie die ersten Töne fast unterschlägt, sind es dann vor allem mutig ausgesponnene Piani, mit denen sie die leuchtenden Ausbrüche ihrer Senta immer wieder erdet. Dagegen driftet der Holländer von Juha Uusitalo, auf zum Teil eigenwilligen Wegen, in ein für einen Holländer seines Formates seltsam diffuses Dauerforte ab. Als Mary trägt Marina Prudenskaja dunkle Leuchtkraft zum hell auftakelnden Mini-Fummel zur Schau, während der junge Tenor Marco Jentzsch seinem Erik stimmlich die souveräne Normalität verpasst, die sein Handeln erst so beunruhigend macht.


Vergrößerung

Im Wellness-Bereich – hier spinnt nur Senta

Für Hartmut Haenchen am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest war dieser Holländer (gespielt wird die Fassung von 1860) ein Heimspiel. Er prägte mehr als ein Jahrzehnt das Orchester und die Amsterdamer Oper als Dirigent. Wenngleich er diesmal mehr auf einen eher atmosphärisch mitziehenden Sound als eine aufklarendes Ausloten setzte, bewies der in Deutschland immer etwas unter Wert behandelte Haenchen, nach dem hiesigen Ring, trotz einiger Einschränkungen, auch diesmal Wagnerkompetenz.


FAZIT

Die Oper in Amsterdam hält auch bei Wagner mit. Die Inszenierung bietet Stoff zum Nachdenken, das Orchester überzeugt und auch die „Besatzung“ ist alles in allem in guter Form.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hartmut Haenchen

Inszenierung
Martin Kušej

Bühne
Martin Zehetgruber

Kostüme
Heide Kastler

Chor
Martin Wright

Dramaturgie
Sebastian Huber



Koor an De Nederlandse Opera

Nederlands
Philharmonisch Orkest


Solisten

Daland
Robert Lloyd

Senta
Catherine Naglestad

Erik
Marco Jentzsch

Mary
Marina Prudenskaja

Der Steuermann
Oliver Ringelhahn

Der Holländer
Juha Uusitalo





Weitere Informationen
erhalten Sie von
De Nederlandse Opera
(Homepage)



Da capo al Fine

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