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Les Troyens

Grand opéra en cinq actes
I. La prise de Troie
II. Les Troyens à Carthage
Musik und Text von Hector Berlioz

In französischer Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 45' (zwei Pausen)

Premiere in Het Muziektheater Amsterdam
am 5. Oktober 2003
Premiere der Wiederaufnahme
am 4. April 2010
Besuchte Vorstellung: 2. Mai 2010


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Westbroek und mehr

Von Thomas Tillmann / Fotos von Clärchen & Matthias Baus



Bereits sieben Jahre ist es her, dass Pierre Audis Les Troyens-Inszenierung in Amsterdam Premiere hatte, eine Produktion, die mehr auf monumentale Bilder als auf (psychologische) Deutung setzt, die die Figuren nicht wirklich mit Leben erfüllt, die keine rechte Personenführung erkennen lässt, bei der viel an der Rampe gestanden wird - und bei der man von Berlioz' grandioser Musik nur wenig abgelenkt wird, was ich bei der Dernière dieser Reprise dankbarer zur Kenntnis nahm als damals.

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Cassandre (Eva-Maria Westbroek) sieht den Untergang ihres Volkes (Koor van De Nederlandse Opera) immer deutlicher voraus.

Grund für die Anreise war in meinem Fall eigentlich aber auch in erster Linie, dass Eva-Maria Westbroek (nach einer sehr überzeugenden konzertanten Wally im Amsterdamer Concertgebouw im Rahmen der Samstagsmatineen im Februar) die Rolle der Cassandre übernehmen würde, und beruhigt registrierte man, dass die vergleichsweise tiefe Tessitura für die Niederländerin kein Problem war, auch in dieser Lage scheint ihr herrlicher jugendlich-dramatischer Sopran keine Grenze zu kennen, sie dominiert angenehm in den Ensembleszenen und klingt wie immer wunderbar entspannt und gesund. Und doch stellte sich wieder der Eindruck ein, den ich bei den meisten der letzten Auftritte hatte: Die Rollendebüts kommen zu schnell, es fehlt offenbar die Zeit, die Partien über die musikalische Bewältigung hinaus intensiv zu studieren, sie zu durchdringen und ein wirklich faszinierendes Portrait der großen Frauenfiguren zu entwickeln, wie man es von ganz großen Interpretinnen erwartet - ich denke an Evelyn Herlitzius in Duisburg oder auch an Anna Caterina Antonacci im Pariser Châtelet (die im Mai dreimal mit ihrem Programm Altre stelle in Amsterdam gastiert und dabei auch Szenen aus der Berlioz-Oper interpretiert).

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Cassandre (Eva-Maria Westbroek, vorn) misstraut dem Jubel der trunkenen Trojaner (Koor van De Nederlandse Opera; vorn: Dirigent John Nelson).

Schon damals hatte mir Yvonne Naef als Didon gut gefallen, die sieben Jahre im dramatischen Fach haben der Stimme nicht viel anhaben können, sie hat an Präsenz und Ausdrucksvaleurs noch gewonnen (und war in der Extremhöhe auch damals schon etwas angespannt und farblos), und so ist man fasziniert von einer erfahrenen, üppigen Frau in den besten Jahren, die neben dem sinnlichen Ton mit ihrem Wissen um Nuancen überzeugt, mit ihrer sorgfältigen Phrasierung, mit einer exemplarischen, wirklich durchdachten Textbehandlung, und die sich im fünften Akt zu einer echten Tragödin entwickelt, auch vokal, hier hört man keinen ambitionierten lyrischen Mezzo, sondern den Reichtum einer dramatischen Stimme auf dem Zenit ihres Könnens.

Das letzte Wort in Sachen Enée ist sicher auch Bryan Hymel nicht, dem die Nervosität auch in der von mir besuchten letzten Vorstellung der Serie sehr deutlich anzuhören war, natürlich ist die Stimme ein wenig zu leicht für diese heldische Partie und geht in Orchestertutti etwas unter, aber natürlich war der Amerikaner nicht solch ein Ärgernis wie damals Donald Kaasch und bewältigte den anspruchsvollen Part durchaus mit Glanz, schönem Legato und vielen zarten Tönen in der großen Arie, wobei die tiefer gelegenen Passagen ihm größere Probleme machten als die Spitzentöne und man mitunter den Eindruck hatte, dass der dunkle Klang mitunter künstlich erzeugt wird.

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Enée (Bryan Hymel) und Didon (Yvonne Naef) geben sich der "Nuit d'ivresse" hin.

Jean-Francois Lapointe führte die Riege der vielen native speaker an, die man engagiert hatte (zweifellos ein Plus für die Aufführungen), mit seinem klangvollen, elegant geführten, legatostarken Kavaliersbariton konnte er sehr beim Amsterdamer Publikum punkten, auch wenn die tiefen Töne des Chorèbe ihn einige Arbeit kosteten, Charlotte Hellekant fand ich damals als Anna präsenter und vokal frischer, Christopher Gillett wiederholte mit deutlich rauherem Material als 2003 seinen intensiven Sinon in der umstrittenen Szene, die musikalisch wie ein Fremdkörper wirkt, mir nach wie vor nicht wirklich fehlen würde und die Berlioz zurecht gestrichen wissen wollte, Nicolas Testé überrumpelte als Panthée mit kraftstrotzend-schwarzem, aber auch etwas ungeschlacht eingesetzten Bass, Greg Warren hatte mit weichem, legatostarken Tenor hörbar Angst vor dem C des Iopas, Kollege Sébastien Droy hatte es nicht leicht, das Lied des Hylas liegend, dann eine dünne Leiter hinabsteigend zu singen, die Stimme entfaltete sich erst, als er gegen Ende seines Einsatzes festen Boden unter den Füßen hatte, Alastair Miles sang mit großer Eleganz trotz etwas verwittertem und vor allem in der Tiefe nicht größer gewordenem Bass dennoch einen bemerkenswerten Narbal. Freute man sich die längste Zeit über den vollmundigen Klang eines personenstarken, glänzend einstudierten Chores, wie man ihn an deutschen Häusern wahrlich nicht mehr häufig zu hören bekommt, so übertrieben es vor allem die Damen an den Fortissimostellen, und um das synchrone Absolvierenmüssen der vielen vom Regisseur verordneten Bewegungen beneidete man das Kollektiv nicht.

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Dido (Yvonne Naef) stirbt, begleitet von Iopas (Greg Warren), Narbal (Alastair Miles) und Anna (Charlotte Hellekant).

John Nelson sorgte am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest für straffe Tempi, mit denen er die Mitwirkenden, vor allem auch den Chor, zu größter Aufmerksamkeit zwang, ohne diese jedoch zu überfordern, und viel Übersicht in den Tableaus. Manche Passagen vor allem im ersten Teil hätte ich mir allerdings weniger glatt, sondern schroffer, aggressiver gewünscht, den größten Eindruck machte hier der sehr dicht musizierte Auftritt von Andromaque und Astyanax, später dann der duftig-sinnliche Klang etwa in den Ballettszenen (während ich das Liebesduett schon leuchtender und schwebender gehört habe).


FAZIT

Eine willkommene Wiederaufnahme dieser wunderbaren Werkes, zweifellos; Eva-Maria Westbroek hat ihrem Repertoire eine weitere interessante Rolle hinzugefügt, aber die bemerkenswerteste Leistung des langen Nachmittags gelang Yvonne Naef als Didon.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Nelson

Inszenierung
Pierre Audi

Bühne
George Tsypin

Kostüme
Andrea Schmidt-
Futterer

Licht
Peter van Praet

Choreografie
Amir Hosseinpour
Jonathan Lunn

Choreinstudierung
Martin Wright

Dramaturgie
Klaus Bertisch



Koor van
De Nederlandse Opera

Nederlands Philharmonisch
Orkest


Solisten

Enée
Bryan Hymel

Chorèbe
Jean-Francois Lapointe

Panthée
Nicolas Testé

Narbal
Alastair Miles

Iopas
Greg Warren

Ascagne
Valérie Gabail

Cassandre
Eva-Maria Westbroek

Didon
Yvonne Naef

Anna
Charlotte Hellekant

Hélénus/Hylas
Sébastien Droy

Priam
Christian Tréguier

Un chef grec/
1ère sentinelle
Alexandre Vassiliev

Un soldat
Peter Arink

2ème sentinelle
Patrick Schramm

L'ombre d'Hector/
Le dieu Mercure
Philippe Fourcade

Sinon
Christopher Gillett

Polyxène
Michaela Karadjian

Hécube
Danielle Bouthillon

Andromaque
Jennifer Hanna

Astyanax
Steven Fluit
Stijn Koene

Hector/Iarbas
Standish de Vries



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